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# taz.de -- Die Wahrheit: Schäm dich, Brehm!
> Der größte Beuteltierfeind aller Zeiten stammt aus dem 19. Jahrhundert.
> Nun gibt es Proteste gegen die Schmähungen des Tierlebenbeschreibers.
Bild: Wo er sonst kein gutes Haar an Beuteltieren lässt, zollt Vater Brehm nur…
Tiervater Alfred Brehm war der Bernhard Grzimek des 19. Jahrhunderts.
Seinen hohen Ruf verdankte Brehm seiner Tier-Enzyklopädie „Brehms
Tierleben“, die damals die Bücherwand jedes bildungsbürgerlichen
Tierfreunds schmückte.
Doch jetzt fällt ein dunkler Schatten auf den berühmten Tierforscher: Die
„Tasmanischen Teufel“, eine engagierte Tierschutzgruppe aus Australien,
wirft Brehm notorisches Beuteltierschmähen vor. Was ist dran an diesen
Vorwürfen?
Schlagen wir einmal das Kapitel „Beuteltiere“ in „Brehms Tierleben“ auf.
Dort ist zu lesen: „Vergleicht man ein Beuteltier mit einem Raub- oder
Nagetiere, so macht sich sofort auch dem blödesten Auge bemerklich, dass
der Beutler unter allen Umständen minder entwickelt und vollendet ist.“ Das
Beuteltier „erregt höchstens unsere Verwunderung“, „vielleicht unsere
Lachlust“, oder es „stößt uns geradezu ab“, krittelt Brehm weiter.
„Irgend etwas fehlt unserem durch andere Tiergestalten verwöhnten Auge
stets“, mäkelt er in einer Tour und steigert sich schließlich zu einem
vernichtenden Urteil: „Es erscheint die Anschauung, dass wir es mit
unvollkommenen, nicht genügend entwickelten Wesen zu tun haben“! Um noch
einen draufzusetzen: „Die Unvollkommenheit, Roheit und Plumpheit der
Beuteltiere offenbart sich namentlich, wenn man die geistigen Fähigkeiten
in Betracht zieht.“
## Vernichtendes Urteil
Teilnahmslosigkeit, Mangel an Zuneigung und Mutterliebe wirft Brehm den
Beuteltieren auch noch vor. Insgesamt ist das ein vernichtendes Urteil über
die possierliche Beuteltierschar. Woher rührt Brehms fundamentale
Beuteltierablehnung, die für die „Tasmanischen Teufel“ die Grenze zum
Beuteltierhass deutlich überschreitet?
Der passionierte Reisende Brehm hat Norwegen, Lappland, Afrika, das
Riesengebirge, Österreich und Spanien besucht, bis nach Australien, der
Heimat der Beuteltiere, kam er aber nie. Brehm konnte die von ihm so
gebeutelten Tiere nur im Zoo erlebt haben. Als Zoodirektor in Hamburg und
Berlin hat er die inkriminierten Beuteltier natürlich als Gefangene erlebt.
Besonders mit einer Gruppe der Beuteltiere hatte er es zu tun, mit den
Kängurus nämlich. Was schrieb Brehm über sie? „An ihnen ist eigentlich
alles merkwürdig. Ihr Gang ist ein schwerfälliges, unbehilfliches
Forthumpeln. Schon gefangene (Känguruhs) springen, wenn man sie hin- und
herjagt, bis 8 m weit.“ Wenn man sie hin- und herjagt? Was hast du getan,
Tiervater?
Brehm beschimpft die Springbeutler als „im hohen Grade geistlose Geschöpfe,
ihnen ist selbst das Schaf geistig überlegen“. Eines aber räumt er
wenigstens ein, nämlich: „Dieses friedliche Tier weiß sich zu verteidigen.
Seine Stärke liegt in den kräftigen Hinterläufen.“ Sollte die empfindliche
Tiervaternase mit diesen kräftigen Hinterbeinen Bekanntschaft gemacht haben
beim Hin- und Herjagen?
In seiner Beuteltierablehnung ist Brehm seit diesem mutmaßlichen Vorfall
jedenfalls kategorisch. Den kleinen Beutelbär (Koala) schmäht er in
bekannter Manier: „Stumpfsinnig, wie er ist, läßt er sich ohne große Mühe
fangen und fügt sich gelassen in das Unvermeidliche.“ Diese Gelassenheit
des Beutelbärs geht Brehm leider ab, so heißen die freundlichen Wombats bei
ihm nur „Plumpbeutler“. Mit „ungeschlacht der Kopf, hochgradig plump der
Körper, stummelschwänzig, mit kurzen, krummen Gliedmaßen“, beschreibt Brehm
unbarmherzig das Aussehen der Wombats. Und wie springt Brehm mit dem
Tasmanischen Wombat um? Dieser „sieht noch unbehilflicher aus, als er ist.
Ein … stumpfsinniger und gleichgültiger Gesell“, nennt ihn der schmähende
Brehm.
## Wütendes Geschöpf
Nur einem Beutler zollt Brehm widerwillig Respekt, dem Beutelteufel! Brehm
schreibt: „Diesen bedeutungsvollen Namen erhielt das Tier wegen seiner
unglaublichen Wildheit und Unbezähmbarkeit. Man kann sich kaum ein
ungemütlicheres, tolleres, unsinnigeres und wütenderes Geschöpf denken, als
diesen Beutelteufel, dessen schlechte Laune und Ärger niemals endet, und
dessen Zorn bei der geringsten Gelegenheit in hellen Flammen auflodert.
Nicht einmal in der Gefangenschaft und bei sorgfältigster Pflege verliert
er seine Eigenschaften.“
Sollte der bösartige Beutelteufel dem Altvater Brehm bei der sorgfältigen
Pflege an die Gummistiefel gegangen sein? Das vermuten nicht nur die
Tierschützer von den „Tasmanischen Teufeln“, bei denen der lange geschürte
Zorn auf Brehm auflodert. Und man kann den heutigen Tierfreund verstehen,
der dazu nüchtern feststellt: „Wenn ich mich für einen schäm, dann für
Beuteltierfeind Brehm!“
23 Jan 2017
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Tiere
Australien
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