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# taz.de -- Die Wahrheit: Geschnetzeltes vom Lobbyisten
> Neues vom Bundeslandwirtschaftsminister zur Ernährungssprache: Die
> Teewurst darf künftig nicht mehr nach Tee schmecken.
Bild: Wenn die Wurst sprechen könnte, würden wir sie nicht verstehen
Der Herr Bundesernährungsminister Christian Schmidt hat zur
Pressackkonferenz in Berlin geladen und die anwesenden Gäste sind gespannt.
Was hat der „Herr der Wurstringe“ wohl zu verkünden?
Denn so wird der Minister gern scherzhaft hinter vorgehaltener Hand
genannt. Die gute Laune wird den Labor-Lobbyisten von der
Nahrungsmittelindustrie aber rasch vergehen, denn Wurst-Schmidt stellt
einen rigorosen neuen Nahrungsmittelbezeichnungskatalog vor.
„Begriffe wie vegetarische Boulette und vegane Salami sind Formkäse!“,
schimpft Schmidt. „Schluss mit Pseudofleischgerichten und
Lügenaufschnitt!“, ereifert sich der kompakte Franke. Die anwesenden
veganen Wursthersteller wiegeln ab: Irreführende Nahrungsmittelnamen habe
es schon immer gegeben, man denke nur an die beliebte Erbswurst. Von ihr
erwartet doch niemand, dass sie nach Wurst schmeckt, denn Wurst ist die
Form und nicht der Inhalt!
## Gaukeleien des Gefühls
„Doch was hülfe alles Wissen, wenn das Gefühl uns vorgaukelte, die
Erbswurst schmecke irgendwie doch ein kleines bisschen nach Wurst? Wollt
ihr das, vegane Wursthersteller?“ Verlegenes Hüsteln ist die Antwort.
„Deshalb verfüge ich, dass fortan jede Speise umgenannt werden soll, die
König Verbraucher in die Irre führt! Verboten sei die Teewurst, die nicht
aufgebrüht werden kann, verboten sei der Wurstsalat, der nicht auf den
Feldern wächst, und verboten sei die Zwiebelleberwurst, denn wer hat schon
von einer Zwiebel gehört, die eine Leber hat?“ Murren im Saal.
„Und sagt nie wieder ‚Fleischpflanzerl‘ zur Boulette, ihr
Lügenbeutel-Bajuwaren! Und nennt den Rollmops nicht mehr Rollmops!“ Murren
im Saal: „Bedenkt die China-Exporte, Herr!“ Doch Schmidt kennt keine Gnade:
„Nix da! Hört mir auf mit Rübensteak und Fischpudding, keinen Sand- und
keinen Pfefferkuchen mehr!“
„Und was ist mit Schweineohren und Zimtschnecken?“, fragen die Bäcker
bange. „Nur wenn sie vom Schwein respektive von der Schnecke stammen,
ansonsten soll euch die Zimtschnecke von der Gewerbeaufsicht die
Schweineohren langziehen, betrügerische Bäcker!“ Stöhnen im Saal.
„Und nennt euch nie wieder ‚vegetarische Metzger‘, ihr Kreuzberger
Aufschneider, nennt euch ‚gewöhnliche Gemüsehändler‘, ‚Salatisten‘
meinetwegen.“ Entsetzen im Publikum.
## Vampire mit Handkäs
„Keine Blutorangen mehr, ihr vegetarischen Vampire, keinen Beifuß, keinen
Beinwell und keinen Handkäse mehr!“ Verstört wird nachgefragt: „Und der
Mohrenkopf?“ Schmidt schnaubt: „Doppelt tabu: rassistisch und
kannibalistisch!“
Dann fährt er fort: „Ferner als Nahrungsmittel sind absolut und ab sofort
verboten: Berliner, Amerikaner und Kassler!“ Erleichterung bei allen
Berlinern, Amerikanern und Kasslern. Das restliche Publikum verlässt heftig
debattierend den Saal. Keiner achtet auf ein aufgeschrecktes Mohnhörnchen,
das auf einen Baum flüchtet und im Blätterkrokant verschwindet.
Die aufgebrachte Lobbyistenschar kehrt anschließend im „Goldenen
Tofubrätling“ ein, wo sie erst einmal etwas bestellt auf den Schreck:
Blumenkohl-Bouletten und ein kräftiges Schoko-Eisbein. Und dem Herrn
Minister wünscht man den Tartar an den Hals!
24 Feb 2017
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Landwirtschaft
Sprache
Wurst
Maulwurf
Hirnforschung
Kreativität
Martin Luther
Adolf Hitler
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