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# taz.de -- Kontrolle der Medienlandschaft in Israel: Kommunikationsminister Ne…
> Schritt für Schritt baut Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die
> Medienlandschaft um. Jetzt knöpft er sich das öffentlich-rechtliche
> Fernsehen vor.
Bild: Ehefrau Sara Netanjahu ist ein beliebtes Opfer der Boulevardpresse. Und B…
Jerusalem taz | Mit Israels Printmedien lässt es sich für Regierungschef
Benjamin Netanjahu schon recht gut leben seit Gründung der kostenlos
verteilten Tageszeitung Israel Hajom („Israel heute“). Die von Netanjahus
Gönner, dem US-amerikanischen Multimillardär Sheldon Adelson, finanzierte
Zeitung berichtet treu nur positiv über den mächtigsten Politiker im Land.
Innerhalb von drei Jahren avancierte Israel Hajom nach ihrer Gründung im
Sommer 2007 zum auflagenstärksten Blatt.
Netanjahu sorgt, wenn nötig, eigenhändig dafür, seine Kritiker verstummen
zu lassen. Dan Margalit, einer der bekannteren Namen unter Israels
Politjournalisten, kommentierte bis vor Kurzem täglich in Israel Hajom. Nun
publiziert er fast nur noch auf Facebook. Der stets linientreue Margalit
beging den Fehler, Netanjahus Kampf gegen den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk anzugreifen.
Netanjahu will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beerdigen, noch bevor er
auf Sendung geht. „Das Thema Printmedien habe ich erledigt“, zitiert die
liberale Tageszeitung Ha’aretz Netanjahu, „jetzt ist es Zeit, das Fernsehen
zu verändern.“
## Regierungschef und Kommunikationsminister
Bereits vor zwei Jahren entschieden die Knesset-Abgeordneten für die
Sanierung der alten Sendeanstalt Israeli Broadcasting Authority (IBA), die
mit zu viel Personal zu teuer ist und außerdem chronisch an sinkenden
Einschaltquoten leidet – eine überfällige Entscheidung. Der
öffentlich-rechtliche Sender sollte in neuen Räumen, mit neuen
Führungsköpfen, neuer Finanzierung und weniger Personal ein von der
Regierung unabhängigeres Programm machen, das den Zuschauer nichts mehr
kostet.
Eigentlich hätte es schon im letzten März losgehen sollen, aber Netanjahu,
der die Reform anfangs befürwortete, verzögert die Umsetzung und würde das
Projekt am liebsten komplett einstampfen. Der Regierungschef, der
gleichzeitig das Amt des Kommunikationsministers besetzt, fürchtet sich vor
der unabhängigen Rundfunkanstalt, oder wie Kulturministerin Miri Regev
unverhüllt formulierte: „Was nützt uns dieser Sender, wenn wir ihn nicht
kontrollieren können?“
Das Volk ist zufrieden mit der Aussicht, nicht mehr bezahlen zu müssen. Die
Gebühren liegen mit 70 Euro jährlich zwar nicht hoch, trotzdem gibt es oft
Unmut darüber, keinen angemessenen Gegenwert für das Geld zu bekommen. Die
beiden privaten Sender Channel 10 und Channel 2 können längst mithalten mit
den Nachrichten- und Politiksendungen des staatlichen Rundfunks, dem sie
die populärsten Journalisten abwarben. Die spannendsten Streitgespräche
laufen auf den kommerziellen Kanälen, und auch bei den
Unterhaltungssendungen liegen die Privaten oft vorn.
Zum alten IBA-Modell zurückzukehren würde den Steuerzahler noch mehr Geld
kosten, denn die Reform sollte durch den Verkauf der alten Sendehäuser in
Tel Aviv und Jerusalem mitfinanziert werden, beide zentral und in sehr
teuren Bezirken gelegen. Schon sind neue Büros angemietet, und einige
Hundert neue Mitarbeiter stehen unter Vertrag.
## Netanjahu will Israel Hajom als TV
Was Netanjahu grämt, ist, dass künftig nicht Politiker über die Ernennung
des Generaldirektors und des Vorstands entscheiden würden, sondern ein
neunköpfiger professioneller Aufsichtsrat. „Was ist, wenn in der neuen
Körperschaft nur Leute von ‚Breaking the Silence‘ sind?“, fragte er im
Verlauf eines Treffens mit IBA-Mitarbeitern. [1][„Breaking the Silence“ ist
eine Initiative von Armeereservisten], die gegen Israels Besatzung des
Westjordanlandes kämpfen und für Netanjahus Kabinett Paradebeispiel für
linke Regierungskritiker sind.
Was Netanjahu vorschwebt, ist eine Art Israel-Hajom-Kanal und die Spaltung
des Senders Channel 2. Schon werden Gerüchte laut aus dem Umfeld des
Regierungschefs, dass Milliardär Sheldon Adelson, der auch Eigentümer des
Onlineportals NRG ist, Ambitionen treiben, künftig Fernsehen zu machen.
Einzig der Wunsch, Adelson den Einstieg in den TV-Markt zu erleichtern, so
wittern Kritiker, motiviere Netanjahu dazu, Channel 2 aufzuteilen. Derzeit
wird das Programm von den beiden Konzessionsinhabern Reshet und Keshet
gestaltet. Netanjahu selbst begründet, er wolle „mehr Wettbewerb“ fördern.
„Erst zielt er auf Channel 2, dann wird er Channel 10 plattmachen“,
schimpft Avi Weiss, Nachrichtenchef von Channel 2. „Wenn ihm Wettbewerb so
wichtig ist, warum zerstört er dann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?“
All das Gerede von Pluralismus und Programmvielfalt ziele nur darauf ab,
seine wahren Motive zu verschleiern, nämlich noch mehr Kontrolle über die
Medien zu gewinnen.
## Affäre Dajan
Sollte das Prinzip „Teile und herrsche“ funktionieren, müsste Netanjahu
künftig nicht mehr selbst zur Feder greifen, wenn ihn Kritik von links
trifft. Aktuell ist Ilana Dajan, Anchorwoman und legendäre Chefredakteurin
des Nachrichtenmagazins „Uvda“ von Channel 2, Netanjahus linke Erzfeindin.
Ohne großartig neue Rechercheerkenntnisse listete Dajan Anfang November
einmal mehr die Sünden seiner Ehefrau Sara Netanjahu auf und bastelte mit
musikalischer Untermalung einen dramatischen Fernsehbericht.
Frau Netanjahu ist bekannt für ihr aufbrausendes Temperament, ihre
Kontrollgelüste, ihre Gier und ist beliebtes Opfer der Boulevardpresse. Ob
Dajan einzig der Wunsch zur Information motivierte, ist fraglich. Sara
Netanjahu ist immer gut für hohe Einschaltquoten.
Tatsache ist, dass Dajan in ihrem Bericht die Mitarbeiter aus dem engsten
Umfeld der Netanjahus das Bild einer obsessiven und viel zu mächtigen First
Lady malen ließ, die geheimen Sitzungen mit dem Mossad-Chef beiwohnt und
Regierungsbeamte für private Rechtsstreitigkeiten mobilisiert.
## Medien nur „teilweise frei“
Ehemann Benjamin tobte. „Es wäre interessant, zu sehen, ob Ilana Dajan, die
sich selbst als Ritterin der freien Meinungsäußerung porträtiert, unsere
Reaktion unzensiert veröffentlichen wird“, schrieb Netanjahu und
provozierte genau das. Sechs Minuten lang las Dajan in ihrer Sendung die
Mitteilung Netanjahus, der ihre „professionelle Integrität“ anzweifelt, sie
als „extrem links“ beschimpft und gleichzeitig einen Rundumschlag gegen
weitere Feinde aus der schreibenden Zunft unternimmt.
Die liberale Tageszeitung Ha’aretz, die für Dajan erklärtermaßen „Quelle
des Trostes und geistiger Vernunft“ ist, empfindet Netanjahus als ein
„extrem“ linkes Blatt. Tatsächlich genießt die Ha’aretz mit ihrer
englischen Ausgabe, [2][die auch online zu lesen ist], weltweit großes
Ansehen. Seit 2006 ist die Dumont Mediengruppe beteiligt und hält derzeit
einen Anteil von 20 Prozent. In einer früheren Mitteilung erinnerte der
Regierungschef daran, dass die „Dumont Schauberg Mediengruppe während des
Zweiten Weltkrieges Nazipropaganda verbreitete“.
Zum ersten Mal kategorisierte das Freedom House, eine US-amerikanische
Gruppe, die den Zustand der Demokratien weltweit prüft, Israels
Journalismus als [3][nur noch „teilweise frei“]. Als Grund der Herabstufung
nannte die Gruppe auch die Tageszeitung Israel Hajom und die Tatsache, dass
der Regierungschef gleichzeitig als Kommunikationsminister fungiert.
26 Nov 2016
## LINKS
[1] /!5302775/
[2] http://www.haaretz.com/
[3] https://freedomhouse.org/report/freedom-press/2016/israel
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
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