| # taz.de -- Sahra Wagenknecht über Trump: „Alle sind dann immer so geschockt… | |
| > Die Fraktionschefin der Linkspartei über die Zukunft der USA und die | |
| > Lehre, die Europa aus der Wahl Trumps mitnehmen sollte. | |
| Bild: „Trump wird die Weltpolitik verändern“, sagt Sarah Wagenknecht | |
| taz: Frau Wagenknecht, was bedeutet der Wahlsieg von Donald Trump für den | |
| Rest der Welt? | |
| Sahra Wagenknecht: Es ist davon auszugehen, dass Donald Trump als Präsident | |
| die Weltpolitik verändern wird. Allerdings ist er dabei relativ | |
| unberechenbar. Auf der einen Seite hat er im Wahlkampf martialische Sprüche | |
| geklopft, zum Beispiel, dass Atomwaffen dazu da sind, auch eingesetzt zu | |
| werden. Da kann einem natürlich angst und bange werden. Auf der anderen | |
| Seite hat er sich von Clinton abgesetzt und gesagt, er wolle mehr | |
| Kooperation, keine neuen Kriege. Letzten Endes hängt viel von seinem Stab | |
| ab. Es ist ja noch unklar, wer etwa Außenminister wird. | |
| Immerhin gab es im Vorfeld diverse Ankündigungen, zum Beispiel die, dass | |
| Trump eine Mauer zu Mexiko bauen wolle. Wird er sich daran halten – schon | |
| allein, um für seine WählerInnen glaubwürdig zu bleiben? | |
| Trump ist auch gewählt worden als einer, von dem man wusste, dass er in | |
| vielen Fragen die Unwahrheit sagt. Aber sogar dabei wirkte er offenbar für | |
| viele immer noch authentischer als Hillary Clinton, die im Lichte ihrer | |
| gesamten Biografie als korrupt und verlogen dastand. Man hatte also zwei | |
| Kandidaten, die nicht den Ruf hatten, auch nur halbwegs ehrlich zu sein. Ob | |
| Trump jetzt wirklich seine Ankündigungen einlöst, ist völlig offen. | |
| Eine gewisse Angst besteht. In Mexiko sind am Mittwoch die Börsenkurse | |
| stark gefallen – die Befürchtung, dass er diese Drohung wahrmacht, gibt es | |
| also. | |
| Trump wird auf jeden Fall eine restriktivere Einwanderungspolitik | |
| betreiben. In welcher Form – also ob demnächst weitere Mauern gebaut werden | |
| –, wird sich zeigen. Man muss das vielleicht auch etwas relativieren: | |
| Mauern an der Grenze zu Mexiko zu bauen ist nicht originär Trumps Idee, | |
| schon heute wird an dieser Grenze teilweise scharf geschossen. | |
| Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigte sich heute Morgen | |
| „geschockt“ von Trumps Wahl. Was bedeutet das für das transatlantische | |
| Verhältnis? | |
| Ach, sie sind dann immer alle so geschockt, beim Brexit war das genauso, | |
| und dann machen sie trotzdem weiter wie bisher. So überraschend finde ich | |
| das Ergebnis nicht. In den USA liegen die mittleren Löhne heute niedriger | |
| als vor 40 Jahren, alle Zugewinne sind in die Taschen der oberen | |
| Zehntausend geflossen. Wenn man in einer Demokratie über viele Jahre hinweg | |
| immer Politik gegen die Mehrheit macht, rebellieren die Menschen | |
| irgendwann. Wenn sich das nicht ändert, werden wir in den nächsten Jahren | |
| noch sehr oft „geschockt“ sein. Zentral für die deutsche Außenpolitik muss | |
| jetzt sein, eine eigenständige Politik zu machen, sich aus der | |
| Unterwürfigkeit gegenüber den USA zu lösen. Das wäre längst nötig gewesen, | |
| jetzt umso mehr: Europa darf nicht jede Pirouette, die Herr Trump | |
| vielleicht dreht, mitmachen, sondern es muss seine eigenen Interessen in | |
| den Mittelpunkt stellen. | |
| Das dürfte Trump ja gar nicht so fern liegen. Die Nato-Partner müssten sich | |
| künftig stärker selbst um ihre Verteidigung kümmern, hatte er im Vorfeld | |
| gesagt. | |
| Es wäre ja nur gut, wenn es nicht noch mehr US-geführte Interventionskriege | |
| gäbe, sie haben nur Unheil auf dieser Welt angerichtet. Wenn sich die USA | |
| in dieser Hinsicht zurücknehmen würden, wäre das ein großer Fortschritt. | |
| Das sollte für Europa aber nicht heißen, dass es dann auf eigene Faust | |
| Kriege führt, sondern dass es endlich auf friedliche Konfliktlösungen, auf | |
| Diplomatie setzt. Das ist dringend notwendig. Aber auch da müssen wir | |
| abwarten: In allen Kriegen ging es um wirtschaftliche Interessen, um | |
| Rohstoffe, Öl, Einflussnahme. Ob sich Trump wirklich von dem Establishment | |
| der USA löst, das genau das fordert, müssen wir sehen. | |
| Zumindest TTIP dürfte vor dem Aus stehen. | |
| Ja, hoffentlich. Wahr ist allerdings auch: Die US-Wirtschaft braucht TTIP | |
| nicht mehr, wenn es Ceta gibt. 80 Prozent der US-Konzerne haben Filialen in | |
| Kanada, weshalb sie ganz bequem alle Vorteile dieses Abkommens nutzen | |
| können. | |
| Gibt es Hinweise darauf, wie eine Syrienpolitik unter Trump aussehen | |
| könnte? Präsident Putin hat Trump bereits gratuliert. | |
| Ich hoffe, dass es keine Eskalation geben wird, wie sie unter Clinton zu | |
| erwarten gewesen wäre, und dass der Weg, den am Schluss ja auch Obama | |
| beschritten hat, weitergegangen wird: Der Versuch, auch mit Russland zu | |
| kooperieren, um den IS zu bekämpfen. | |
| Bedeutet Trumps Wahl Auftrieb für Europas Rechte? | |
| Wäre Bernie Sanders der Gegenkandidat der Demokraten gewesen, würden wir | |
| über einen Präsidenten Trump jetzt nicht sprechen. Für Europa heißt das: | |
| Mit Kandidaten, die wie Clinton für ein „Weiter so“ neoliberaler Politik | |
| stehen, verstärkt man den Rechtstrend. Das sollte vor allem der SPD zu | |
| denken geben. Wenn wir nicht wollen, dass nationalistische Kräfte stark | |
| werden, müssen wir endlich eine andere Politik machen und den Sozialstaat | |
| wiederherstellen, der die Menschen vor dem sozialen Absturz schützt. Wenn | |
| uns das nicht gelingt, ist der Blick in die USA auch ein Blick in Europas | |
| Zukunft. | |
| 10 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Die Linke | |
| Donald Trump | |
| Sahra Wagenknecht | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt TTIP | |
| Schwerpunkt TTIP | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Schwerpunkt TTIP | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| USA | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Linke im Bundestagswahlkampf: Wagenknecht an der Spitze in NRW | |
| Die Landtagswahl kommt zwar zuerst, doch Piraten und Linke beschäftigten | |
| sich schon mit der Bundestagswahl. In NRW haben sie ihr Spitzenpersonal | |
| gekürt. | |
| Strategie der Linken im Wahlkampf: Wagenknecht jagt AfD-Wähler | |
| AfD-Wähler seien angeblich die Abgehängten, die Frustrierten, heißt es. | |
| Denen will die Linken-Spitzenkandidatin Wagenknecht eine Alternative | |
| bieten. | |
| Bundestagswahl 2017: Linke sucht Spitzenteam | |
| Am Wochenende soll entschieden werden, wer die Linkspartei in den Wahlkampf | |
| führt. Harmonisch geht es dabei nicht zu. | |
| TTIP liegt nach Trumps Wahlsieg auf Eis: Vielleicht Jahre, vielleicht auch nie | |
| Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström spricht von einer „Pause“ | |
| in den Verhandlungen. Frankreich hingegen erklärt TTIP für „tot“. | |
| Donald Trump und der freie Handel: Falscher Freund | |
| Donald Trump wettert gegen Freihandelsabkommen. Mit den Ideen linker | |
| Globalisierungskritiker hat das aber wenig zu tun. | |
| Nach der US-Präsidentschaftswahl: Option auswandern | |
| Das Wahlergebnis führt tausende US-Bürger auf die Straße. Sie wollen Trump | |
| nicht als Präsident. Einige informieren sich schon mal über ein Leben | |
| anderswo. | |
| Die EU nach dem Sieg Trumps: Großalarm in Brüssel | |
| Trumps Triumph ist für die EU ein Schock. Sie will den Republikaner auf | |
| gemeinsame Werte verpflichten, so schnell wie möglich – doch wie? | |
| Die Wahlnacht der Trump-Fans: „Lieber Arschloch statt Sozialismus“ | |
| Die Anhänger Trumps sind in New York in der deutlichen Minderheit. In der | |
| Wahlnacht können sie ihr Glück kaum glauben. | |
| taz-Liveticker zur US-Wahl 2016: Es ist ein Trump | |
| Es ist passiert: Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Während | |
| europäische Rechtspopulisten jubeln, äußern viele Politiker Besorgnis. |