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# taz.de -- Hergé und Magritte in Paris: Das ist keine Pfeife, das ist Ligne C…
> Ein schnörkelloser Stil, ihre belgische Herkunft, die Melone: Hergé und
> René Magritte verbindet vieles. Aktuell sind beide in Paris zu sehen.
Bild: Tim und Struppi – einfach nicht aufzuhalten
Für die Würdigung eines Comiczeichners mögen die ersten Bilder der
Ausstellung „Hergé“ im Grand Palais in Paris überraschen. Es sind keine
Comicpanels, sondern großformatige, abstrakte Ölgemälde, die die Besucher
empfangen. Sie erinnern an Miró oder auch Paul Klee. Gemalt wurden sie
jedoch von Hergé, alias Georges Remi (1907-1983), Schöpfer von „Tim und
Struppi“ („Tintin“ im französischen Original).
Hergé wuchs in Brüssel auf und gründete, nachdem Tim ab 1929 ein stetig
größeres Lesepublikum erreichte, 1946 die Comiczeitschrift „Tintin“ und
1950 die Studios Hergé. Sein Interesse an moderner und abstrakter Kunst
führte dazu, dass er selbst Kunst sammelte und malte. Er nahm in den
Sechzigern beim belgischen Künstler Louis van Lint Unterricht. Durch
Warhols Hergé-Porträt ging er zudem als Motiv in die Kunstgeschichte ein.
Dabei wird anhand der Comicseiten, die im Grand Palais nahe den
Champs-Elysées in Paris ausgestellt sind, klar, dass Hergé es zu wahrer
Größe nur in seiner angestammten Kunstform brachte. Wie kaum ein anderer
europäischer Künstler prägte Hergé den Comic. Nun werden in Paris erste
Zeichenversuche präsentiert und dabei Einflüsse sichtbar, wie die zu den
frühen Comicautoren George MacManus oder Alain Saint-Ogan.
Hergés Entwicklung hin zu einem großen Bild-Erzähler wird anhand des Albums
„Der blaue Lotus“ besonders deutlich. Sein Streben nach höchster
zeichnerischer Perfektion führte ihn zur „Ligne Claire“, einem
richtungsweisenden, klaren Zeichenstil, der zahlreiche Vorstudien
erforderte, um die wesentlichen Konturen und Gesten der Figuren in den
einzelnen Szenen zu finden. Weniger bekannt ist, dass Hergé bis Mitte der
dreißer Jahre auch als Werbegrafiker arbeitete. Neben originell gestalteten
Logos sind es vor allem seine Plakate, die Grafik und Kalligraphie perfekt
verbinden.
Anspruchsvolle Werbegrafik verbindet man ebenso wenig mit Hergés
Zeitgenossen René Magritte (1898-1967), der für seine surrealen Gemälde
berühmt ist, von denen nun rund 100 im Pariser Centre Pompidou präsentiert
werden. In den zwanziger Jahren gestaltete Magritte auch Reklameplakate,
die den Blick der Betrachter zu bannen verstehen und stilistisch dem Art
Déco verhaftet sind. Die Schau „La Trahison des Images“ im Centre Pompidou
versucht vor allem, zentralen Themen in den Gemälden auf die Spur zu
kommen. Ein Bereich widmet sich etwa dem Illusionismus und Magrittes
Vorliebe für Vorhänge.
Grundsätzlich bereitete es Magritte ein Vergnügen, Betrachter mit scheinbar
absurden Bildeinfällen vor den Kopf zu stoßen. So wurden sie dazu
gezwungen, sich über den Sinn des Bildes Gedanken zu machen. Dazu trug die
Klarheit seines Malstils bei, die – nicht unähnlich Hergés Ligne Claire –
durch Verzicht auf ablenkende Details zum zentralen Gegenstand führte und
diesen meist mit einem anderen Objekt konfrontierte: wie der aufgespannte
Regenschirm, auf dessen Spitze ein dreiviertelvolles Glas Wasser steht
(„Les vacances de Hegel“, 1958). Und das vor monochromem Hintergrund, der
die Objekte aus jedem realistischen Kontext reißt.
Originell verknüpft er Wort und Bild, indem er, anstatt einfach ein Motiv
vor einem Hintergrund zu malen, einen leeren Spiegelrahmen mit der
Aufschrift „femme triste“ („traurige Frau“) vor einem Mauerwerk mit
Holzbalken zeigt. Berühmtestes Beispiel: unter einer bildfüllenden Pfeife
steht „Ceci n’est pas une pipe“ – „dies ist keine Pfeife“. Folgeric…
nennt sich das Gemälde „Der Verrat der Bilder“, was der Ausstellung ihren
Namen gibt. Entmystifikation der Kunst: es ist alles bloß gemalt.
## Nur bedingt surrealistisch
Darin offenbart sich der Philosoph im Maler Magritte, der mittels zahlloser
Variationen weniger Motive eine eigene Gedanken-Kunst entwickelt hat, die
nur bedingt den Surrealisten zuzuordnen ist. Magritte maß dem Traum keine
besondere Bedeutung im Gegensatz zu anderen Surrealisten. Er wirkt eher wie
ein früher Konzeptkünstler mit Hang zur Philosophie, wie sich auch im
Briefwechsel mit dem Philosophen Michel Foucault dokumentiert und in dessen
Essay „Dies ist keine Pfeife“ von 1973 mündete.
Eine Frage bleibt offen: Warum tauchen so viele Anzugsträger mit
Melonenhüten in Magrittes Gemälden auf, die oft gesichtslos bleiben und auf
einen leeren, vielleicht für Gedanken freien blauen Himmel hinter ihnen
verweisen? Nun, Magrittes früh verstorbene Mutter war Hutmacherin.
Hergés stets kopflos agierendes Detektive Schulze und Schultze wiederum
sind ohne Melonen nicht denkbar. Inspiration für diese beiden waren Hergés
Vater und Onkel, eineiige Zwillinge, die Schnurrbärte trugen und oft
gemeinsam spazieren gingen. Im Februar wandert die Magritte-Ausstellung
dann in die Frankfurter Schirn.
23 Nov 2016
## AUTOREN
Ralph Trommer
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