| # taz.de -- Berlin nach dem Anschlag: Mörderisch gottesfürchtig | |
| > Die Moabiter Moschee, in der der Attentäter vom Breitscheidplatz | |
| > verkehrte, ist geschlossen – vom Träger. Ein offizielles Verbot erging | |
| > bisher nicht. | |
| Bild: Hinweis an der verschlossenen Tür der Moschee in einem Moabiter Hinterhof | |
| Mehrmals hat der Tunesier Anis Amri, der am 19. Dezember das Terrorattentat | |
| auf dem Breitscheidplatz verübte, eine Moschee in Moabit besucht. Das | |
| belegen Videoaufzeichnungen etwa von Anfang Oktober, zuletzt laut | |
| Bundesanwaltschaft vom Tag des Attentats selbst. Die Videos existieren, | |
| weil die Moschee in der Perleberger Straße 14 seit langem als Treffpunkt | |
| gewaltbereiter Islamisten gilt. Seit 2015 wird über ein Verbot des Vereins | |
| „Fussilet 33“ diskutiert, der die Moschee kontrollierenden und auch eine | |
| Moschee im Wedding betreiben soll. Der Gebetsraum in der Perleberger Straße | |
| ist derzeit geschlossen – allerdings nicht auf Anordnung des Innensenator, | |
| sondern durch den Verein selbst. | |
| Gegen mehrere Personen aus dem Umfeld des Vereins liefen oder laufen | |
| Gerichtsverfahren. Im September 2015 wurde der 41-jährige Murat S. vom | |
| Berliner Kammergericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Er soll mehrmals | |
| nach Syrien gereist und dort eine „Ausbildung an der Waffe“ absolviert | |
| sowie „mehrfach Wachdienste für ‚Junud al-Scham‘“ geleistet haben, hei… | |
| im Berliner Verfassungsschutzbericht von 2015. S. gehörte demnach einem | |
| Kreis um Ismet D. an, dem selbst ernannten „Emir“ (Befehlshaber) der | |
| Moabiter Moschee und des Fussilet-Vereins. | |
| ## Kampf für den Gottesstaat | |
| Ismet D. taucht bei den Verfahren um die Moschee immer wieder auf. Dem | |
| 42-jährige Chef einer Firma für Holz- und Bautenschutz wird seit Januar | |
| 2016 zusammen mit dem 44-jährigen Emin F. vor dem Kammergericht der Prozess | |
| gemacht. Der Vorwurf: Unterstützung der „Junud al Scham“ („Soldaten | |
| Syriens“). Laut Staatsanwaltschaft handelt sich dabei um eine | |
| radikal-islamische Vereinigung, die einen Gottesstaat in Syrien errichten | |
| will. Ihre Wurzeln habe sie im tschetschenischen Dschihadismus. | |
| Die Festnahme von Ismet D. war im Januar 2015 erfolgt, nachdem die Polizei | |
| die Moabiter Moschee durchsucht hatte. Er soll dort regelmäßig gepredigt | |
| haben. Sein Islamunterricht zielte laut Anklage darauf ab, „den als | |
| bewaffneten Kampf verstandenen Jihad in Krisenregionen aufzunehmen und sich | |
| hierzu entsprechenden Organisationen anzuschließen“. Außerdem sollen die | |
| Angeklagten die Ausreise von vier Tschetschenen aus Deutschland in das | |
| syrische Kriegsgebiet organisiert haben. | |
| Und dann gibt es da noch Ghazimurad K., der ebenfalls in Verbindung mit | |
| Fussilet und dem „Emir“ D. aktenkundig wurde. Im Juni 2016 wurde K. wegen | |
| Unterstützung der Terrororganisation IS und Billigung von Straftaten zu | |
| zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Alle Beteiligten sitzen in | |
| Haft. Die beiden Urteile sind noch nicht rechtskräftig. | |
| Bei der Sondersitzung des Innenauschusses am 23. Dezember war | |
| Innenstaatssekretär Thorsten Akmann (SPD) gefragt worden, warum die Moschee | |
| nicht längst verboten sei. Akmann vermutete, der frühere Innensenator Frank | |
| Henkel (CDU) habe den Ausgang der Strafverfahren abwarten wollen. Aktuell | |
| waren damals zwei von insgesamt fünf Strafverfahren mit Verurteilungen | |
| abgeschlossen. Denkbar sei, dass man „jetzt kurzfristig tätig werden kann“, | |
| so Akmann. | |
| Nach dem Stand der Verbotsprüfung gefragt, erklärte der Sprecher der | |
| Innenverwaltung, Martin Pallgen, am Mittwoch: „Wir arbeiten dran.“ Bei | |
| Ausländervereinen – so Akmann im Dezember bei der Sondersitzung – müssten | |
| Verbotstatbestände nach Paragraf 14 Vereinsgesetz erfüllt sein. Das sei der | |
| Fall, wenn Ermittlungs- und Strafverfahren gegen bestimmte Personen, die | |
| dort tätig sind, anhängig seien – vor allem wenn der Verdacht bestehe, dass | |
| es sich um eine terroristische Vereinigung im Ausland handele, die durch | |
| diesen Verein unterstützt werde. | |
| Laut dem aktuellen Handelsregister gehört die Moschee in der Perleberger | |
| Straße immer noch dem Islamverband Ditib an. Dieser hatte der taz jedoch | |
| [1][bereits vor zwei Jahren erklärt], die Gemeinde ausgeschlossen zu haben: | |
| wegen zu radikaler Ansichten. Dies bestätigte die Pressestelle der | |
| Ditib-Zentrale in Köln auf taz-Anfrage und verwies an ihren Landesverband | |
| Berlin. Dessen Vorsitzender beantwortete allerdings weder schriftliche noch | |
| telefonische Anfragen. | |
| Ditib ist ein Dachverband türkischer Moscheegemeinden, der dem staatlichen | |
| Amt für religiöse Angelegenheiten der Türkei untersteht. In der Perleberger | |
| Straße sollen sich in vergangenen Jahren laut Sicherheitsbehörden vor allem | |
| tschetschenische Muslime getroffen haben. | |
| Die Sure „Fussilet“ ist die 41. Sure des Koran. Auf Deutsch bedeutet das | |
| arabische Wort „ausführlich dargelegt“. In ihrem 33. Satz, nach dem der | |
| Verein benannt ist, heißt es, nichts sei besser, als Anderen den Weg zu | |
| Allah zu ebnen und von sich selbst zu sagen, zu den Gottesfürchtigen zu | |
| gehören. | |
| In offizielle Gesprächskreise von und mit Muslimen wie etwa das Berliner | |
| Islamforum sei die Fussilet-Gemeinde nie eingebunden gewesen, sagt Nina | |
| Mühe, die die Teilnahme muslimischer Organisationen an dem Forum | |
| koordiniert. Das Islamforum organisiert seit über zehn Jahren den Austausch | |
| zwischen Berliner MuslimInnen und Verwaltung und Politik. | |
| Insgesamt gibt es mehr als 80 Moscheen und islamische Gebetsräume in | |
| Berlin. Zwar tauchen mehrere andere Moscheen im Verfassungsschutzbericht | |
| auf – doch nur die As-Sahaba-Moschee im Wedding wird direkt mit der | |
| Rekrutierung für islamistischen Terror in Verbindung gebracht. | |
| 13 Jan 2017 | |
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| Alke Wierth | |
| Plutonia Plarre | |
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