# taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Der Staatsschutz ermittelt | |
> Erneut wird Neukölln von einer offenbar rechtsmotivierten Serie von | |
> Angriffen heimgesucht. Auch Privatadressen Linker sind Ziele. | |
Bild: Immer wieder für rechte Umtriebe bekannt: Neukölln | |
„Nazi-Graffiti und kaputte Fenster“ war im Dezember 2009 ein Artikel in der | |
taz über rechte Angriffe in Nord-Neukölln überschrieben. Mehreren linken | |
Läden wie der Galerie Olga Benario waren die Scheiben eingeworfen worden, | |
an anderen fanden sich großflächige Schmierereien. Schon mehrere Wochen | |
ging das so; und es sollte noch Monate weitergehen. Die betroffenen Läden | |
fanden sich auf einer Liste, die Neonazis zuvor im Netz veröffentlicht | |
hatten. | |
Sieben Jahre später fast das gleiche Bild. Seit Mitte Dezember reißt die | |
Serie nächtlicher Übergriffe nicht ab – und wieder verweisen Experten auf | |
eine Liste, die im Sommer von Neuköllner Nazis veröffentlicht wurde. Die | |
jüngsten Anschläge in der Nacht auf Dienstag galten allerdings nicht linken | |
Institutionen und Geschäften, sondern Privatwohnungen. An sechs Neuköllnern | |
und einem Kreuzberger Haus fanden sich rote Schriftzüge, stets nach dem | |
gleichen Muster. Nach dem Namen des Bewohners stand die Beleidigung „Rote | |
Sau“ oder „Drecksau“. | |
Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) | |
sagt: „Was die Betroffenen verbindet, ist ihre antifaschistische | |
Gesinnung.“ Viele fragen sich allerdings, warum gerade sie, gerade jetzt in | |
den Fokus rücken. Zufällig traf es sie jedenfalls nicht, davon ist Müller | |
überzeugt. „Es muss irgendeine Form von Liste geben.“ | |
Öffentlich bekannt ist nur eine aktualisierte Sammlung linker Läden, sie | |
wurde im Sommer von den „Freie Kräfte Berlin Neukölln“ auf Facebook | |
veröffentlicht und von der NPD Neukölln weiter verbreitet. Inzwischen sind | |
die Einträge gelöscht. | |
Darauf befindet sich etwa das Café K-Fetisch in der Wildenbruchstraße, auf | |
das am Morgen des 13. Dezember ein Brandanschlag verübt wurde. Die Täter | |
hatten die Jalousie aufgehebelt und einen Brandsatz auf das Fensterbrett | |
gelegt. Die Flamme erlosch, obwohl das Fenster bereits gesprungen war – | |
viel Glück für die Bewohner in den Wohnungen darüber. | |
In derselben Nacht wurden die Scheiben eines Buchladens zerstört, in dem | |
zuvor eine Veranstaltung gegen die AfD stattgefunden hatte, ein Plakat auf | |
dem Gelände der Evangelischen Kirchengemeinde in Rudow, das sich gegen | |
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aussprach, zerstört sowie Steine | |
und mit Farbe gefüllte Gläser in zwei Privatwohnungen geworfen. | |
In der Nacht zum Heiligabend traf es dann den bekannten Antifaschisten Tim | |
H., der zurzeit mal wieder vor einem Dresdner Gericht steht, weil er 2011 | |
bei der Blockade eines Nazi-Aufmarsches andere Gegendemonstranten zu einem | |
Durchbruch einer Polizeikette animiert haben soll. H. brachte gerade mit | |
seiner Frau seine beiden kleinen Kinder ins Bett, als die Scheiben | |
splitterten. | |
13 Attacken innerhalb von zwei Wochen zeugen von einer massiven | |
Angriffswelle, die es so seit den Jahren 2009 bis 2011 nicht mehr gegeben | |
hat. Die Täter treiben ihr Unwesen in einem Viertel, das nicht eben als | |
Homezone für Neonazis bekannt ist. Die MBR vermutet dahinter dasselbe | |
Netzwerk, das schon vor Jahren die Gegnerlisten erstellt hatte, damals noch | |
unter dem Label „Nationaler Widerstand Berlin“. | |
## Kein Fahndungserfolg | |
Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen, teilte die | |
Pressestelle der Polizei auf taz-Anfrage mit. Es werde von einer politisch | |
rechten Motivation hinter den Anschlägen ausgegangen, auch entsprechende | |
„Antifa-Listen“ aus dem Internet untersucht. Ein Fahndungserfolg gelang der | |
Polizei aber weder damals noch bisher. | |
29 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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