# taz.de -- Prozess um Häuserkampf: Sympathie für den Angeklagten | |
> Ein Aktivist muss wegen der Besetzung des Hauses Juliusstraße 240 Euro | |
> Geldstrafe zahlen. Die Staatsanwältin verweigerte die Einstellung des | |
> Verfahrens. | |
Bild: Ärgerte die Staatsanwältin: Hausbesetzer-Solidarität vor dem Amtsgeric… | |
Eigentlich sollte das Verfahren gegen Martin M. wegen der Hausbesetzung | |
Juliusstraße 40 eingestellt werden - aber nur, wenn ein Geisterprozess | |
stattfindet. Sichtlich verärgert über die große Öffentlichkeit ließ sich | |
Staatsanwältin Sabine Hantel-Maschke am Donnerstag nun auf keinen Handel | |
ein. | |
Verteidiger Gerrit Onken hatte beantragt, das Verfahren gegen M. | |
einzustellen, weil zuvor die Polizisten Natascha-Patrizia Sch. und Dennis | |
G. ausgesagt hatten, dass die Räumung des besetzten Hauses am 16. Oktober | |
2010 "völlig entspannt" abgelaufen sei. Und so musste der Altonaer | |
Amtsrichter Wolfgang Rußler widerwillig doch ein Urteil fällen: 30 | |
Tagessätze à acht Euro - also 240 Euro Geldstrafe. | |
Noch vor Tagen hatte die Staatsanwaltschaft dem Anwalt Gerrit Onken | |
angeboten, an diesem ersten Prozesstag das Verfahren gegen Martin M. | |
einzustellen. Die Bedingung: Die Häuserkampf-Aktivisten verzichten auf | |
Pressearbeit und bleiben dem Verfahren vor dem Amtsgericht Altona fern. | |
Doch es kam anders: Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich rund 40 | |
Unterstützer zu einer Volxküche. "Fight Repression and Gentrification" | |
stand auf einem Transparent. Später ließen die Unterstützer den | |
Verhandlungssaal 201 aus allen Nähten platzen. M. ging gegen | |
Wohnungs-Leerstand in die Offensive. "Wir nehmen uns die Häuser - wir | |
nehmen uns die Stadt." | |
M. gehört zu einer Gruppe Gentrifizierungsgegner, die das seit vier Jahren | |
fast leer stehende Haus des Spekulanten-Clans Landschulze am 16. Oktober | |
vorigen Jahres besetzt hatten. Das Haus wird verwaltet von Ernst-August | |
Landschulze, der dafür bekannt ist, diverse Immobilien im Schanzenviertel | |
spekulativ leer stehen zu lassen. Offizielle Eigentümerin des Gebäudes ist | |
seine Tochter Maren Landschulze, die an jenem Abend Strafantrag wegen | |
Hausfriedensbruch gestellt hatte. | |
Die beiden Polizeizeugen konnten nicht sagen, ob die Besetzer vor der | |
polizeilichen Räumung zum Verlassen des Gebäudes überhaupt aufgefordert | |
worden sind, freiwillig das Areal zu verlassen. Dies hätte ein | |
polizeiliches Eingreifen überflüssig gemacht. Indes bescheinigte Polizistin | |
Sch., dass Martin S. ihrer Aufforderung sich auszuweisen, "ohne Weiteres | |
nachgekommen" sei. Dennoch ordnete der Gesamteinsatzleiter im Präsidium, | |
Peter Born, die nachträgliche Ingewahrsamnahme für mehrere Stunden an. Eine | |
Form der Freiheitsberaubung, die das Bundesverfassungsgericht im | |
Zusammenhang mit einer Bauwagenplatz-Besetzung in der Altonaer | |
Harkortstraße jüngst scharf verurteilt hat. | |
Dass diese "extra relevante Freiheitsberaubung" vielleicht als Sanktion | |
gereicht hätte, so Onkel, und die "Empörung über die sozialen Missstände | |
berechtigt" seien, sah Anklägerin Hantel-Maschke nun nicht mehr und | |
verlangte eine Bestrafung für diese "gezielte Aktion", der Richter Rußler | |
dann nachgekommen ist. Er führte im Urteil aus, dass es eine "geplante | |
Aktion" gewesen sei, bei der die Haustüren verbarrikadiert und Knallkörper | |
mitgebracht worden seien. Aber: "Es ist kein guter Zustand, Wohnungen leer | |
stehen zu lassen", sagte Rußler. Er unterstellte auch als "wahr", dass | |
Landschulze mehrfach gegen die Zweckentfremdungsverordnung verstoßen habe. | |
Protest dagegen sei legitim, aber eben nicht in dieser Form, sagte Rußler. | |
"Deshalb mussten sie dieses Verfahren über sich ergehen lassen." | |
21 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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Leerstand | |
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