| # taz.de -- Reform des israelischen Rundfunks: Einmal komplett abgeschaltet | |
| > Beim ESC kündigte der israelische Sender IBA die eigene Schließung an. | |
| > Dennoch lesen dieselben Gesichter und Stimmen noch immer die Nachrichten. | |
| Bild: Moderatorin Geula Even Saar hatte Mühe, das Ende ihrer Sendung „Mabat�… | |
| Nicht ohne Dramatik war die Ansage von Ofer Nachschon, der im Eurovision | |
| Song Contest am Samstagabend ankündigte: „Heute Nacht wird die IBA (Israeli | |
| Broadcasting Authority) die Sendungen für immer einstellen.“ Eurovision | |
| jetzt ohne Israel, fürchteten gleich einige. | |
| Was Nachschon nicht erwähnte: Anstelle der IBA sendet nun seit Montagnacht | |
| die neue Anstalt IBC (Israeli Broadcasting Corporation). Es sind dieselben | |
| Gesichter und dieselben Stimmen, die zur vollen Stunde die Nachrichten | |
| lesen und die neuen Programme präsentieren. Knapp 500 Mitarbeiter wurden | |
| aus dem alten Sender übernommen, rund 200 weitere hoffen noch auf einen | |
| neuen Arbeitsvertrag. Aber ein Umbruch ist es gleichwohl, und er hat in | |
| Israel die Gemüter bewegt. | |
| Mit unterdrücktem Schluchzen las Nachrichtensprecher Kobi Barkai kurz vor | |
| dem Abschalten des Hörfunks ein Gedicht von Chaim Nachman Bialik– dasselbe, | |
| mit dem die Nachrichten der Rundfunkanstalt „Stimme Israels“ 81 Jahre zuvor | |
| auf Sendung gegangen waren. Beim TV-Nachrichtenmagazin „Mabat“ wurde zum | |
| Abschied Chaim Javin ins Studio geschaltet, Anchormanlegende bei Channel | |
| one. Es sei ein „Unsinn“, sogar ein „Verbrechen“, den Sender einzustell… | |
| schimpfte der. Und dann standen alle auf und sangen die Nationalhymne. | |
| Alles komplett abzuschalten und wieder neu anzufangen schien der einzige | |
| Weg, um den alten Sender zu reformieren, der zu teuer und immer weniger | |
| attraktiv geworden war. Künftig soll der Rundfunk die Bürger nichts mehr | |
| kosten. Zudem soll das Programm unabhängiger von der Regierung sein. | |
| Bislang wurde der Generaldirektor und der Vorstand direkt von der Regierung | |
| bestimmt. Fortan soll ein professioneller Aufsichtsrat unter der Leitung | |
| eines Richters einen siebenköpfigen Vorstand zusammenstellen, der wiederum | |
| vom Kommunikationsminister befürwortet werden muss. | |
| ## Netanjahu ist beunruhigt | |
| Der neue Plan gibt Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Rechts- und | |
| Kommunikationswissenschaften sowie Management den Vorzug vor Vertretern | |
| gesellschaftlicher Gruppen. Der Vorstand ernennt anschließend ohne Zutun | |
| von Politikern den Generaldirektor. Einer, dem diese Reform allerdings | |
| nicht passt, ist Regierungschef Benjamin Netanjahu. Der hatte die | |
| Rundfunkreform im Frühjahr 2014 zwar selbst angestoßen, dann jedoch | |
| begonnen, sich vor der geplanten Unabhängigkeit des Rundfunks zu fürchten. | |
| Netanjahu zögerte mit dem Ab- und Wiedereinschalten des Senders und hätte | |
| die gesamte Reform am liebsten ad acta gelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die | |
| Reform aber nicht mehr aufzuhalten, denn das Abspecken überflüssigen | |
| Personals war bereits im Gange. 750 Mitarbeiter, die in Frührente oder | |
| langfristig in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, mussten abgefunden | |
| werden. Finanziert wird das mit dem Verkauf der beiden Sendeanstalten in | |
| Jerusalem und Tel Aviv. | |
| Weniger Personal, dafür mehr Fremdproduktionen, lautet die neue Devise. | |
| Netanjahu musste am Ende einwilligen, allerdings nicht ohne die Bedingung, | |
| zwei Unternehmen zu gründen: eins für das allgemeine Programm, das andere | |
| für die Nachrichtensendungen. | |
| Mitarbeiter fochten den Plan des Regierungschefs an, und nur Stunden vor | |
| Sendebeginn entschied der oberste Gerichtshof gegen eine Spaltung des | |
| öffentlichen Rundfunks. „Was auch immer passiert“, so kommentierte die | |
| Jerusalem Post, „man kann nur hoffen, dass Israel eine Chance bekommt, um | |
| den enttäuschenden 23. Platz (bei der Eurovision) in Kiew wettzumachen.“ | |
| „Kan“ ist der Markenname von Israels neuer öffentlicher Sendeanstalt, | |
| Hebräisch für „hier“. Um weiter beim europäischen Gesangswettbewerb | |
| teilnehmen zu können, müsste Kan wieder Mitglied der European Broadcasting | |
| Union (EBU) werden. Ob die Anstalt dafür tauglich befunden wird, bleibt | |
| vorerst offen. Dass bei Kan Nachrichten und Unterhaltungssendungen getrennt | |
| werden, könnte problematisch sein für eine Aufnahme bei der EBU. | |
| 15 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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