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# taz.de -- Olympische Visionen für Katar: Wendiger, biegsamer, flexibler
> IOC-Chef Thomas Bach macht Katar Hoffnung, Gastgeber der Sommerspiele zu
> werden – ein erstaunliches Signal angesichts der Menschenrechtslage dort.
Bild: Der Visionär Bach (l.) misst sich mit Pierre de Coubertin, dem Initiator…
Dieser Thomas Bach ist wirklich ein Tausendsassa. In Katars Hauptstadt
Doha, wo gerade die Generalversammlung der Vereinigung Nationaler
Olympischer Komitees (Anoc) stattfindet, brachte der Präsident des
Internationalen Olympischen Komitees Visionen zusammen, die gegensätzlicher
kaum sein könnten.
Die eine Vision, die mit der Agenda 2020 ausformuliert wurde, verteidigte
Bach in Doha vor Kritik von außen. Sie wurde bereits vor zwei Jahren als
großes Reformwerk gefeiert und mit dem Ziel verabschiedet, die Vergabe der
Olympischen Spiele transparenter und deren Ausrichtung kostengünstiger zu
machen.
Kurzum, sie auch für demokratische Gesellschaften wieder attraktiver zu
gestalten, damit die Spiele nicht als Prestigeobjekt Diktatoren und
zweifelhaften politischen Systemen vorbehalten bleiben. Glaubt man Thomas
Bach, greift die Reform bereits. Er erklärte, ohne die Agenda hätte es die
Bewerber Paris, Los Angeles und Budapest für die Sommerspiele 2024 nicht
gegeben.
Zugleich nutzte Bach aber die Gelegenheit, dem nicht gerade gut
beleumundeten Gastgeber der Versammlung auch Hoffnung auf die
Gastgeberrolle des größten Sportereignisses zu machen. „Es liegt an Katar.
Ich kann mir vorstellen, dass Katar eines Tages ein Kandidat für die
Ausrichtung der Olympischen Spiele sein wird.“
## Unglückliche Verkettung von Ereignissen
Dass am selben Tag die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) mit der Nachricht
für Aufsehen sorgte, man werde dem Anti-Doping-Labor in Doha für vier
Monate die Akkreditierung entziehen, war möglicherweise eine unglückliche
Verkettung von Ereignissen, die Bach nicht vorhersehen konnte.
Von den Menschenrechtsverletzungen in Katar weiß Bach allerdings schon
lange. Auf den ungesicherten Baustellen für die Fußball-WM 2022 in Katar
sollen laut einer Studie des Internationalen Gewerkschaftsbundes bereits
weit über 1.000 Arbeiter aus Indien und Nepal ums Leben gekommen sein.
Zudem werden die Migranten in Arbeitsverhältnisse gezwungen, die sie
jeglicher Rechte berauben.
Dank der Milliardeneinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft hat sich der
Wüstenstaat in den vergangen Jahren als Gastgeber zu einer globalen
Sportmacht entwickelt. Dass die Sportbegeisterung im Lande verhalten ist,
wird das Engagement kaum bremsen können. Für die Handball-WM 2014 kaufte
sich Katar gar Fans aus dem Ausland ein, die ihre ebenfalls eingekaufte und
eingebürgerte Mannschaft anfeuerten. Die kürzlich erst ausgetragene
Straßenrad-WM wurde dagegen fast ohne Publikum durchgezogen. Bei der
Welttitelkämpfen im Turnen (2018) und in der Leichtathletik (2019) dürfte
das Interesse ähnlich gering sein.
Aber Katar wirft offenbar weiter so mit Geld um sich, dass IOC-Thomas Bach
eine derart heikle Liaison öffentlich in Erwägung zieht. Bereits 2016 und
2020 hatten sich die Emirate am Persischen Golf für die Sommerspiele
beworben, man scheiterte aber in der Vorauswahl. Vorbehalte gab es vor
allem deshalb, weil wegen der Sommerhitze der olympische Terminplan
umgekrempelt werden müsste.
## Sommerspiele im Herbst
Die Spiele müssten im Oktober oder November ausgetragen werden. Weil jedoch
der amerikanische TV-Sender NBC zu den größten Geldgebern des IOC zählt –
die TV-Rechte zwischen den Jahren 2021 und 2032 lässt man sich 7,65
Milliarden Dollar kosten –, schien eine derartige Verschiebung bislang
ausgeschlossen. Im Herbst beginnt in den USA die Basketball- und
Football-Saison, die bereits beste Quoten einbringt.
Ein mächtiger Fürsprecher der Region am Persischen Golf ist zudem der
kuwaitische Scheich Ahmad al-Fahad Al-Sabah, der Präsident der Anoc, die
derzeit in Doha tagt. Er hat den Menschenrechtsaktivisten, die sich gegen
die Ausrichtung der Fußball-WM in Katar 2022 engagieren, bereits Rassismus
vorgeworfen. Al-Sabah ist sowohl beim Weltfußballverband Fifa als auch im
IOC als großer Strippenzieher bekannt.
Vor allem seiner Unterstützung hat es Thomas Bach zu verdanken, dass er
2013 zum IOC-Chef gewählt wurde. Al-Sabah werden die Worte von Bach gewiss
gefallen haben. Wenn die Entwicklungen in der Sportwelt nicht in seinem
Sinne verlaufen, kann er schon auch mal die Muskeln spielen lassen. Im
Jahre 2013 etwa kokettierte er mit der Idee, dass unter dem Dach der Anoc
eine Art Gegenveranstaltung zu den Olympischen Spielen organisiert werden
könnte. Seitdem der flexible Thomas Bach beim IOC am Ruder ist, hat man
aber von der Idee nichts mehr gehört.
16 Nov 2016
## AUTOREN
Johannes Kopp
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