# taz.de -- Neues von A Tribe Called Quest: Jazz, Soul und ein Monster | |
> HipHop ist eine bedeutende Kunstform. Das stellen die Alben von A Tribe | |
> Called Quest und NxWorries mal wieder eindrucksvoll unter Beweis. | |
Bild: A Tribe Called Quest (ca. 1992): Zu Ehren von Phife Dawg (ganz rechts) so… | |
„Niggas in the hood living in a fishbowl / Gentrify here, now it’s not a | |
shit hole“: A Tribe Called Quest sind wütend. Seit dem letzten | |
Lebenszeichen der New Yorker Rap-Pioniere (1998) mag HipHop vollends | |
mainstreamtauglich geworden sein, doch ATCQ interessiert das wenig: Auf | |
ihrem neuen Werk „Thank you for your Service … We got it from here“ rappen | |
sie virtuos über Gentrifizierung als Folge von schlechter | |
Wohnungsbaupolitik und thematisieren die Marginalisierung von | |
AfroamerikanerInnen – so kurz nach der Wahl Donald Trumps ist das ein | |
klares Statement. | |
Hell war die Aufregung im HipHop-Universum, als die Crew aus dem New Yorker | |
Bezirk Queens im Oktober ihr Comeback verkündete. Auch, weil einige Monate | |
zuvor Gründungsmitglied Phife Dawg an Diabetes verstorben war – mitten in | |
der Produktion des Albums. In den Neunzigern veröffentlichte die Crew fünf | |
Alben, seither trat sie eher sporadisch in Erscheinung. | |
Aber ihre street credibility, hervorgerufen durch die heisere | |
Kodderschnauze von Rapper Phife Dawg und seinem wohlüberlegt sonoren | |
Widerpart Q-Tip, ist und bleibt unnachahmlich: Afrozentrismus, schmutzige | |
Witze, Konkurrenten anpflaumen – all das entstand stets im Kollektiv. | |
Für das neue Werk kehrten neben den beiden Rappern auch Urmitglied Jarobi | |
White und Produzent Ali Shaheed Muhammad zurück. Mit dem fulminanten Track | |
„We the People …“, dessen Titel den Appell der US-Verfassung übernimmt, | |
zeigt sich das Quartett in fantastischer Form. Auf einer peitschenden | |
Kickdrum und einem rollenden Bass fordern Phife und Q-Tip auf, die Augen | |
aufzumachen: „All you mexicans, you must go […] Muslims and gays / Boy we | |
hate your ways“. Gereimt wurden diese Zeilen während des Wahlkampfs. | |
Auf musikalischer Ebene bildet Jazz in Form von Samples den Sound von ATCQ. | |
Vom Jazz übernimmt die Crew auch die Freiheit, keinen ihrer neuen Tracks | |
ins klassische Muster – jeweils in 16 Stanzen getaktete Reime – zu zwängen. | |
Und die Gäste strengen sich an: Busta Rhymes spuckt Boshaftes („Mobius“), | |
Schnulzenkönig Elton John (!) liefert die Coda („Solid Wall of Sound“). | |
Auch das Talent Anderson.Paak. überzeugt. Auf Facebook schrieb der | |
Kalifornier euphorisch, er fühle sich „geehrt, dabei zu sein!“. | |
## Hot Topic der Westküste | |
Anderson.Paak surft ohnehin auf einer Erfolgswelle, seit seinem Auftritt | |
auf Dr. Dres Album „Compton“ gilt er als hot topic der Westküste. Sein | |
neuestes Projekt ist zusammen mit dem Produzenten Knxwledge unter dem | |
Künstlernamen NxWorries entstanden. Es heißt „Yes Lawd“ und ist völlig | |
unpolitisch. Vielmehr lebt die Musik von ihrem Vibe. Man hat sofort Asphalt | |
vor Augen, durch Autolichter eingefärbten Rauch, der aus Gullideckeln | |
emporsteigt, und halbseidene Figuren in lila Pelzmänteln. | |
Paaks Stimme zieht HörerInnen sofort in seine Sexfantasien. Er imaginiert | |
sich in die Rolle des supersexistischen Pimps, was auch Aufarbeitung seiner | |
Vergangenheit ist: Als Kind wurde Anderson.Paak Zeuge, wie sein eigener | |
Vater die Mutter misshandelte. Erste Gehversuche als Musiker scheiterten, | |
zwischendurch lebte Paak mit Familie obdachlos in einem Auto. | |
Im direkten Vergleich mit A Tribe Called Quest hört man deutlich, dass | |
Paaks Reimtechnik noch nicht ausgereift ist, „Yes, Lawd!“ lebt eher durch | |
die Musik, die von Knwledge stammt. Der Mann aus Philadelphia schneidert | |
dem Kalifornier aus unzähligen Soul-Samples bestehende Hooklines. Das | |
Ergebnis klingt angenehm nach Rumpelkammer, in der sich ein Besenstiel über | |
den kaputten Staubsauger an die zusammengeknüllte Matratzenfolie drückt – | |
es raschelt und knistert an allen Ecken. | |
Festzuhalten bleibt: Auch US-HipHop-Künstler dürfen nach Trumps Wahlsieg | |
unpolitisch sein. Sogar A Tribe Called Quest, die haben ihr Albumfinale | |
zwar „The Donald“ getauft, damit verneigen sie sich aber vor ihrem | |
verstorbenen Rapper Phife Dawg. Noch einmal feiert er in „The Donald“ | |
Auferstehung, und seine Kollegen nennen seinen Namen 34 Mal. Keine Sekunde | |
geht es dagegen um das gelbhaarige Monster, das bald ins Weiße Haus | |
einziehen wird. Trotzdem, Erinnerung ist die beste Medizin, besonders in | |
schwierigen Zeiten. | |
27 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Yannick Ramsel | |
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