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# taz.de -- Grüne über Angriffe auf Flüchtlingsheime: „Dann stimmt das Sys…
> Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten müssen ernster genommen
> werden, verlangt Irene Mihalic. Sie fühlt sich an die NSU-Affäre
> erinnert.
Bild: Nach dem Brand in einer geplanten Unterkunft für Geflüchtete – es war…
taz: Frau Mihalic, die taz hat im vergangenen Jahr 141 Brand- und
Sprengstoffanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten gezählt, das BKA nur
70. Wieso liegen die Zahlen so weit auseinander?
Irene Mihalic: Das BKA zählt die Anschläge nur dann als politisch
motiviert, wenn sich ein entsprechender Hintergrund nachweisen lässt. Wenn
also beispielsweise Tatverdächtige einem bestimmten politischen Spektrum
zugeordnet werden können. Diese Schwäche in der Analyse beobachten wir
spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU. Da sind wir noch nicht
wirklich weitergekommen.
Welche Schulungsmaßnahmen wären nötig, damit im Bereich „politisch
motivierte Kriminalität rechts“ genauer hingeschaut wird?
Das Problem liegt weniger in fehlenden Schulungen als in der statistischen
Erfassung der Taten. Wenn sich an den Kriterien zur Einordnung nichts
ändert, kann man den einzelnen Beamten keinen Vorwurf machen, dann stimmt
das ganze System nicht. Es gibt bei den Sicherheitsbehörden immer noch ein
großes Analysedefizit, zu erkennen, wie rechtsextremistische Netzwerke
arbeiten und funktionieren. In den letzten beiden Jahren gab es ungefähr
2.000 Anschläge auf Flüchtlinge, aber bis auf die Anschläge in Freital gibt
es kaum Informationen zu den dahinterstehenden Netzwerken. Es spricht
Bände, wenn die Bundesregierung angesichts solcher Zahlen nur 126 Gefährder
im rechtsextremistischen Bereich ausmacht.
Müsste man nicht davon ausgehen, dass jeder Anschlag auf eine Unterkunft
politisch rechts motiviert ist, einfach weil er sich gegen Geflüchtete
richtet?
Aus den Ermittlungen zum NSU wissen wir, dass es nicht immer ein
Bekennerschreiben braucht, sondern die Tat selbst das Bekenntnis ist.
Natürlich kann man von einem rechtsextremistischen Motiv ausgehen. Aber es
gibt auch Fälle, in denen Flüchtlinge in Unterkünften mit irgendwelchen
Dingen experimentieren oder irgendwo mal ein Gaskocher hochgeht. Wenn es
aber Hinweise darauf gibt, dass von außen eingewirkt wurde oder es sich um
Brandstiftung handelt, dann fällt mir kein anderes Motiv ein.
Im vergangenen Jahr wurde in Villingen-Schwenningen eine Handgranate auf
den Wachcontainer einer Unterkunft geworfen. Im Nachhinein stellte sich
heraus, dass zuvor ein Streit zwischen Sicherheitsleuten stattgefunden
hatte. Wie bewerten Sie diesen Vorfall?
Wenn das auf einen Streit unter Sicherheitsleuten zurückzuführen war und
sich damit nicht gegen die Flüchtlingsunterkunft gerichtet hat, ist kein
politisch motivierter Hintergrund erkennbar. Es gibt aber immer wieder
Fälle von offenbar vorsätzlichen Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, in
denen die Ermittlungen zwar keinen Verdächtigen ergeben, bei denen man aber
annehmen muss, dass sie politisch motiviert rechts einzuordnen sind.
Drei Viertel der Verdächtigen sind unter 30 Jahre alt. Warum sind gerade
junge Menschen für die Taten anfällig?
Neben der häufigeren Neigung zu Straftaten sind junge Menschen, die noch
nach Orientierung suchen, besonders empfänglich für die rechtsextreme
Ideologie, weil sie ihnen einfache Antworten auf gesellschaftliche Fragen
präsentiert.
Das BKA führt die hohe Anzahl an Taten auf die „herausragende
Mobilisierung“ durch Rechte zurück. Hat die Politik ein rechtzeitiges
Eingreifen verschlafen?
Spätestens seit dem NSU sollten wir alle gewarnt sein. 2012 hat die
Bundeskanzlerin bei einer Gedenkveranstaltung zum NSU die rückhaltlose
Aufklärung versprochen, doch die haben wir bis heute nicht. Wir werden in
Untersuchungsausschüssen durch den Verfassungsschutz immer wieder bei
unserer Arbeit behindert. Wenn man überlegt, wie das NSU-Trio sich Anfang
der neunziger Jahre radikalisiert hat, braucht man nicht viel Fantasie, um
Parallelen zur gegenwärtigen Situation zu erkennen. Hätte das Trio damals
schon Facebook gehabt, dann will ich nicht wissen, welche Formen das noch
angenommen hätte.
Wie ließe sich der Schutz von Unterkünften verbessern?
Wie bei jüdischen Einrichtungen auch, sollte es eine Lagebilderstellung
geben, die bestimmte Einrichtungen als weniger oder besonders gefährdet
einstuft und entsprechende Maßnahmen vor Ort erlaubt. Bei der Anzahl an
Anschlägen gegen Unterkünfte ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis es die
ersten Toten gibt, wenn es so weitergeht.
Die taz-Recherche hat ergeben, dass es besonders häufig Anschläge in
westlichen Bundesländern gibt. Warum?
So würde ich das nicht sehen. Das Problem Rechtsextremismus ist ein
gesamtdeutsches Problem. Wenn wir den Rechtsextremismus als regionales
Problem betrachten, verlieren wir die Sichtweise auf bundesweit operierende
Netzwerke aus den Augen. So verstellen wir uns den Blick auf das Phänomen
selber.
17 Jan 2017
## AUTOREN
Zoe Sona
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
Rechtsextremismus
Brandanschlag
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Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Security
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Flüchtlinge
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