# taz.de -- Spielberg verfilmt "Tim und Struppi": Nicht Mann, nicht Kind | |
> Der Comic-Klassiker des Belgiers Hergé, "Tim & Struppi", kommt auf die | |
> Kinoleinwand. Steven Spielberg macht mit seinem Film eine liebevolle | |
> Reise in die Vergangenheit. | |
Bild: Tim (gespielt von Jamie Bell) und sein treuer Gefährte Struppi. | |
Steven Spielberg ist ein traditionalistischer Filmemacher. So | |
unterschiedlich die Arbeiten des erfolgreichsten amerikanischen Regisseurs | |
auch sein mögen, bilden sie dennoch eine Welt, in der es zwar nicht | |
friedlich und selten friedfertig zugeht, mit der man sich am Ende aber | |
stets versöhnen kann. | |
Unter einer Bedingung: Man muss auf seine Fragen eine Antwort gefunden | |
haben. Und dafür bedarf es wiederum einer langen Suche - nach weißen Haien, | |
vermissten Soldaten oder einer Blauen Fee, die artifizielle Intelligenz in | |
menschliche Liebe verwandelt. | |
Hält man sich dieses Motiv der Suche vor Augen, schließt "Die Abenteuer von | |
Tim & Struppi" an die bisherigen als Rätselrallye angelegten Abenteuerfilme | |
Spielbergs nahtlos an. Basierend auf dem Comic-Klassiker des Belgiers | |
Hergé, der den neugierigen Reporter und dessen treuen Foxterrier über 40 | |
Jahre lang zu Kultfiguren entwickelte, wird bei Spielberg der naseweise | |
Held zum Jäger eines verlorenen Schatzes. | |
Denn Spielberg komprimiert gleich drei Hergé-Bände zu einem Abenteuer rund | |
um ein mysteriöses Segelschiff, das mitsamt seiner wertvollen Fracht in den | |
Tiefen des Meeres versank. | |
Eine Geschichte, beinahe so alt wie das Geschichtenerzählen selbst, und wie | |
altmodisch auch dieser Film hätte sein können, sieht man im durchaus | |
einnehmend gestalteten Vorspann. Da huschen die schwarze und die kleinere | |
weiße Silhouette der beiden Helden über die Leinwand, wird die Flächigkeit | |
des Comics zunehmend in eine Raumtiefe überführt und jene zeitlose | |
Nostalgie spürbar, die auch die Zeichnungen Hergés bestimmte. | |
## Referenzen an das Hergé-Universum | |
So sind die ersten Minuten des Films eine liebevolle Reise in die | |
Vergangenheit eines kleinstädtischen Flohmarkts, auf dem Tim nicht nur ein | |
Modell des sagenumwobenen Dreimasters kauft, das alsbald zum Objekt | |
diebischer Begierde wird, sondern auf dem sich auch zahlreiche Referenzen | |
an das Hergé-Universum finden. | |
Auch am Schauwert der digitalen Animation mittels | |
Performance-Capture-Technik mangelt es nicht: Zwar ist Jamie Bell als Tim | |
genauso wenig wieder zu erkennen wie Andy Serkis als Kapitän Haddock und | |
Daniel Craig als durchtriebener Schurke Sakharin, doch gerade die aufs | |
Äußerste reduzierte Mimik der Figuren (die höchstens noch Schnurrbärte oder | |
Knollennasen ins Gesicht bekommen) funktioniert als Übertragung von Hergés | |
sogenannter Ligne-claire-Technik ausgezeichnet. | |
Gegen das ebenmäßig ausdruckslose Gesicht Tims wirkt dessen Wohnung wie ein | |
realistisch-dreidimensionales Suchbild mit unzähligen Details der | |
Zwischenkriegsjahre. | |
Dass Spielberg die Bekanntheit seiner Figuren auch innerhalb ihrer eigenen | |
Welt voraussetzt, ist jedoch der erste Warnschuss vor dem folgenden | |
dramaturgischen Kanonendonner: Verfolgungsjagden auf Ozeandampfer, durch | |
Gewitterstürme jagende Flugzeuge, in Trümmer gelegte afrikanische | |
Hafenstädte und nicht zuletzt eine als "Urszene" dienende Seeschlacht gegen | |
böse Piraten, die unangenehme Erinnerungen an "Hook" hochsteigen lässt. | |
Spielberg, der sich in all seinen Filmen nie besonders für Räume | |
interessiert hat, ist auch diesmal überall nur auf der Durchreise. | |
Das liegt aber auch an seiner Hauptfigur: Nicht Mann und nicht Kind, aber | |
jedenfalls ohne Familie und somit mustergültiger Spielberg-Held, | |
durchhastet Tim einen Abenteuerspielplatz der Populärkultur, in der auch | |
Spielberg selbst aufgewachsen und erfolgreich geworden ist. | |
Dass die nächste Hergé-Verfilmung Peter Jackson inszenieren soll, wenn | |
dieser mit "The Hobbit" seine eigene Schatzsuche zu Ende gebracht haben | |
wird, ist nur konsequent. Spielbergs nächstes Projekt heißt übrigens "War | |
Horse" und handelt von einem Soldaten, der sich im Ersten Weltkrieg auf die | |
Suche macht - nach seinem Pferd. | |
"Die Abenteuer von Tim & Struppi". Regie: Steven Spielberg. Animationsfilm, | |
USA 2010, 107 Min. | |
26 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Pekler | |
## TAGS | |
Paris | |
Comic | |
Steven Spielberg | |
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