# taz.de -- Die Wahlnacht der Trump-Fans: „Lieber Arschloch statt Sozialismus… | |
> Die Anhänger Trumps sind in New York in der deutlichen Minderheit. In der | |
> Wahlnacht können sie ihr Glück kaum glauben. | |
Bild: Anhänger Donald Trumps am Dienstag Abend in New York | |
New York taz | Präsident Donald Trump. Selbst seine AnhängerInnen können es | |
kaum glauben. Als die ersten Trendmeldungen aus Swingstates über die | |
Bildschirme flimmern, sagt John Seravalli, der schon seit 20 Jahren gehofft | |
hat, dass der Immobilien- und Kasinomagnat als Präsidentschaftskandidat | |
antritt, vorsichtig: „Dies ist ein guter Abend.“ Mehr Euphorie wagt er | |
nicht. | |
In Kalifornien und anderen westlichen Bundesstaaten sind die Wahllokale | |
noch offen. Aber in der Bar in Downtown Manhattan lockern sich die Mienen. | |
Und John Seravalli strahlt bereits über das ganze Gesicht. Neben ihm sitzt | |
eine blonde junge Frau, die in San Francisco in einem Tech-Unternehmen | |
arbeitet. | |
Lydia Mazuryk verkündet schon Stunden vor dem Ende dieses langen Abends, | |
die Welt müsse sich daran gewöhnen, dass die USA anders auftreten werden. | |
„Es wird einen Neuanfang geben, bei dem unsere nationale Sicherheit in den | |
Vordergrund rückt“, prognostiziert sie. Das gelte sowohl für den Nahen | |
Osten und den Iran als auch für Russland und Nordkorea. | |
Dass Trump nie Außenpolitik gemacht hat, stört sie kein bisschen: „Er wird | |
sich mit klugen Beratern umgeben.“ Nach ihrer Ansicht hat er die richtigen | |
Themen angesprochen, die nicht nur die USA interessieren, sondern auch den | |
Rest der Welt: „In Deutschland habt ihr doch überall Flüchtlinge.“ | |
## Keine Klischee-Wähler | |
Zusammen mit mehreren Hundert jungen Republikanern sind die beiden, die | |
sich vor diesem Abend nicht kannten, in die Bar an der 27. Straße gekommen, | |
um die Wahlergebnisse anzuschauen. Fast alle sind unter 40, sie waren | |
Schulkinder, als Bill Clinton Präsident war, erinnern sich an seine | |
„wirtschaftlich eher gute“ Amtszeit, in der es zudem „fast keine Kriege, | |
außer dem auf dem Balkan“ gab, haben gut bezahlte und hoch qualifizierte | |
Jobs und sind oft weit gereist. Mit diesem Profil entsprechen sie nicht dem | |
Klischee der marginalisierten und verarmten Trump-Wähler aus wirtschaftlich | |
vernachlässigten Regionen des Landes. | |
Es kommt hinzu, dass sie in gesellschaftlichen Fragen liberaler sind als | |
Republikaner aus der tiefen Provinz. Anders als der künftige Vizepräsident | |
Mike Pence verteidigen die meisten von ihnen das Recht auf | |
Schwangerschaftsabbruch ebenso wie die gleichgeschlechtliche Ehe. Von Trump | |
glauben sie, dass er diese Meinungen teilt und sie lediglich in seiner | |
Kampagne zurückgehalten hat, um die evangelikalen Christen und den Apparat | |
der Republikanischen Partei nicht zu verschrecken. | |
Auf dem Trottoir vor der Bar triumphiert Matthew Tyrmand darüber, dass er | |
den Wahlausgang richtig vorausgesagt hat – „im Gegensatz zu den liberalen | |
Medien“, die nur auf die großen Städte an den Küsten schauten, aber keine | |
Ahnung von der Mitte des Landes hätten. Er war früher Wall-Street-Investor | |
und schreibt heute für das radikal rechte Medium Breitbart News, aus dem | |
Trump den letzten seiner Kampagnenchefs, Stephen Bannon, rekrutiert hat. | |
## Bitterer Wahlkampf | |
Tyrmand nennt die Präsidentschaftswahl in den USA ein „Referendum über den | |
Nationalstaat“, und er ist überzeugt davon, dass künftig die | |
internationalen Beziehungen bilateral werden: „Statt Davos, Brüssel und die | |
UNO.“ Was an diesem Abend geschehen ist, vergleicht er mit dem Brexit, über | |
den er aus Großbritannien berichtet hat. Trump ist für ihn das | |
US-amerikanische Pendant zu dem ungarischen Viktor Orbán, dem polnischen | |
Jarosław Kaczyński, dem Briten Nigel Farage und dem österreichischen | |
FPÖ-Mann Norbert Hofer. Zu Berlusconi hingegen sieht er nicht mehr als | |
„Analogien“. | |
Viele in der Bar sind allein gekommen. Ihre Kollegen, Freunde und Nachbarn | |
im mehrheitlich demokratischen New York sind „Liberals“ – demokratische | |
Wähler, mit denen sie nicht über Politik reden können. Insbesondere in den | |
zurückliegenden Wahlkampfmonaten haben sie bittere Situationen erlebt. Die | |
30-jährige Sarah verdrückt eine Träne, als sie von einem Abendessen | |
erzählt, bei dem es um Trump ging und der Satz fiel: „Wir können nicht | |
länger Freunde sein.“ Solche Reaktionen und „politische Korrektheit“ | |
betrachtet sie als Teil des Problems mit „Liberals“. | |
Sie meint: „Wir brauchen einen intelligenten politischen Diskurs.“ Sie ist | |
eine Geschäftsfrau und sie hat im Vorwahlkampf die Geschäftsfrau Carly | |
Fiorina unterstützt, die einzige Frau unter den 16 republikanischen | |
Kandidaten, der Trump bescheinigte, ihr Aussehen reiche nicht für eine | |
Präsidentschaftskandidatur. Sarah hätte Fiorina gern im Endspurt gegen | |
Clinton gesehen. Doch ihr fiel es nicht schwer, ihre Sympathie auf Trump | |
umzuleiten. Ihr gefällt, dass er ein Geschäftsmann ist, „das hatten wir im | |
Weißen Haus noch nie“, und dass er nie zuvor in der Politik war. Seine | |
radikalen politischen Vorschläge, wie die Wiedereinführung der Folter oder | |
die Abschiebung von Millionen Menschen, beunruhigen sie schon deswegen | |
nicht, weil sie sie „für Show“ hält. „Das tut jeder im Wahlkampf“, sa… | |
sie: „Hillary hat Dinge gesagt, die sie nicht meint, um die Wähler von | |
Bernie Sanders zu bekommen, und Trump wollte die Stimmen der Religiösen und | |
der Tea Party haben.“ | |
## Es lügen die anderen | |
Am Nachbartisch brechen fünf junge Republikaner in Jubel aus, als die | |
Ergebnisse aus Florida einlaufen. Ein Mann an dem Tisch, dessen Englisch | |
einen starken ausländischen Akzent hat, bedauert die Journalistin aus | |
Deutschland wegen ihrer Kanzlerin: „Merkel zerstört Deutschland.“ In Köln | |
würde sich niemand mehr auf die Straße trauen, lässt er den Tisch wissen, | |
an dem das eh schon alle wissen. | |
Die 25-jährige Amy, die kürzlich ihr Studium der Soziologie und der Gender | |
Studies abgeschlossen hat, beklagt, dass die „Liberals“ „immer versuchen, | |
dich umzustimmen“. Ursprünglich war sie ein Fan von Marco Rubio, aber | |
letztlich war ihr jeder andere als Hillary Clinton recht. Ihre Klageliste | |
über die unterlegene Präsidentschaftskandidatin ist lang: „Sie lügt, sie | |
hat einen illegalen Server eingerichtet, sie hat Tausende E-Mails gelöscht, | |
sie ist verantwortlich für die Toten in Bengasi und ihre Familienstiftung | |
nimmt Millionen von Ländern wie Saudi-Arabien, die Frauenrechte mit Füßen | |
treten.“ | |
Mit der 45-jährigen Eventplanerin Alicia, die neben ihr am Tisch sitzt, ist | |
sie sich einig darüber, dass Präsident Obama ein „Kommunist ist“. Und üb… | |
das Dutzend Frauen, die Donald Trump sexuelle Übergriffe vorwerfen, sagen | |
beide, dass sie „Lügnerinnen“ seien: „Sie haben Geld von der Kampagne der | |
Demokraten bekommen, oder sie wollten ein bisschen Ruhm.“ | |
## Schockiert, aber nicht genug | |
An ihrem Tisch sitzt auch eine 50-jährige blonde Schauspielerin. Ihren | |
Namen will sie nicht sagen, weil sie dann keinen Job mehr kriege: | |
„Hollywood ist so heuchlerisch.“ Aber den Namen ihres Helden trägt sie auf | |
einem Band um den Hals und auf ihrem T-Shirt, das von einer zurückliegenden | |
Olympiade stammt, ist „Go USA“ neben den Nationalfarben zu lesen. Einen | |
spendablen Sozialstaat könnten sich die USA nicht leisten, meint die | |
Schauspielerin, und zieht über die Mitglieder der „Underclass“ her, die | |
sich „wie die Kaninchen vermehren“. Die Mauer ist für sie eine | |
Selbstverständlichkeit: „Ich bin aus Texas.“ Und die frauenfeindlichen | |
Worte von Trump in einem Bus haben sie zwar schockiert, aber „wenn ich die | |
Wahl zwischen einem sozialistischen Land und einem Arschloch habe, das grob | |
mit Frauen umgeht, wähle ich Letzteres“. | |
Einer der Nichtweißen und zugleich einer der wenigen Älteren bei dem | |
Trump-Abend ist Afzaal Dewan, der vor 35 Jahren aus Pakistan in die USA | |
gekommen ist. Für ihn sind die traumatischen Erfahrungen seiner | |
christlichen Minderheit in Pakistan die Hauptbegründung für die Hoffnungen, | |
die er auf seinen künftigen Präsidenten richtet. „Ich bin mit ihnen | |
aufgewachsen“, sagt er über Muslime, „sie sind hinterhältig.“ Trumps | |
Ankündigung eines Einreisestopps für Muslime war für ihn das wichtigste | |
Argument, um ihn zu unterstützen. | |
9 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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