Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ermittlungen zu Brandanschlägen: Kein Ende in Sicht
> Die Gewalt gegenüber Flüchtlingen reißt nicht ab. Die Ermittler halten
> auch terroristische Taten für möglich. Ein erster Prozess beginnt im
> Frühjahr.
Bild: Der Fall wird gerade vor Gericht verhandelt: Brennende Halle in Nauen nac…
BERLIN taz | Die Täter kamen in der Nacht zu Weihnachten. Gegen 2.30 Uhr
warfen sie den Brandsatz in die Waschküche der Unterkunft für Geflüchtete
in Haldensleben (Sachsen-Anhalt). Die Flammen erloschen, dennoch entstand
laut Polizei ein Schaden von 1.000 Euro. Die laut Zeugenaussage drei bis
vier Täter flüchteten unerkannt.
Der Fall zeigt: Die Gewalt gegen Geflüchtete reißt nicht ab. [1][142
vermutete Brandanschläge in Unterkünften zählt die taz im Jahr 2016]. Das
Bundeskriminalamt kommt insgesamt auf 921 Straftaten – dazu zählen
Sachbeschädigungen oder volksverhetzende Schmierereien, aber auch 66
Brandanschläge. Im Vorjahr waren es 1.031 Taten. Mit den üblichen
Nachmeldungen könnte es wieder einen traurigen Gewaltrekord geben.
Dabei bedeutete schon das Vorjahr einen enormen Anstieg. 2014 noch zählte
das BKA 199 Straftaten. Seitdem explodierte die Gewalt. In einem jüngsten,
internen BKA-Lagebericht werden die anhaltenden Übergriffe der „weiterhin
herausragenden“ Mobilisierung der rechten Szene in der Flüchtlingsfrage
zugeschrieben. Ein Ende der Agitation sei „nicht abzusehen“.
Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke spricht von einer „zunehmenden Verrohung
der Gesellschaft“. „Die Saat von Pegida und AfD geht weiter auf.“ Die
Situation sei „brandgefährlich“. Auch die Grünen-Innenpolitikerin Irene
Mihalic fordert „dringend griffige Sicherheitskonzepte“. Es brauche
Risikoanalysen, wo die Gefahr besonders hoch sei. „Dort müsste der Schutz
solcher Einrichtungen verstärkt werden.“
Bei den Sicherheitsbehörden indes gibt man sich teils ratlos. Gerade bei
„fanatisierten Einzeltätern“ stünden „kaum erfolgversprechende Ermittlu…
und Präventionsansätze zur Verfügung“, heißt es in dem BKA-Papier. Auch
sonst mangele es an „klare belegbare Muster“.
## Junge, männliche Täter
Zu den Festgenommenen listet der BKA-Bericht nur für das erste Halbjahr
Zahlen auf. Bis dahin konnten 255 Verdächtige ermittelt werden, 18 davon
Frauen. Drei Viertel der Beschuldigten waren unter 30 Jahre alt und 60
Prozent wohnten in dem Ort, in dem sie die Tat begingen. Knapp die Hälfte
war der Polizei bis dahin nie aufgefallen. 39 der Verdächtigen kannte der
Verfassungsschutz als Rechtsextreme.
Einige Gerichte reagieren inzwischen mit Härte. Für einen Brandanschlag auf
eine bewohnte Unterkunft in Salzhemmendorf (Niedersachsen) wurden die Täter
mit bis zu achtjährigen Haftstrafen verurteilt. Für einen Anschlag in
Altena (NRW) gab es sechs Jahre, in Meißen (Sachsen) waren es knapp vier
Jahre Haft.
Auch die Ermittler vollzogen einen Schwenk. Anfangs sprachen sie von
„emotionalisierten Einzeltätern“, die nicht an rechte Strukturen angebunden
seien. Im jüngsten BKA-Lagebild heißt es nun, es müsse „auch die Bildung
terroristischer/krimineller Gruppen innerhalb des rechten Spektrums in
Betracht gezogen werden“. Dafür spreche etwa eine hohe Straftatendichte in
einzelnen Regionen und die Affinität für Waffen in der rechtsextremen
Szene. Und Menschen würden bewusst in Gefahr gebracht: „Inwiefern diese
Gebäude tatsächlich bewohnt sind, scheint für die Mehrheit der Täter von
nachrangiger Bedeutung zu sein.“
## Terrorprozess in Sachsen
Tatsächlich beginnt im Frühjahr nach einer Anschlagsreihe auf Unterkünfte
im sächsischen Freital ein Terrorprozess vor dem Oberlandesgericht Dresden.
Die Bundesanwaltschaft hatte den Fall übernommen und angeklagt. Ermittler
hatten auch die verwendete Pyrotechnik geprüft: Sie hatte eine 130-fach
stärkere Wirkung als Silvesterfeuerwerk und habe „wie Splitterbomben“
gewirkt. Die Tötung von Menschen sei „billigend in Kauf“ genommen worden.
Lesen Sie auch: [2][Liste der Brandanschläge auf Unterkünfte –
Hundertzweiundvierzig Mal Hass]
3 Jan 2017
## LINKS
[1] /Anschlaege-auf-Unterkuenfte-2016/!5367296
[2] /Anschlaege-auf-Unterkuenfte-2016/!5367296
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Kriminalität
Brandanschlag
Schwerpunkt Flucht
BKA
Brandstiftung
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Brandanschlag
Rechte Gewalt
Schwerpunkt Flucht
Nauen
Brandanschlag
Flüchtlinge
Rechtsextremismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bürgermeister nach Attentat: Der Unbeugsame
Nach dem Messerangriff kehrt Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein ins
Rathaus zurück. Er hält an seiner liberalen Asylpolitik fest.
Grüne über Angriffe auf Flüchtlingsheime: „Dann stimmt das System nicht“
Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten müssen ernster genommen werden,
verlangt Irene Mihalic. Sie fühlt sich an die NSU-Affäre erinnert.
Flüchtlingsunterkünfte in Ostwestfalen: Feuer aus Frust gelegt
Aus „Unzufriedenheit mit der Unterbringungssituation“ sollen drei Männer
ihr Heim in Ostwestfalen angezündet haben. Eine Person wurde schwer
verletzt.
Kommentar Brandanschläge: Wir müssen hinschauen
Es brennt in deutschen Flüchtlingsunterkünften. Um zu verhindern, dass wir
uns an das Grauen gewöhnen, ist die öffentliche Aufmerksamkeit wichtig.
Anschläge auf Unterkünfte 2016: Es brennt in Deutschland
Im vergangenen Jahr gab es 141 Fälle von mutmaßlicher Brandstiftung auf
Unterkünfte von Geflüchteten.
Anschlag auf Asylunterkunft in Nauen: „Krass, wie das brennt“
Sie sollen in Nauen rechte Straftaten verübt haben. Am Ende brannte die
lokale Sporthalle. Vor Gericht gestehen einige Angeklagte.
Brandstiftung in Münsteraner Unterkunft: Der Angeklagte wusste, was er tat
50 Flüchtlinge sollten in Münster in eine neue Unterkunft einziehen. Zwei
Männer zündeten deshalb das Gebäude an. Im Prozess geben sie sich reumütig.
Feuer in Flüchtlingsheim in Erbach: Brand gelegt, Motiv unklar
Bei einem Feuer in einem Haus mit Flüchtlingen wurden neun Bewohner
verletzt. Die Polizei wertet Spuren aus. Bislang ist offen, wer den Brand
gelegt hat.
Rechte Gewalt in Deutschland: „Eine bedrohliche Entwicklung“
Mehr rechte Gewalttaten gab es seit 15 Jahren nicht mehr. Der Innenminister
ist besorgt, die Justiz greift durch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.