# taz.de -- Parteitag der Berliner Grünen: Rosaroter Blick in die Zukunft | |
> Die Grünen feiern sich: Fast durchweg Lob für den Koalitionsvertrag, kaum | |
> Kritik an der Verteilung der Senatsposten. Und gut aussehend sind sie | |
> auch noch! | |
Bild: Sie hält die Grünen für sehr attraktiv: Antje Kapek, Fraktionschefin | |
Ah. Einen gibt es also doch, der nicht ganz so superbegeistert ist. Mehr | |
als eineinhalb Stunden ist der Grünen-Parteitag am Donnerstagabend schon | |
alt, schätzungsweise zwei Dutzend Redner standen bereits vor dem Pankower | |
Abgeordneten Andreas Otto am Mikrofon und waren wahlweise zufrieden, | |
glücklich oder sogar begeistert von dem, was ihre führenden Köpfe bei den | |
rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen rausgeholt hatten. „Es gibt keine | |
echte Kröte in dem Vertrag“, hatte etwa die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus | |
gesagt. Aber Paus hat die Vereinbarung ja maßgeblich mitverhandelt. | |
Auch Andreas Otto, Bauexperte der Fraktion, spricht von einem guten | |
Vertrag. Was ihm aber nicht so gefallen habe, sei die „unglückliche | |
Personalfindung“ – ein Euphemismus für die Querelen um die Besetzung der | |
drei den Grünen zustehenden Senatorenposten; der Tagesspiegel hatte die | |
Partei deshalb als nur „bedingt regierungsfähig“ bezeichnet. | |
Dass etwa keiner aus dem Osten dabei sei, findet Otto nicht gut. Er greift | |
niemanden direkt an, nennt keine Namen seiner Meinung nach besserer | |
Kandidatinnen am Abend jenes Tages, an dem die Parteispitze eine Parteilose | |
als künftige Verkehrs- und Umweltsenatorin nominieren musste – ein urgrünes | |
Ressort immerhin. Doch Otto will das mal gesagt haben. | |
Dann gibt er sich versöhnlich. „Wie man Personalfindung besser macht, dafür | |
haben wir jetzt fünf Jahre Zeit, das zu lernen“, sagt Andreas Otto, der | |
ebenso im Kreisverband Pankow zu Hause ist wie der letztlich als Senator | |
nicht berücksichtigte Baustadtrat Jens-Holger Kirchner. Otto ist der | |
Einzige, der das an diesem Abend anspricht. | |
## Einfach eine tolle Truppe | |
Zum Vertrag gibt es immerhin zwei kritische Kommentare: dass die Grünen | |
sich nicht das Frauenressort im Senat gesichert hätten und dass trotz aller | |
Pläne für neue Radwege weiter zu viel Geld in den Autoverkehr fließe. | |
Ansonsten lautet der typische Satz des Abends: „Wir Grüne waren eine tolle | |
Verhandlungsgruppe.“ Rund 150 Menschen sitzen im Saal der zum | |
Tagungszentrum umgewandelten Jerusalemkirche in Kreuzberg, und gefühlt wird | |
jede und jeder mindestens einmal für sein Engagement bei den | |
Koalitionsverhandlungen lobend erwähnt. | |
Noch nach über zwei Stunden fällt immer noch jemandem einer ein, der noch | |
zu würdigen ist. Was offiziell als Aussprache und Diskussion über den | |
Vertragsentwurf angesetzt war, wird vorwiegend zum nochmaligen Vortrag | |
dessen, was die Teilnehmer auf 177 Seiten ausgedruckt auf ihren Sitzen | |
vorgefunden haben. Wenn eine von Problemen bei den Verhandlungen spricht – | |
die Mietexpertin Katrin Schmidberger etwa gibt ihre Gemütslage nach der | |
ersten Woche mit SPD und Linkspartei so wieder: „Ich will nicht regieren, | |
nicht mit denen“ –, so hätten sich diese schnell gelöst. | |
## Vorstellung der Kandidaten | |
Acht Menschen stellen sich schließlich noch vor, die in den künftigen | |
Landesvorstand wollen, dessen Wahl genau wie die Abstimmung über den | |
Koalitionsvertrag bei einem weiteren Parteitag am 3. Dezember ansteht. Für | |
die beiden mit je 3.500 Euro entlohnten Vorsitzposten – etwa so viel wie | |
eine Abgeordnetendiät – gibt es weiterhin genau zwei Bewerber: Nina Stahr | |
vom Realo- und Werner Graf vom Linkenflügel. Auf sie hatten sich die beiden | |
Parteilager verständigt. | |
Es ist zehn Uhr, als alle geredet haben und schließlich Gelegenheit zu | |
Fragen besteht. Doch die gibt es auch hier nicht. Teils kennt man sich ja | |
auch schon lange, spät ist es auch, und ansonsten geht das noch direkt vor | |
den Wahlen und Abstimmungen am 3. Dezember. | |
In Erinnerung bleibt beim Nachhauseradeln eine Schlussbemerkung von | |
Fraktionschefin Antje Kapek zur grünen Senatorenauswahl: „Mit Ramona, Dirk | |
und Regine [Pop, Behrendt und Günther; Anm d. Red.] machen wir diesen Senat | |
definitiv schöner.“ Ein Satz, den in diesem Raum kein Mann sagen dürfte, | |
ohne als Macho beschimpft zu werden. Was die Regierungskollegen Müller, | |
Scheeres oder Kolat von der SPD, also im Grünen-Sprech Micha, Sandra und | |
Dilek, von dieser Einschätzung halten, ist noch offen. | |
25 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Grüne Berlin | |
Koalitionsvertrag | |
R2G Berlin | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Dirk Behrendt | |
Grüne Berlin | |
Umwelt | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Grüne Berlin | |
Koalitionsverhandlungen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grüne küren Spitzenkandidatin: Klare Wahl vor der Wahl | |
Die Grünen lassen Exparteichefin Bettina Jarasch bei der Bewerbung um einen | |
Bundestagssitz durchfallen, die Mehrheit will Lisa Paus. | |
Berlins neuer Justizsenator im Interview: „Das sind Gefängnisse, keine Knäs… | |
Mit Dirk Behrendt übernimmt ein linker Grüner die Senatsverwaltung für | |
Justiz und Antidiskriminierung. Ist das das Ende aller Gefängnisse in | |
Berlin? | |
Das war die Woche in Berlin II: Keine hundert Tage Schonfrist | |
Hält die Harmonie? Wie die Personalie Regine Günther – künftige | |
Umweltsenatorin – bei den Grünen für Unmut sorgt, der sich noch Bahn | |
brechen könnte. | |
Berlins neue parteilose Umweltsenatorin: Von Marrakesch nach Moabit | |
Tapetenwechsel für Regine Günther: Von der Umweltstiftung WWF geht's als | |
Sentorin für Verkehr und Umwelt in den Berliner Senat. | |
Senatsposten in Berlin: Ökologie kommt ohne Grüne aus | |
5.633 Mitglieder haben die Berliner Grünen. Doch ihre Parteispitze | |
nominiert als Senatorin für das Kernthema Verkehr und Umwelt die Parteilose | |
Regine Günther. | |
Grünes Personal: Gemischtes Doppel | |
Bei der Senatorensuche tut sich die Partei schwer – zwei neue Landeschefs | |
aber hat sie gefunden: Die Reala Nina Stahr und den Parteilinken Werner | |
Graf. | |
Koalitionsverhandlungen in Berlin: R2G definiert Warten neu | |
Die Wartezeit für einen Bürgeramtstermin soll höchstens 14 Tage betragen, | |
verspricht die künftige Koalition. Zwei Staatssekretäre sollen sich um die | |
Verwaltung kümmern. |