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# taz.de -- Marathonläufer über TV-Sportvielfalt: „Nicht alle mögen den Fu…
> Der Marathonläufer Arne Gabius erklärt, welche großen Probleme mit der
> Konzentration des Fernsehens auf nur eine Sportart verbunden sind.
Bild: Die Moderatoren haben keine Stories zu den Top-Läufern parat, sagt Arne …
taz: Herr Gabius, die ARD zeigt diesen Monat acht Stunden Amateurfußball am
Stück. Begegnungen wie Kirchheim gegen Nöttingen live im Fernsehen. Schauen
Sie sich so etwas an?
Arne Gabius: Nein, ich schaue auch keine Bundesligaspiele in der
„Sportschau“ mehr an. Ab und an nach einem harten Lauftraining vielleicht
mal ein Champions-League-Spiel, mehr aber nicht. Bei mir ist eine Sättigung
eingetreten.
Was verspricht sich ein TV-Sender von viert- und fünftklassigem
Amateurfußball? Für Sie als besten deutschen Langstreckenläufer muss das
doch frustrierend sein?
Wenn die Fußballsaison läuft, ist das TV-Angebot extrem einseitig. Es ist
schon schade, dass die öffentlich-rechtlichen Sender wie Privatsender
agieren. Sie schauen nur auf die Quote. Dabei haben sie einen im
Grundgesetz festgeschriebenen Auftrag, für kulturelle Vielfalt zu sorgen.
Wenn man die Vielfalt des Sports nicht zeigt, werden viele Sportarten ihre
Aktiven verlieren und ein absolutes Nischendasein fristen.
Der Fußball gewinnt selbst dann, wenn es an Zuschauern fehlt.
Frauenfußballspiele werden eher im Fernsehen gezeigt als vielfach besser
besuchte Basketballspiele, klagte kürzlich ein Berliner Klubfunktionär.
Das liegt dann wohl an den öffentlich-rechtlichen Sportchefs und ihrem
Mangel an Mut.
Ist das nicht eine zu einfache Erklärung?
Ich kenne die Abläufe bei der ARD und dem ZDF nicht, welche Lobby etwa eine
Sportart hat. Aber ein Beispiel: Die ARD überträgt als einziger Sender der
Welt den Ironman auf Hawaii komplett, zeitweise auch über einen Livestream.
Da fliegt eine Crew mit ihren Kameras um die halbe Welt, um den Menschen in
Deutschland den Wettbewerb entsprechend der Zeitverschiebung nachts zu
präsentieren. Das ist ein Riesenaufwand, aber da gibt es wohl Leute, die
das pushen.
Mann muss also die Sportchefs von ARD und ZDF begeistern?
Jeder hat da seine Präferenzen. Aber manche gehen lieber auf Nummer sicher
und zeigen dann ein eher zweitklassiges Fußballspiel.
Sehen die Deutschen nicht lieber niederklassige Fußballspiele als
hochklassige Wettbewerbe in anderen Sportarten?
Ich glaube, es gibt eine Gruppe von Menschen, die nur Sport und keine
Serien oder Trash-TV sehen wollen. Die bleiben dann auch bei Dart und
Snooker hängen. Würde man denen neben dem Fußball auch die Highlights der
Diamond League, der Leichtathletikserie des Weltverbands, kompakt und
unterhaltsam präsentieren, würde man damit vermutlich auch gute
Einschaltquoten erzielen.
Sie sehen die anderen Sportarten also nicht im Konkurrenzverhältnis zum
Fußball, sondern eher zum Trash-TV?
Genau. Es wird hier vielleicht immer 5 Millionen Menschen geben, die
ständig Fußball schauen. Das sollen sie meinetwegen auch tun. Und viele von
deren Kindern spielen dann selbst auch Fußball. Aber was ist mit den
anderen? Es gibt noch eine große Vielfalt an Sportarten in Deutschland und
wir müssen die Kinder in Kontakt mit dem vielfältigen Angebot bringen.
Wollen wir sie vor dem Computer und Fernsehen sitzen lassen? Dann haben wir
ein gesellschaftliches Problem.
Welches denn?
Zivilisationskrankheiten wie Diabetes häufen sich. Aber es geht nicht nur
um die Gesundheit. Sport verbessert auch die schulische Leistung,
Konzentrationsfähigkeit, das Selbstbewusstsein. Da könnte ich jetzt vieles
aufzählen.
Angesichts der beschriebenen Dominanz des Fußballs ist es doch eigentlich
ein Wunder, dass es diese Vielfalt des Sports noch gibt?
Ja, zumal die staatliche Förderung vergleichsweise gering ist. Das
Innenministerium subventioniert den Spitzensport mit nur etwa 160 Millionen
Euro. Bis in die 90er Jahre war aber der Sport in Deutschland noch bunter.
Da wurden auch im Fernsehen noch andere Sportarten häufiger gezeigt. Man
erinnert sich heute noch, wer in den 70er Jahren alles Goldmedaillen geholt
hat. Das hallt noch nach, nimmt aber stark ab.
Woran kann man das feststellen?
Im Laufbereich gibt es etwa immer weniger guten Nachwuchs. Das kann man an
den Durchschnittsbestleistungen genau ablesen.
Was muss getan werden, um die Vielfalt des deutschen Sports wieder ins
Fernsehen zu bringen?
Zuerst müssen sich die einzelnen Sportverbände mit den Sportchefs der
öffentlich-rechtlichen Sender zusammensetzen und einen übergreifenden Plan
mit abgestimmten Terminen erstellen, um diesen auch entgegenzukommen. Im
Wintersport hat man das bereits viel früher erkannt und entsprechend
gehandelt.
Profitieren die Wintersportarten nicht einfach auch vom fernsehfreundlichen
Wetter in ihrer Hochsaison?
Das stimmt. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz für die Deutschen nicht so
groß ist wie etwa beim Marathon, der weltweit betrieben wird. Da sind die
deutschen Athleten in einer tollen Position. Erfolg verkauft sich natürlich
auch.
Bei den Sommersportarten ist man dabei, eine ähnliche Entwicklung
anzustoßen. Nächstes Jahr sollen in Berlin und Glasgow die European
Championships ausgetragen werden. Die Europameisterschaften verschiedener
Sportarten werden zusammengelegt.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur zusammen können wir
überleben. Und auf europäischer Ebene sind etwa auch die deutschen
Leichtathleten erfolgreich.
Aber hat der Reflex, immer auf den Fußball zurückzugreifen, nicht auch
damit zu tun, dass dieser den Deutschen die letzte verbindende
Gesprächsebene bietet. Über das Champions-League-Spiel von gestern kommen
auch Unbekannte miteinander in Kontakt.
Sicherlich ist der Fußball ein dankbares Smalltalk-Thema. Aber auch andere
Sportarten bieten großen Gesprächsstoff.
Woran denken Sie?
Zum Beispiel an den deutschen Turner Andreas Toba, der letzten Sommer bei
den Olympischen Spielen in Rio trotz seines Kreuzbandrisses weitergemacht
hat, um dem Team zum Erfolg zu verhelfen. Darüber haben alle in Deutschland
gesprochen. Wenn das aber bei Deutschen Meisterschaften passiert, bekommt
es keiner mit. Manches könnte sicherlich auch besser präsentiert werden.
Zum Beispiel?
Bei den Marathonwettbewerben fehlt es den Moderatoren an fundiertem Wissen.
Zu den Topläufern müsste man immer auch ein, zwei Geschichten parat haben.
Stattdessen wird oft das Spitzenfeld mit dem Satz beschrieben: Da laufen
drei Kenianer und vier Äthiopier mit.
Schauen Sie sich auch die Übertragungen ihrer eigenen Marathonläufe an?
Als ich 2015 in Frankfurt deutschen Rekord gelaufen bin, war das für mich
irgendwie so surreal, dass ich nicht einschlafen konnte. Da habe ich mir
die Übertragung nachts gleich zweimal angesehen.
Und wie fachkompetent war die journalistische Begleitung?
Das war ein dankbares Rennen für den Hessischen Rundfunk. Ich hatte zuvor
den Rekord als Ziel ausgerufen, und sie haben die Übertragung ganz auf mich
ausgerichtet. Im Vorfeld hatte ich schon viel für den HR gemacht. Als
Läufer weiß man, dass die Veranstaltung von der TV-Übertragung lebt.
Medienscheu können Sie sich als Läufer nicht leisten?
Viele halten sich schon zurück. In der Leichtathletik sind es vor allem
Robert Harting und ich, die auch unangenehme Themen ansprechen, mal etwas
überspitzt formulieren. Das wird von den Medien dankend angenommen.
Allmählich merken aber auch andere Athleten, dass sie nicht in ihrem Kokon
bleiben können.
13 May 2017
## AUTOREN
Johannes Kopp
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