# taz.de -- Die Rolle der Türkei in der Nato: Ankara sucht neue Verbündete | |
> Auf einer Nato-Versammlung in Istanbul fordert Präsident Erdoğan | |
> Solidarität ein. Gleichzeitig streckt er die Fühler in Richtung Russland | |
> und China aus. | |
Bild: Noch darf Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l.) in Erdoğans golden… | |
ISTANBUL taz | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Montag | |
erneut schwere Vorwürfe gegen „den Westen“ erhoben. Auf der in Istanbul | |
tagenden Parlamentarischen Versammlung der Nato sagte er: „Die Türkei | |
erwartet Unterstützung im Kampf gegen Terrororganisationen. Stattdessen | |
kann die kurdische PKK in vielen EU- und Nato-Staaten ungehindert | |
operieren.“ | |
Der Auftritt Erdoğan ist nur einer in einer ganzen Reihe von Angriffen auf | |
den Westen, bei denen Erdoğan die Unterstützung der PKK und der syrischen | |
Kurden beklagt. Vergangene Woche musste sich Außenminister Frank-Walter | |
Steinmeier in Ankara anhören, Deutschland sei ein sicherer Hafen für | |
Terroristen. | |
Erdoğan weiß, dass innerhalb der EU sein neuerliches militärisches Vorgehen | |
gegen die PKK für falsch gehalten wird. Für die Nato sind darüber hinaus | |
Erdoğan militärische Alleingänge im Irak und in Syrien, die jeweils die PKK | |
oder deren syrischen Verbündeten YPG zum Ziel haben, ein großes Problem. | |
Aus Sicht der Nato-Vormacht USA, die mit der syrisch-kurdischen YPG | |
zusammenarbeitet, schwächt das türkische Vorgehen den Kampf gegen den IS. | |
Deshalb hat Jürgen Trittin, der als deutscher Vertreter an der | |
Nato-Versammlung teilnimmt, in Istanbul gefordert, Deutschland und alle | |
anderen Nato-Mitglieder sollten ihre Waffenlieferungen an die Türkei | |
einstellen. Trittin will auch, dass die Bundeswehr ihre Aufklärungstornados | |
aus Incirlik abzieht, weil die Gefahr bestünde, dass die Türkei die dabei | |
gewonnenen Informationen gegen die Kurden einsetzt. | |
## Flirt mit dem Schanghai-Bündnis | |
Für Erdoğan sind all das Gründe, sich nach anderen Verbündeten umzusehen. | |
Vor zwei Tagen hat er auf dem Rückweg von einem Staatsbesuch in Pakistan | |
und Usbekistan erklärt, für ihn sei das Schanghai-Bündnis, ein | |
Zusammenschluss autoritärer zentralasiatischer Staaten unter Führung | |
Russlands und Chinas, eine echte Alternative zur EU und zur Nato. Erdoğan | |
hatte vor einigen Jahren schon einmal Sympathien für die „Shanghai Five“ | |
bekundet, damals aber noch mit der Überlegung, die EU so unter Druck zu | |
setzen. | |
Jetzt geht der Flirt mit den anderen Autokraten aber sehr viel weiter und | |
fügt sich in die politische Entwicklung der Türkei ein. Mit Moskau, | |
behauptete Erdoğan, sei man bereits über einen Anschluss im Gespräch. Auch | |
China bekundete sein Interesse. | |
Außer den Kernstaaten Russland, China, Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan | |
sind bereits Indien, Pakistan und Weißrussland assoziierte Mitglieder des | |
Bündnisses. Nach Informationen türkischer Medien hat Erdoğan noch im | |
Dezember ein Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump | |
vereinbart. Sollten sich die türkischen Erwartungen für das „gemeinsame | |
Vorgehen“ in Syrien und Irak auch mit der neuen US-Regierung nicht | |
realisieren lassen, könnte sich tatsächlich ein Bündniswechsel der Türkei | |
anbahnen. | |
21 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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