| # taz.de -- Neues Haus des Europäischen Rates: Ein „dickes Ei“ für Europa | |
| > Zum neuen Jahr ist das neue Haus fertig, in dem Europas Regierungschefs | |
| > tagen werden. Es sollte wie eine Laterne aussehen, gleicht aber eher | |
| > einem Ei. | |
| Bild: Leuchtet nur, wenn es dunkel ist: Das neue Haus des Europäischen Rats | |
| Brüssel taz Ach, Europa. Du kommst nicht aus der Krise, 2017 könnte sogar | |
| zum Schicksalsjahr für die EU werden. Doch die Baumeister der europäischen | |
| Einheit scheint das nicht zu schrecken. Gleich neben dem alten Brüsseler | |
| Ratsgebäude, in dem die Staats- und Regierungschefs ihre Krisengipfel | |
| abhalten, haben sie ein neues „Europa“ gebaut. | |
| So heißt nämlich der Glaspalast, in dem die 28 EU-Chefs im März erstmals | |
| tagen. Zehn Jahre wurde an „Europa“ herumgewerkelt, 321 Millionen Euro hat | |
| der Neubau gekostet – rund ein Drittel mehr als ursprünglich geplant. Doch | |
| nun ist er fertig, mitten in der Misere sonnt sich die EU in neuem Glanz. | |
| Der Glanz kommt aus einem gigantischen Ei, in dem die Staatenlenker künftig | |
| ihre Treffen abhalten werden. Das Ei, von den Briten despektierlich „Space | |
| Egg“ genannt, soll zwar eigentlich eine Laterne symbolisieren, also eine | |
| Quelle des Lichts, wie Architekt Philippe Samyn immer wieder betont. | |
| „Wir wollten mehrere runde oder kreisförmige Säle übereinander | |
| unterbringen“, erklärt Samyn die ungewöhnliche Konstruktion. „Ich habe | |
| nächtelang darüber gebrütet, dann fiel mir die Laterne ein.“ Doch von | |
| außen, durch die halbtransparente Fassade betrachtet, sieht es wie ein Ei | |
| aus, da sind sich alle einig. | |
| ## Das leuchtende Ufo | |
| Nachts scheint es zu schweben, dann erinnert das Ei an ein Ufo. Und so | |
| wurde das neue „Europa“ schnell zum Sinnbild für das alte „Raumschiff | |
| Europa“ – also für die EU-Bürokraten, die völlig losgelöst von den Sorg… | |
| der Menschen über absurde Regeln nachdenken. Wieder so ein Missverständnis! | |
| Schließlich wollen Ratspräsident Donald Tusk und seine Mitstreiter 2017 | |
| doch beweisen, dass sie ganz nah dran sind an den Bürgern. Deshalb wurde | |
| das leuchtende Ei hinter einer Wand aus 3.750 Holzfenstern verankert, die | |
| laut Pressemappe aus „renovierten oder abgerissenen Gebäuden in den | |
| EU-Mitgliedstaaten“ stammen. | |
| Das soll nicht nur Vielfalt und Transparenz symbolisieren, sondern auch | |
| Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit. „Europa“ ist ein Haus der guten | |
| Absichten geworden, in dem jedes Bauteil darauf hinweist, wie gut die EU | |
| ist. Schaut her, Europa leuchtet, möchte uns der Unionspalast sagen. | |
| Allerdings hat auch dieses neue Europa einen Schönheitsfehler. Es wurde | |
| nämlich in den „Résidence Palace“ integriert – einen Art-Déco-Bau aus … | |
| 20er Jahren, der den deutschen Besatzern im 2. Weltkrieg als Hauptquartier | |
| diente. So ist der Neubau historisch vorbelastet, manchen ist „Europa“ | |
| schon jetzt zu deutsch. | |
| Auch mit der Transparenz ist das so eine Sache. „Europa“ leuchtet nämlich | |
| nur, wenn es dunkel wird. Tagsüber hingegen wirkt das Raumschiff fast | |
| genauso trist und abweisend wie die Betonbunker in seiner Umgebung. Die | |
| Patchwork-Fenster erlauben keine echten Einblicke, von außen betrachtet | |
| starrt man ins Leere. Tusk und Kanzlerin Merkel werden noch viele | |
| nächtliche Krisensitzungen abhalten müssen, damit „Europa“ leuchtet. | |
| 4 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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