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# taz.de -- Stadt macht Ernst gegen Leerstand: Hamburg enteignet Hausbesitzer
> Die Stadt entzieht einem Immobilienbesitzer die Verfügung über leere
> Wohnungen. Das Bezirksamt renoviert auf seine Kosten und sucht Mieter.
Bild: Ein Forderung, die sich offenbar inzwischen auch die Stadt zu eigen macht
Hamburg taz | Zum ersten Mal wird in Hamburg einem Immobilienbesitzer die
Verfügungsgewalt über sein Eigentum zeitweilig entzogen, weil er leer
stehende Wohnungen seit Jahren nicht vermietet. „Das können wir uns
angesichts des angespannten Wohnungsmarktes nicht länger bieten lassen“,
sagt der Bezirksamtschef von Hamburg-Mitte, Falco Droßmann (SPD), der die
„Zwangsenteignung“ auf Zeit anordnete.
Damit werden zum ersten Mal die 2013 in das Hamburger Wohnraumschutzgesetz
aufgenommenen Paragrafen 12a und 12b angewendet, die eine Zwangsenteignung
auf Zeit erlauben.
Bereits seit 2012 versuchte das Bezirksamt Mitte den Vermieter dazu zu
bewegen, sechs leer stehende Wohnungen in seinem Haus in der
Ohlendorffstraße im Hamburger Stadtteil Hamm wieder zu vermieten.
Vergebens. Wohnnutzungsgebote und Zwangsgeldandrohungen blieben
unbeantwortet, verhängte Strafzahlungen von insgesamt 18.000 Euro hatte der
Immobilienbesitzer ignoriert.
## „Der richtige Weg“
„Wir hatten keine andere Möglichkeit, als dem Vermieter das Eigentum an
seinem Besitz zu entziehen“, sagt Droßmann. „Ich bin überzeugt, dass das
der richtige Weg ist.“
Weil die erstmalige Anwendung des Hamburger Schutzparagrafen ein Politikum
ist, informierte Droßmann am Dienstag Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) von
seinem Vorhaben. Der ließ ihn gewähren. Anschließend leitete Droßmann die
Maßnahme ein und ordnete ihren „sofortigen Vollzug“ an.
Der Vermieter hat nun die Möglichkeit, gegen seine zeitweise Enteignung vor
das Verwaltungsgericht zu ziehen. Ein Verfahren, das auch den Behörden
Rechtssicherheit brächte. Da die eingefügten Paragrafen noch nie angewandt
wurden, gibt es auch keine Urteile darüber, ob die Zusätze verfassungsgemäß
sind. Das ließ auch das Bezirksamt prüfen und hatte keine Bedenken.
Laut Gesetz setzt das Bezirksamt einen Treuhänder „zur Wiederherstellung
des Wohnraums für Wohnzwecke“ ein. Dieser kann notwendige Renovierungen auf
Kosten des Vermieters beauftragen und die leer stehenden Wohnungen
vermieten. Erst danach hält der Eigentümer die Verfügungsgewalt über seinen
Besitz zurück und ist dann an die von ihm nicht selbst abgeschlossenen
Mietverträge gebunden.
Siegmund Chychla, Chef des Mietervereins zu Hamburg, begrüßt den Schritt
des Bezirksamts Mitte und betont: „Alle anderen Bezirke sollten sich daran
ein Beispiel nehmen.“ Die Frage sei nur, warum diese gesetzlichen
Möglichkeiten „erst jetzt erstmals konsequent angewendet“ werden. Cychla
verspricht sich durch die Maßnahme eine „generalpräventive Wirkung bei
anderen Vermietern, die ihr Eingentum leer stehen lassen“.
## Das Vorgehen könnte Schule machen
Selbst beim Hamburger Grundeigentümerverband hat man Verständnis für die
amtliche Maßnahme. „Der Bezirk wird für diesen Schritt Gründe gehabt
haben“, sagt Verbandschef Heinrich Stüven. „Auch Vermieter müssen sich an
Gesetze halten.“ Der Verband habe derzeit nicht vor, gegen die erstmalige
Anwendung der Beschlagnahme-Paragrafen juristisch vorzugehen.
„Eigentum verpflichtet“, betonen Stüven und Droßmann am Donnerstag unison…
Und weil dem so sei, „ist der von uns jetzt eingeschlagene Weg einer, den
ich gerne öfter beschreiten würde“, sagt Droßmann.
Seine sechs KollegInnen der anderen Hamburger Bezirke informierte Droßmann
bereits am Mittwoch und erntete erhöhte Aufmerksamkeit. Wird die Maßnahme
nicht vor Gericht gekippt, sie dürfte in Hamburg Schule machen.
10 Nov 2016
## AUTOREN
Marco Carini
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