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# taz.de -- Sportliche Fusion: Ohne Pause
> Die Olympischen und Paralympischen Spiele sollten zusammengelegt werden.
> Alle AthletInnen haben ein Recht auf ihren großen Auftritt.
Bild: Der brasilianische paralympische Schwimmer Silva Clodoaldo entzündet das…
Oscar Pistorius war vor seinen negativen Schlagzeilen bekannt als fastest
man on no legs. Als mehrfacher Paralympicssieger kämpfte er für die
Gleichberechtigung aller Sportler, Kritiker verhinderten 2008 seine
Teilnahme an den Olympischen Spielen als erster Paralympionik. 2011
startete er dann als erster Sportler mit körperlichen Einschränkungen unter
nichtbehinderten Sportlern bei einer Leichtathletik-WM und schied im
Halbfinale über 400 Meter aus.
In Zeiten der entstehenden inklusiven Gesellschaft ist die Frage
gerechtfertigt, ob die paralympischen und olympischen Spiele nicht
zeitgleich stattfinden sollten. Es geht jedoch nicht nur um den gemeinsamen
Start von Sportlerinnen und Sportlern mit und ohne Einschränkungen, sondern
auch um die Frage der Gleichstellung dieser großen Sportereignisse.
Kritiker meinten oft, Sportlerinnen und Sportler hätten durch bestimmte
Hilfsmittel Vorteile, wie möglicherweise Oscar Pistorius mit seinen
federnden Prothesen. Die Hilfsmittel stellen jedoch einen
Nachteilsausgleich dar, durch den die Athletinnen und Athleten diesen Sport
überhaupt erst ausführen können.
Das mediale Interesse ist bei Olympischen Spielen enorm groß. Täglich und
fast rund um die Uhr wird der Zuschauer über die Ergebnisse informiert. Der
Zuschauer hat das Gefühl, überall dabei zu sein und den Sportler genau zu
kennen. Seit London 2012 können sich auch alle Freunde der Paralympischen
Spiele freuen, dass die Übertragungszeit des Großereignisses enorm
gestiegen ist. Im Vergleich zu den Olympischen Spielen sind die
Paralympischen Spiele jedoch eindeutig unterrepräsentiert.Eine Fusionierung
wäre gut, um das mediale Interesse zu fördern.
Bei einer möglichen Zusammenlegung würde die Dauer der Spiele jedoch
erheblich länger werden, oder es müssten viel mehr Sportarten parallel
durchgeführt werden. Die Medien müssten sich entscheiden, welche Sportarten
live übertragen werden. Nach den herkömmlichen Erfahrungen wäre ein
olympischer Spitzensportler oder eine Spitzensportlerin mit vielen
Sponsoren im Portfolio sicherlich gefragter als ein paralympischer
Spitzensportler oder eine Spitzensportlerin, die oft ihren Sport neben dem
Beruf ausüben und wenig Geldgeber haben.
## Der quantitative Unterschied
Neben der qualitativen Entscheidung ist auch das Quantitative bei einer
Zusammenlegung der Spiele zu bedenken. So starten beispielsweise bei den
Olympischen Spielen im Sprint über 100 Meter die Frauen und Männer
voneinander getrennt und es gibt zwei Sieger – die schnellste Frau und der
schnellste Mann der Welt. Da körperliche Einschränkungen genauso vielfältig
sind wie die Menschheit an sich, werden bei den Paralympischen Spielen die
Athleten aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen klassifiziert. Die
Klassifikation ermöglicht eine Zusammenfassung der vielfältigen
Einschränkungen auf ein Minimum.
Unterschieden wird zwischen: „sehbehindert“ für Menschen mit visuellen
Einschränkungen, „sitzend“ für Rollstuhlfahrer, „stehend“ für Mensch…
Oberkörpereinschränkungen und jene, die die unteren Extremitäten bewegen
können. „amputiert“ für Menschen mit amputierten Extremitäten. Neben die…
Einschränkungen gibt es noch detaillierte Unterklassifikationen, die selten
fair, aber eine notwendige organisatorische Hilfe sind.
Durch diese Organisation gibt es nicht jeweils einen Sieger bei den Männern
und Frauen im 100-Meter-Sprint, sondern jeweils einen Sieger in:
„sehbehindert T11–T13, „sitzend T33–T34“, „sitzend T51–T54“, �…
T35–T38“, „Amputation T42–T47“. Insgesamt zehn Goldmedaillengewinner …
in Rio 2016 in der Sprintdisziplin 100 Meter gekürt.
In 9,81 Sekunden rannte Usain Bolt in Rio 2016 zu Gold, die schnellsten
Rennrollstuhlfahrer in Rio schafften dieselbe Strecke in 13,90 Sekunden.
Die Marathonstrecke wurde „sitzend“ in 1:38:44 h erfahren. Erlaufen wurde
dieselbe Strecke („sehbehindert“) in 2:34:50 Stunden, bei den Olympischen
Spielen lag die Bestzeit bei 2:08:44 Stunden.
Hier zeigt sich der Vorteil vom Rollstuhlfahrer. Dieser ist auf einer
Langstrecke um ein Vielfaches schneller, auf der Kurzstrecke langsamer als
ein Fußgänger. Diese Möglichkeiten der Sportarten können nicht
zusammenfassend gleichberechtigt und fair verglichen werden. Sportler und
Sportlerinnen mit ähnlichen Voraussetzungen duellieren sich sportlich und
haben somit ihre eigene Bühne.
## Problem der medialen Aufmerksamkeit
Dies illustriert die Problemlage einer möglichen Fusionierung von
Paralympischen und Olympischen Spielen. Das schließt jedoch nicht aus, dass
beide Ereignisse gleichwertig medial betrachtet werden sollten – ohne
dreiwöchiger Pause zwischen den Ereignissen. Das Olympische Dorf und die
Wettkampfstätten sollten von Beginn an barrierefrei geplant und umgesetzt
werden.
Neben den Paralympischen und Olympischen Spielen gibt es die noch weniger
medial bekannten, Special Olympics für kognitiv eingeschränkte, die
Deaflympics für auditiv eingeschränkte und World Transplant Games für
organtransplantierte Menschen.
Bei einer Fusionierung hätten nur noch die finanziell schlagkräftigen
Athletinnen und Athleten eine große Bühne. Jedoch hat jeder Sportler und
jede Sportlerin aller Weltspiele, unabhängig von finanziell starken
Sponsoren oder Werbeverträgen das Recht auf seine eigene
öffentlichkeitswirksamen Bühne – und das sollte durch eine Zusammenlegung
aller Spiele nicht geschmälert werden.
3 Dec 2016
## AUTOREN
Christoph Pisarz
## TAGS
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