| # taz.de -- Synthie-Pop-Duo Virginia Wing: Kühle Beats und sphärischer Gesang | |
| > Das englische Duo Virginia Wing überzeugt im Acud mit Songs seines neuen | |
| > Albums „Forward Constant Motion“ – elektronisch, vibrierend, poppig. | |
| Bild: Sam Pillay und Alice Richards sind das englische Synthie-Pop-Duo Virgina … | |
| Ein tiefer Bass dröhnt am Dienstagabend durch die Boxen im Acud Macht Neu. | |
| David Whiting lässt ihn ein, zwei Takte klingen und jagt ihn dann erneut | |
| von der Bühne. Es ist wie ein Signal, ein Kirchengeläut, zu dem das | |
| Publikum in den Club kommt. Vielleicht hat Whiting sich wegen dieses | |
| Effekts den Namen Bow Church gegeben, nach einer Kirche der Londoner | |
| Diözese. | |
| Der in Berlin lebende Produzent lässt hinter sich Filme an die Wand werfen, | |
| was die bisweilen unheimliche Note von Songs wie „The Flesh is Weak“ oder | |
| „Delirium“ noch unterstreicht. Hinter Whiting flimmern alte Bilder aus | |
| einem Sepia-Familienurlaub. Scheinbar reglos steht er da, hochgewachsen, | |
| blass und kahl. | |
| Er blickt kaum nach vorne; erst nach vier Songs, als er auf seiner | |
| Drum-Maschine aus dem Rhythmus kommt, zeigt er ein Lächeln – und sichert | |
| sich so die Sympathien des Publikums. Fortan wippt er sogar mit seinem | |
| Oberkörper zu einem Sound, der auf einmal nicht nur düster klingt, sondern | |
| auch ein wenig hoffnungsvoll. | |
| ## Kein Frohsinn | |
| Das ist die Überleitung zu Virginia Wing, dem englischen Synthie-Pop-Duo, | |
| das nicht gerade bekannt für Frohsinn ist. Im Vergleich zu Bow Church kommt | |
| es aber rüber wie ein Karnevalsverein am Rosenmontag. Virginia Wing sind | |
| gerade mit Stücken ihres zweiten Albums „Forward Constant Motion“, das im | |
| November erschienen ist, in Deutschland auf Tour. Während ihr Debütalbum | |
| „Measures of Joy“ noch roh und shoegazy daherkam, ist das neue Album | |
| elektronischer, die Beats wirken kühler, nackter. Sphärische Intros und ein | |
| vibrierender Gesang: All das zeichnet aber auch „Forward Constant Motion“ | |
| aus. | |
| „Mit Shoegaze konnte ich nie viel anfangen“, behauptet Sam Pillay. Der | |
| Keyboarder sitzt zusammen mit Sängerin Alice Richards vor der Show im Acud | |
| im Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz, vor den beiden stehen zwei | |
| Tassen schwarzer Kaffee. Es war eine lange Autofahrt. „Ich weiß, dass wir | |
| oft dem Shoegaze zugeordnet wurden, aber ich mag eigentlich bloß My Bloody | |
| Valentine“, schiebt Pillay nach. Virginia Wing habe sich weiterentwickelt, | |
| erklärt Richards. „Unser Stil ist anders, und das liegt vor allem daran, | |
| dass wir nun zu zweit sind.“ Drummer Sebastian Truskolaski verließ die | |
| Band, um sich vollends auf seine Doktorarbeit zu konzentrieren. „Wir | |
| vermissen Sebastian“, sagt Richards. „Unverhofft hat uns sein Ausstieg aber | |
| neue Möglichkeiten eröffnet“, erklärt Pillay. | |
| ## Besser vier Flaschen | |
| Im Acud installieren Pillay und Richards eine Leuchte auf der Bühne, sie | |
| taucht den gesamten Raum in ein rotes Licht. Weitere visuelle Effekte gibt | |
| es nicht. „Wir möchten unser Publikum nicht von unserer Musik ablenken“, | |
| erklärt Pillay. Neben ihm stehen vier offene Flaschen Bier, er hat alle | |
| seine Getränkemarken eingelöst. Besser ist das, wer weiß schon genau, wie | |
| lange so ein Konzert dauert? | |
| Virginia Wing spielen fast nur Songs vom Album „Forward Constant Motion“. | |
| So schwer zugänglich sie auch sein mögen – Richards und Pillay | |
| verabschieden sich gerne von bekannten Songstrukturen –, scheint regelmäßig | |
| Pop durch, wie etwa bei „Lily of Youth“, wenn nicht zuletzt Richards Gesang | |
| das Publikum zurück ins Diesseits holt. Ein scheinbarer Widerspruch, ein | |
| Kunststück, das nur wenige bewältigen: Popmusik zu kreieren, die schwer | |
| zugänglich, aber gerade deswegen bezaubernd ist. | |
| 22 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Philipp Fritz | |
| ## TAGS | |
| Konzert | |
| Synthiepop | |
| Popkultur | |
| Dub | |
| Krautrock | |
| HipHop | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neues Album von Depeche Mode: Texte voller Phrasen | |
| Die Synthiepop-Band stellte in Berlin ihr neues Album „Spirit“ vor. Zu | |
| hören sind darauf Worthülsen im Predigerduktus. | |
| Neues Album von Balbina: Solitärin mit Soul | |
| Die Berliner Musikerin Balbina überzeugt auf dem neuen Album „Fragen über | |
| Fragen“ mit Pompös-Pop. Ihre Skills hat sie im HipHop gelernt. | |
| Neue Musik von SKRSINTL und Tapes: Im Paralleluniversum des Dub | |
| Dub erfährt in den Neu-Interpretationen durch das Kollektiv SKRSINTL und | |
| den Produzenten Tapes eine zeitgemäße Modernisierung. | |
| Gruselkrautmusik von Datashock: Verdammt gutes Lauschgift | |
| Das saarländische Experimentalkollektiv Datashock komponiert akustische | |
| Gespenstergeschichten. Es ist ein psychedelisches Labyrinth. | |
| Neues von A Tribe Called Quest: Jazz, Soul und ein Monster | |
| HipHop ist eine bedeutende Kunstform. Das stellen die Alben von A Tribe | |
| Called Quest und NxWorries mal wieder eindrucksvoll unter Beweis. |