# taz.de -- Erfahrungen als Frau: Geschlechtslos und asexuell | |
> Behinderte Frauen werden in erster Linie als behindert wahrgenommen, | |
> nicht als weiblich. Deshalb finden sie auch im Feminismus kaum statt. | |
Bild: Lisa Schmidt ist Wheelchairskaterin. Auch behinderte Frauen brauchen Femi… | |
Behinderte Menschen sind geschlechtslose Wesen. Man sieht es an Toiletten | |
in Restaurants, Ämtern und Kaufhäusern. Männer – Frauen – Behinderte. Und | |
weil sie so schön geräumig sind, werden die Behindertentoiletten häufig | |
nebenbei als Abstellkammer verwendet. | |
Behinderte sind auch asexuelle Wesen – zumindestens in der Vorstellung der | |
meisten Nichtbehinderten. Die gefühlt am häufigsten gestellte Fragen sind: | |
„Hast du Sex?“ und – noch offensiver – „Wie hast du denn Sex?“ | |
Selbst Fremde schrecken vor solch intimen Fragen nicht zurück. Gerne im | |
Flüsterton, mit aufgerissenen Augen und gerunzelte Stirn, als sei ihnen die | |
Vorstellung zuwider. So ganz genau will man es nicht wissen, interessiert | |
ist man trotzdem. | |
Und da vor allem behinderte Frauen in erster Linie als behindert | |
wahrgenommen werden und nicht als weiblich, finden sie im Feminismus selten | |
bis gar nicht statt. Im Juni nominierte des Online-Frauenmagazin Edition F | |
50 Frauen, von denen 25 als „Frauen, die unsere Welt besser machen“ | |
ausgezeichnet werden sollten. Die Frauen waren aus über 750 Einsendungen | |
ausgewählt worden. | |
## Nicht beeindruckend genug? | |
Keine Frau mit Behinderung stand auf der Liste. Die Redaktion von Edition F | |
teilt mit, dass es keine Nominierte mit Behinderung gegeben hätte, später | |
stellt man klar, dass es vielleicht doch welche gab, diese aber schlicht | |
nicht beeindruckend genug waren. Stolz verweisen sie darauf, dass immerhin | |
in der Jury eine Frau mit Behinderung sitze. | |
Ständig werden Frauen mit Behinderung übersehen. Im Feminismus werden Women | |
of Color, LGBT-Frauen und Migrantinnen eingebunden, selten jedoch Frauen | |
mit Behinderung, obwohl 8 bis 10 Prozent aller Frauen in Deutschland | |
schwerbehindert sind. | |
2014 sorgte der Hashtag #YesAllWomen für Aufsehen. Frauen teilten darunter | |
ihre Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Als sich | |
Frauen mit Behinderung an der Aktion beteiligten, erfuhren sie teils | |
Zurückweisung. Es sei ein Unding, dass behinderte Frauen die Bewegung | |
nutzten, um vom eigentlichen Problem abzulenken und auf die Probleme | |
behinderter Frauen aufmerksam zu machen. Diese Anschuldigungen kamen von | |
Frauen. Von Frauen ohne Behinderung. | |
## Kaum Anlaufstellen für behinderte Frauen | |
Es ist unsinnig, verschiedene Randgruppen innerhalb der sowieso schon | |
marginalisierten Gruppe der Frauen gegeneinander auszuspielen. Aber es ist | |
ebenso unsinnig, Frauen mit Behinderung zu ignorieren. Denn häufig werden | |
sie der Behindertenbewegung zugeschrieben, unabhängig davon, welche Themen | |
sie interessiert oder welche Probleme sie haben. | |
Wird eine behinderte Frau etwa Opfer von physischer oder psychischer | |
Gewalt, hat sie kaum Anlaufstellen. Denn nur 10 Prozent der | |
Beratungsstellen und Frauenhäuser sind deutschlandweit barrierefrei. Eine | |
traurige Bilanz. Und sie zeigt deutlich, dass behinderte Frauen in den | |
Köpfen vieler einfach nicht stattfinden. Selbst in den Köpfen derer, die | |
sich mit den Problemen von Frauen auseinandersetzen müssen. | |
60 bis 70 Prozent der behinderten Frauen weltweit haben physische, 90 | |
Prozent psychische und die Hälfte sexualisierte Gewalt erfahren. Wenn | |
Frauen mit Behinderung Opfer von Gewalt werden, dann ist die Behinderung | |
zwar meist auch Teil des Problems, aber das Frausein eben auch. | |
Die Betroffenen brauchen Frauenhäuser, sie brauchen Rückhalt und ärztliche | |
Hilfe. Und sie brauchen Feminismus. Nur den Feminismus der weißen, | |
nichtbehinderten Frauen: Den brauchen sie nicht. | |
2 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Denise Linke | |
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