# taz.de -- Leerstand in bester Lage: Mit Rammbock und Kettensägen | |
> Spekulant Landschulze verklagt Hausbesetzer auf Kostenerstattung für eine | |
> Tür, die von der Polizei bei der Räumung zerdeppert wurde. | |
Bild: Steht seit Jahren fast ganz leer und braucht eine Mahagonitür: das Haus … | |
HAMBURG taz | Klingt grotesk, ist aber wahr: Die Spekulanten-Familie | |
Landschulze, die das Wohnhaus in der Juliusstraße 40 im Schanzenviertel | |
seit Jahren nahezu leer stehen lässt, hat eine Gruppe Hausbesetzer auf | |
Schadensersatz verklagt. Sie sollen nach ihrer Aktion 8.564,61 Euro für | |
eine Mahagoni-Treppenhaus-Tür bezahlen, die die Polizei bei der Räumung | |
zerstört hat. Mit der neuen schicken Tür möchten die Landschulzes den leer | |
stehenden Wohnraum vor „unberechtigtem Zutritt“ schützen. | |
Das Areal direkt neben der Roten Flora am Schulterblatt war 2003 von | |
Ernst-August Landschulze gekauft worden. Das damals zuständige | |
Bezirksamt-Mitte ordnete nach einer Anzeige die Instandsetzung an, die von | |
den Bewohnern weitgehend selbst vorgenommen wurde. | |
Landschulze konzentrierte sich darauf, die Mieter aus der linken Hälfte des | |
Gebäudes durch Räumungsklagen loszuwerden, nachdem er die rechte Haushälfte | |
wieder aufgebaut hatte, um den Komplex in Ganzetagen-Wohnungen umzuwandeln. | |
Nur eine Mieterin trotzt bis heute den Landschulzes. „Ab und zu kommen mal | |
ein paar Handwerker vorbei, um den Anschein zu erwecken, dass etwas | |
passiert“, sagte die alleinerziehende Mutter schon 2010 der taz. „Aber es | |
passiert nichts.“ | |
Um Abhilfe und Öffentlichkeit zu schaffen, besetzte eine Gruppe von sieben | |
Leuten am 16. Oktober 2010 im Rahmen der Kampagne „Leerstand zu Wohnraum“ | |
medienwirksam das Areal. „Miethaie zu Fischstäbchen“ prangte es von den | |
Balkonen. Früher habe man „vergammelte Altbauten“ besetzt, nun habe man | |
sich ein Haus genommen, das zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden solle. | |
„Luxus für alle.“ | |
Maren Landschulze – formal Eigentümer des Hauses – fackelte nicht lange, | |
stellte Strafantrag und drängte auf Räumung. Die Polizei rückte mit einem | |
Großaufgebot an. Mit Brachialgewalt wurde die Treppenhaus-Tür mit einem | |
Rammbock und später mit Kettensägen zerstört, obwohl die Landschulzes | |
eigentlich einen Haustürschlüssel besitzen müssten. Auch bei der letzten | |
Mieterin ist es versäumt worden, einfach zu klingeln – angeblich, weil die | |
Treppenhaustür mit einem Schrank verbarrikadiert worden war. | |
Seit zwei Jahren liegt der Rechtsstreit nun bei Zivilrichterin Inken von | |
Gadow, die nun erstmals in die mündliche Erörterung eingetreten ist. „Nach | |
meiner bisherigen Rechtsauffassung sind die Beklagten voll haftbar“, sagt | |
die Amtsrichterin, was auf Widerspruch der Verteidiger Martin Klingner und | |
Hendrik Schulze stößt. Zwar sei es nach dem Zivilrecht so, erläutert | |
Klingner, dass, wenn man etwas Widerrechtliches tut, man auch für die | |
Schäden haftbar zu machen ist – auch wenn diese Mitbeteiligte anrichten. | |
In diesem Fall sehen die Anwälte jedoch die „Kausalität“ nicht, da das | |
Vorgehen der Polizei unverhältnismäßig gewesen sei. Die Beteiligten hätten | |
nicht davon ausgehen können, dass die Polizei „die Treppenhaustür komplett | |
zerlegt“, sagt Klingner. Die Landschulzes sollten sich „von der Polizei den | |
Schadensersatz holen“. In den nächsten Wochen wird über einen Vergleich | |
korrespondiert, um sich eine Beweisaufnahme zu ersparen. | |
Dennoch stellt sich schon jetzt die Frage, warum das Bezirksamt Altona | |
immer noch nicht gegen die Zweckentfremdung des Hauses vorgeht. „Die | |
Sanierung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Sprecherin Heike Bahr, „so | |
dass das Wohnraumschutzgesetz nicht greift.“ | |
„Seit Jahren wird nicht ernsthaft versucht, den Bau fertigzustellen“, sagt | |
Marc Meyer, Jurist beim Verein Mieter helfen Mietern. „Das weiß auch der | |
Bezirk.“ Es mache ihn wütend, dass angesichts der Wohnraumsituation nicht | |
eingeschritten werde. | |
Der Vorsitzende des Bauausschusses im Bezirk Altona, Robert Jarowoy | |
(Linke), wird das Thema heute auf die Tagesordnung setzen. „Das | |
Wohnpflegeamt scheint eher die Spekulanten zu pflegen als sich um die | |
Belange von Wohnungssuchenden zu kümmern, wie es seine Aufgabe wäre“, sagt | |
Jarowoy. „Die leeren Wohnungen hätten längst beschlagnahmt werden müssen.�… | |
26 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
Kai von Appen | |
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