# taz.de -- Kommentar Kürzel für Minderheiten: LGBTI*QA ist breitgetretener Q… | |
> Beim Kürzel LGBTI*QA geht es nicht nur um Identitätssuche. Sondern es | |
> geht auch darum, sich als Opfer fühlen zu dürfen. | |
Bild: Wie sich dieser Hund wohl definiert? | |
Auf einer der ersten deutschen Demonstrationen, die sich ausdrücklich in | |
die Tradition der New Yorker Aufstände von Homosexuellen und Trans*menschen | |
des Jahres 1969 gegen polizeiliche Willkür und Korruption stellte, machten | |
etwa 300 Menschen mit – die meisten schwul, lesbisch, zwei Trans*personen | |
waren auch zugegen. | |
Das war in Bremen und nannte sich „Karneval“. Das Kürzel LGBTI* gab es | |
damals noch nicht, es hat sich erst in den vergangenen zwanzig Jahren zu | |
popularisieren begonnen, vor allem in Behörden, die Förderanträge für | |
schwule oder lesbische oder trans*-Projekte zu betreuen haben: Wer | |
staatliche Zuschüsse will, muss mehr als sich selbst meinen. | |
In dieser Chiffre steckt der gewiss auch gutgemeinte Wille, anzunehmen, | |
dass die aktivistischen Kerne der politischen Bewegung gegen den | |
sogenannten Heterosexismus (die Vokabel für die Kritik an der Annahme, die | |
Welt sei in der Geschlechterordnung nur nach dem Frau-Mann(-Kind)-Schema | |
denkbar) nicht nur schwule Männer und lesbische Frauen kennen, sondern eben | |
auch Menschen, die sich als trans* verstehen oder als intersexuell – also | |
geschlechtswechselnd beziehungsweise gar das Geschlecht zu benennen | |
verweigernd, oder einem Geschlecht schwer zuzuordnen. | |
Der legendäre Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld nannte das alles | |
„Zwischenstufen“, es gab also schon in der Weimarer Republik ein starkes | |
Wissen, dass es unter dem Himmel mehr als lediglich Männer und Frauen | |
naturhaft gegengeschlechtlichen Begehrens gibt. | |
## Homophober Beigeschmack | |
LGBTI* hat, wie angezeigt, noch ein Sternchen angehängt bekommen, und das | |
meint, von diesem Kürzel mögen sich auch alle angesprochen fühlen, die | |
irgendetwas dazwischen sind. Das alles, richtig, ist sehr kompliziert – und | |
außerdem heißt es im Deutschen LSBTI*, weil das G für gay steht, und gay, | |
englisch: fröhlich, steht in den USA für schwul, im Deutschen jedoch | |
wollten es nur jene nutzen, die vom schroffen, schmähenden Klang des Wortes | |
„schwul“ abgestoßen waren oder von diesem homophoben Beigeschmack nicht | |
infiziert werden wollten. | |
Die Sache ist jedenfalls sehr kompliziert: Zumal die Urfassung der Chiffre | |
LSBTI vor allem darauf berechtigterweise Rücksicht nahm, dass inzwischen | |
auch Trans*- und Inter-Personen öffentlich repräsentiert sein wollten. In | |
auch einst üblichen Sprachformen wie „schwulesbisch“ oder „lesbischwul�… | |
das ja nicht der Fall. Was all diese Formeln aber eint, ist, dass sie | |
bürgerrechtlich, nicht ideologisch oder identitär gemeint waren. | |
Schwule und Lesben wollten keine Gesetze mehr gegen sich dulden (bei | |
männlichen Homosexuellen der erst 1994 vollständig abgeschaffte § 175), | |
Trans* und Inter beanspruchten, nicht mehr Objekte von Medizin und | |
Psychiatrie zu sein – sie wollten selbst mehr als nur ein Wort mitreden bei | |
dem, was für sie wichtig ist. | |
Und dennoch ist die Chiffre selbst ein Horror – denn, so darf, ja so muss | |
man fragen: Ist es nicht begreiflich, dass Heteros (männlich, weiblich oder | |
in welchen Mixturen auch immer) das alles nicht verstehen? Es gibt Schwule | |
und Lesben, und dass es Trans* gibt, hat sich auch schon herumgesprochen, | |
ebenso, dass das eigene Kind, wenn es einem Geschlecht nicht zuzuordnen | |
ist, nicht Gegenstand von zwangsoperativen Eingriffen wird. Heteros | |
verstehen, so ist zu hören, dass die Güte von Lebensweisen sich an Rechten | |
bemisst, vor allem an jedwedem Fehlen diskriminierender Rechtsprechung. | |
Problematisch wird nur, wenn an diese LGBTI*-Chiffre nun irgendwie auch | |
noch Buchstaben wie Q und A angehängt werden. | |
## Lustlosigkeit als Haltung | |
Okay, Q heißt queer – und bedeutet für manchen, dass es ein Sammelbegriff | |
ist für alle, die nicht der heterosexuellen Ordnung sich zurechnen (können | |
oder wollen). Als ein politisches Programm nach Gusto Judith Butlers möge | |
das nicht ausgelegt werden: Queer ist wirklich nur – wenn auch nicht | |
queertheoretisch astrein – ein Begriff für das Sammelsurische. | |
Q steht freilich auch für den Umstand des „Questioning“, für Menschen, die | |
an ihre Art des sexuellen Begehrens noch viele Fragen haben. Klar, dass sie | |
in das Kürzel der Erwähltheit LGBTI*Q – so wird es in den entsprechenden | |
queeren Szenen gern empfunden – aufgenommen sein möchten: Es signalisiert | |
nun nicht mehr nur die Forderung nach rechtlichen Gleichstellungen, sondern | |
die Möglichkeit, sich auch als Opfer (gern: des „Heterosexismus“) zu | |
fühlen. | |
A hingegen will das auch: Es steht für Asexualität, Lustlosigkeit, und weil | |
von der behauptet wird, dass sie auch eine Haltung gegen den | |
heterosexuellen Traditionskomplex sei, möge sie ebenso in die opferistische | |
Kürzelwendung mit integriert (sorry: inkludiert) werden. | |
Fragen, dass Lustarmut am Sexuellen eventuell einfach nichts bedeutet, | |
außer dass jemand keine Lust hat, jemand anderem an die Wäsche zu gehen | |
oder sich von ihr/ihm an die Wäsche gehen zu lassen, verbieten sich. Die | |
heterosexuelle Struktur, wie sie fantasiert wird, ist eine dauergeile und | |
erregungsfordernde – was zwar Unfug ist, aber als Stereotyp blendend jeden | |
Smalltalk trägt. | |
## Kein körperlicher Klang | |
Denn darum geht es stets: Benachteiligt, übersehen, übergangen oder | |
exkludiert zu sein und dies in eine Formel („Große Erzählung“) bringen zu | |
können, ist von schwerer Münze (auch in Anträgen an staatliche Stellen, die | |
um Förderung buhlen). | |
Insofern: Die zu LSBTI*QA mutierte – ja entgrenzte – Formel markiert nicht | |
mehr ein politisches, sondern ein identitäres Programm, das nicht mehr nach | |
Politiken, nach Rechten und Rechtslagen fragt, sondern nach Einverständnis | |
mit einer Welt, in der die Geschlechter sich auflösen, nur noch als | |
konstruierte scheinen – und alles abgelehnt wird, was irgendwie schlicht | |
und ergreifend heterosexuell sich äußert. Etwa eine Frau, die einen Mann | |
will und mit diesem zusammen ein Kind oder gar mehrere. Ein | |
Verblendungszusammenhang – schwer der Heteronormativität, ließe sich | |
spötteln, auf den Leim gegangen! | |
Was an dieser beinah grenzenlosen Formel LGBTI*QA am heftigsten stört, ist | |
freilich, dass sie in Wahrheit niemanden aufregt. „Ich bin schwul“ oder | |
„Ich bin lesbisch“ oder „Ich bin trans*“ – das hatte noch körperlich… | |
Klang, der zu provozieren wusste, der auf Resonanz setzte – da steckte noch | |
alle Ängstlichkeit vor „sexual otherness“ drin, das mutete den Adressaten | |
zu, sich den eigenen Fantasien von Furcht und Nichtidentifikation zu | |
stellen. | |
Aber LGBTI*QA? Das ist breitgetretener Quark, der das Flüchtigste | |
artikuliert, das es gibt: Identitäres. Dabei geht es vor allem um Rechte | |
und das Politische zu ihrer Erlangung. Der Rest ist Privatsache. | |
12 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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