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# taz.de -- Debatte Trumps Selbstinszenierung: Battle auf der Weltbühne
> Wrestling ist der urtypische US-amerikanische Showsport. Voller Pathos,
> Kitsch und Fakes. Auch Trump hat sich auf dieser Bühne schon präsentiert.
Bild: König der Inszenierung: Donald Trump 2007 bei der Wrestlemania 23 im Det…
Eine Halle mit röhrendem Publikum. Musik, grelles Scheinwerferlicht, ein
Ring. Daneben zwei Männer mittleren Alters in feinen Einreihern, die sich
nach einem „Bodyslam“ am Boden wälzen. Fäuste fliegen, dann schlägt der
eine zu, ein „Knuckel“: Beifall, Gekreische, der Kampf ist vorbei.
Der Verlierer des kurzen Gerangels ist Vincent McMahon, Vorsitzender der
World Wrestling Entertainment Liga (WWE). Der Sieger, Donald Trump, ist
zehn Jahre später Präsident der Vereinigten Staaten.
Wir schreiben das Jahr 2007. Beim „Battle of the Billionaires“ trafen das
Schwergewicht der Unterhaltungsindustrie McMahon und der damalige
Immobilien-Titan Trump aufeinander – im Rahmen des Wrestling-Großevents
„WrestleMania XXIII“. Ein Showdown der Extraklasse, denn beim „Hair vs.
Hair“-Kampf stand viel auf dem Spiel: Geld, Würde, Ego.
Der Gewinner, so war es ausgemacht, würde dem Verlierer im Wrestling-Ring
den Kopf rasieren – vor Zuschauern und TV-Kameras. Trump gelang es mit
seinem brachialen Körpereinsatz, den Gegner zu Boden zu bringen. Und auch
bei der anschließenden Rasur, die McMahon um seinen silbrigen Haarschopf
brachte, legte „The Donald“ mit einer Menge Rasierschaum höchstpersönlich
Hand an.
## Der mächtigste Mann
Das beschriebene Event liegt lange zurück und die bizarr anmutenden Szenen
stammen aus der Welt des Professional Wrestlings. Dennoch suggerieren sie
eine denkbare Analogie zu der Art und Weise, wie Trump – nun apostrophiert
als „der mächtigste Mann der Welt“ – mit erklärten Gegnern umgeht.
Wrestling ist jener urtypische US-amerikanische Showsport, bei dem zwei
oder mehr Kontrahenten im Ring aufeinander einschlagen. Doch anders als
beim sportlichen Boxen, treten die Wrestler bei ihrem Kampf nur scheinbar
gewaltsam gegeneinander an – Ablauf und Ende der Show sind abgesprochen,
der Sieger ist vorherbestimmt.
Dieser „Entertainment-Sport“ gehört zur „Trashkultur“ des „American …
life“ und ist Teil einer milliardenschweren Unterhaltungsindustrie. Ein
Spektakel in Reinform, eine Welt „larger than life“: Feuerwerk und Glitzer.
Körper, in Lack, Leder oder Spandex. Eine Welt voller Pathos, Kitsch und
Fakes. Eine Welt, in der Gewalt und Polemik immer eine Lösung sind und
Frauen nur hypersexualisiert auftreten. Es ist eine Welt, die sich Trump
ganz offenbar zum persönlichen Habitat erkoren hat.
Seit dem Beginn des US-Wahlkampfs wurden wir immer wieder Zeuge von
Auftritten Trumps, die sich in ihrer schrillen Absurdität jeglichen
Erklärungsversuchen sperrten. Nach jeder neuen rassistischen, sexistischen,
populistischen Äußerung, per Ansprache oder via Twitter, versuchten
KommentatorInnen dahinter eine kalkulierte Absicht oder eine versteckte
Strategie zu entdecken.
Ob Finanzkurs oder Umweltvisionen, Immigration, Außenpolitik oder die
nukleare Zukunft „seines“ Landes – immer wieder schienen Trumps Äußerun…
auf nichts anderes hinzuzielen, als auf Krach, Skandal, verbales Getöse.
## Politische Bühne oder Wrestling-Ring?
Zielt Trump mit seinen Plattitüden einfach nur auf ein Höchstmaß an
Aufmerksamkeit? Seine Wrestling-Vergangenheit – er sponserte ab Mitte der
80er Jahre immer wieder Events der WWE und ist immerhin als einer der
Superstars in der Wrestling „Hall of Fame“ verewigt – lässt die Frage zu:
Verwechselt Trump die politische Bühne vielleicht mit dem Wrestling-Ring?
Für Außenstehende bleibt die fast schon fanatische Begeisterung der
Wrestling-Anhänger für diese Form des Schlagabtauschs kaum nachvollziehbar,
schon weil die physische Darstellung barbarischer Brutalität offensichtlich
an die niedersten Instinkte appelliert. Zudem setzt die Beschäftigung mit
dem Phänomen voraus, dass sich die ZuschauerInnen mit einem ganz eigenen
Kosmos auseinandersetzen – inklusive sprachlicher Codes, Regeln und einem
Panoptikum bizarrer Charaktere. Denn die Wrestler treten im WWE-Universum
stets als Kunstfiguren auf.
Zu diesem Kabinett gehören mythische Bösewichte wie der „Undertaker“ (der
Bestatter) oder der muskelbepackte Ultrapatriot „John Cena“. Sie stehen für
eine wilde Kombination aus Klischees und Stereotypen, für Rollenbilder und
Posen eines popkulturellen Bildkanons – inklusive Kostümierung, der
typischen Erkennungsmelodie („Entrance-Song“) und einer „Catchphrase“ �…
einer Art Kampfschrei, zusammengeschnurrt auf einen aggressiven Slogan.
Donald Trump verkörperte in der Welt des Wrestling keine derartige
Kunstfigur. Aber er hatte sein Image als polemischer Playboy-Billionär
bereits ab 2004 in anderen populären Formaten etabliert – etwa als
Karriere-Scharfrichter der Casting-Show für angehende Manager „The
Apprentice“. So konnte er, bereits popkulturelle Ikone, als „The Donald“
überzeugend gegen McMahon in den Ring treten, sein Auftrittssong: „Money,
Money, Money“.
## Really, really real
Es war ein Kampf ganz nach der Dramaturgie des WWE, im Jargon der Branche
„Kayfabe“. Mit diesem Kunstbegriff bezeichnet man die Übereinkunft von
Wrestlern und Managern, das martialische Gebaren rund um den Ring wie die
Kämpfe selbst, als „really, really real“ zu verkaufen. In Wahrheit ist der
Ausgang abgesprochen, das Match nicht mehr als eine perfekte Performance.
Auch Trumps Triumph war verabredet, der Sieg eine bloße Inszenierung, um
nicht zu sagen: „Fake News“. Das nämlich macht den Kern des Genres aus. Wie
in einem Märchen, dessen Ende bekannt ist, besteht der Reiz derartiger
Auftritte nicht in der sportlichen Leistung, sondern allein in der
dramaturgischen Aufbereitung, den gestalterischen Neuerungen.
Allein wie gekonnt oder perfektioniert diese Performances gelingen,
entscheidet über den Zuspruch der Konsumenten. Im Ring ist es daher
wichtig, mit aggressiven Ausfällen im Publikum für Dampf zu sorgen – im
Wrestling-Slang – „to create heat“. Dazu sind alle Mittel recht –
Beleidigungen, Lüge, Spott. Das einzige Ziel, mit dem der Wrestler seinen
Marktwert erhöht, ist: auffallen.
Trump machte Hillary Clinton während des Wahlkampfs als „nasty woman“
herunter, beschimpfte sie als „Teufel“ und seine Anhänger forderten:
„Clinton hinter Gitter“. Also Provokation in jeder Form. Verleumdung,
Falschaussagen, Hauptsache: Krawallmache.
## Primitiv-röhrende Sprachgewalt
Dass die Attacken von Clinton immer wieder elegant pariert wurden, tat der
Polemik keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die absurdesten Anschuldigungen
hatten in den sozialen Netzwerken längst ihr klebriges Eigenleben bekommen.
Dazu eignete sich auch Trumps favorisiertes Kommunikationsmittel: der
Tweet, den er willkürlich in alle Richtungen abfeuerte – sei es um einen
Politiker, eine TV-Moderatorin oder eine Schauspielerin zu beleidigen, weil
sie es gewagt hatten, an „The Donald“ Kritik zu üben. Seine Tweets
bedurften keiner Eloquenz und erinnerten in ihrer primitiv-röhrenden
Sprachgewalt verblüffend an die Punchlines der WWE-Wrestler.
Aber die Wortsalven von Showsportlern brauchen keinen Inhalt. Sie dürfen
als bloße semantische Formeln existieren, die allenfalls flüchtige
Reaktionen auslösen. Problematisch wird es, wenn der „Führer der Freien
Welt“ sich auf ähnlich hohle Worthülsen beschränkt. Denn Trumps Aussagen
werden ernst genommen, sie bewegen Börsenkurse, politische Fronten und
könnten gefährliche diplomatische Verwerfungen auslösen.
21 Jan 2017
## AUTOREN
Marie Simons
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