| # taz.de -- Wohnungsmangel: Büroturm im Sperrgebiet | |
| > 6.000 Menschen demonstrieren in Hamburg gegen Leerstand. Den | |
| > Astra-Büroturm, der zu 70 Prozent leer steht, hat die Polizei aber | |
| > abgesperrt. Und die Presse darf nicht zu den eingekesselten | |
| > Demonstranten. | |
| Bild: Rund 6.000 Menschen haben in Hamburg für mehr bezahlbare Wohnungen und d… | |
| "Wir machen heute einen Tag der offenen Stadt", tönte es durch die | |
| Lautsprecher auf dem Campus der Hamburger Universität. Hier sammelten sich | |
| am Samstagmittag nach internen Polizeiangaben auf Initiative des Netzwerks | |
| "Recht auf Stadt" rund 6.000 Menschen, um gegen Büroleerstand und die | |
| schwarz-grüne Wohnungspolitik zu demonstrieren. Mit gebastelten Bürotürmen, | |
| Farbrollen und Umzugskisten im Gepäck zogen sie zum Astraturm im Statteil | |
| St. Pauli. | |
| Ziel war, symbolisch in den 68 Meter hohen Büroturm unweit der ehemals | |
| umkämpften Hafenstraße einzuziehen. Der fast neue Turm steht heute zu über | |
| 70 Prozent leer. Er ist gewissermaßen Pars pro Toto: Während in Hamburg | |
| bezahlbare Wohnungen rar werden, stehen andererseits rund 1,2 Millionen | |
| Quadratmeter Bürofläche leer. Trotzdem werden auch auf St. Pauli weitere | |
| Bürogebäude gebaut. | |
| Weil also dieses Problem ein umfassenderes ist, haben sich neben den 108 | |
| Organisationen und Initiativen, die zur Demonstration aufriefen, auch | |
| Gewerkschaften, der Flüchtlingsrat und die Bürgerinitiative zur Rettung des | |
| Altonaer Museums der Demonstration angeschlossen. | |
| "Mit einer Leerstandskampagne könnten jährlich allein 300 Wohnungen | |
| zusätzlich aus Zweckentfremdung geschaffen werden", sagt Marc Meyer vom | |
| Verein Mieter helfen Mietern. Die CDU habe das Wohnraumschutzgesetz derart | |
| aufgeweicht, dass es für Vermieter keine Meldepflicht für Leerstand mehr | |
| gebe. | |
| Hier wollte die Demonstration Zeichen setzen: "Es wurde soeben ein leer | |
| stehendes Haus in Benutzung genommen", sagte ein Sprecher am Samstag. | |
| Parallel rollen Aktivisten Transparente aus dem Fenster eines verlassenen | |
| Hauses: "Fette Fette Leerstandsparty" stand da; ein Bengalisches Feuer | |
| wurde gezündet. Das nächste leer stehende Haus auf der Route war dann schon | |
| von der Polizei abgeschirmt. Auf der Reeperbahn wurde ein weiteres | |
| Transparent vom Dach eines der vom Abriss bedrohten Esso-Häuser gerollt: | |
| "Wohnraum ist keine Ware. Mieten runter. Astraturm bewohnen". | |
| Bis zum Astraturm verlief die Demonstration friedlich. Dort allerdings | |
| wartete die Polizei. Sie hatte den Gebrüder-Wolf-Platz genau vor dem Turm | |
| abgesperrt, auf dem eigentlich die Abschlusskundgebung stattfinden sollte. | |
| Begründung: Das Umfeld des Astraturms sei Privatgelände und für die | |
| Demonstration nicht zugelassen. Eine Gruppe des Netzwerks "Recht auf | |
| Stadt", das am vorigen Wochenende ein leer stehendes Haus im Hamburger | |
| Schanzenviertel besetzt hatte, hatte sich deshalb aus der Demonstration | |
| gelöst und war auf die Reeperbahn gezogen. "Es wäre kein Problem gewesen, | |
| uns durchzulassen, aber dann haben sie einfach losgeprügelt", erzählte eine | |
| Teilnehmerin der Spontandemo über die Begegnung mit den Uniformierten. Mit | |
| dem Einsatzbefehl "Das sind die Leute, die wir eh schon haben wollten", | |
| hätten Beamte einer Hamburger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) | |
| die Gruppe vielmehr auf der Reeperbahn festgehalten - rund ein Dutzend | |
| Menschen. Sie hätten an einer "nicht angemeldete Demonstration" | |
| teilgenommen, so die Polizei. Journalisten durften nicht zu den | |
| Eingekesselten - obwohl es erst jüngst Übergriffe der Polizei auf | |
| Demonstranten gegeben hatte. "Sie stören die Einsatzkräfte", sagten die | |
| Polizisten vor Ort. | |
| Auch die Rechtslage blieb unklar: So bestritt der Einsatzleiter, dass es | |
| sich um eine Demonstration gehandelt habe. Vielmehr seien die Demonstranten | |
| wegen Flaschenwürfen festgesetzt worden. Dagegen spricht, dass ein | |
| Demonstrant selbst von einer Flasche getroffen und ins Krankenhaus gebracht | |
| wurde. | |
| Auch Polizeisprecher Mirko Schreiber gab sich hilflos. "Wenn der | |
| Einsatzleiter anordnet, niemanden durchzulassen, kann ich nichts machen", | |
| sagte er der taz. "Von hier aus ist doch auch alles gut zu sehen." Darauf, | |
| dass es sich doch um eine Demonstration handelte, deutet allerdings die | |
| Tatsache hin, dass Einsatzkräfte später ein beschlagnahmtes Transparent im | |
| Mannschaftswagen verstauten. | |
| Die taz prüft daher zurzeit, ob sie wegen Behinderung | |
| Fortsetzungsfeststellungsklage beim Verwaltungsgericht einreicht. Ein | |
| Vorstands-Mitglied der Hamburger Landespressekonferenz (LPK) hat die | |
| betroffenen Journalisten vom Rundfunksender FSK, der taz nord, dem | |
| Hamburger Abendblatt und der Bild aufgefordert, ihre schriftlichen Aussagen | |
| einzureichen, damit die LPK über den Ersten Bürgermeister Christoph Ahlhaus | |
| (CDU) bei Innensenator Heino Vahldieck (CDU) vorstellig werden kann. | |
| Auch Antje Möller, Vizefraktionsvorsitzende der mit regierenden | |
| Grün-Alternativen Liste (GAL), wird sich der Sache annehmen. "Die | |
| Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Die Vorfälle müssen umgehend aufgeklärt | |
| werden", sagte sie. | |
| 24 Oct 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
| Kai von Appen | |
| ## TAGS | |
| Leerstand | |
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