# taz.de -- taz-MitarbeiterInnen zur US-Wahl: „Mein Rückflug ist gebucht“ | |
> Mitten im Trubel nach einer dramatischen Wahlnacht teilen KollegInnen aus | |
> Verlag und Redaktion ihre Gedanken zu Trumps Sieg. | |
Bild: Donald Trump grüßt Kreuzberg, Kreuzberg grüßt zurück | |
Wir erleben die Wende zu einem weltweiten Faschismus 2.0. Das Werkzeug und | |
die Daten der globalen Überwachung befinden sich in den Händen eines | |
chauvinistischen Machthabers. Was das für alle Andersdenkenden bedeutet und | |
wie dieses Wissen zur Stützung und Macht einer radikalen Regierung | |
eingesetzt werden wird – Daten über Milliarden Menschen, diplomatische | |
Kompromate, um Kritiker und Regierungen gefügig zu machen, psychologische | |
Dossiers – das ist beispiellos in der Dimension und eine historische Zäsur. | |
Kai Schlieter, Reportageressort | |
*** | |
Ich kann es nicht fassen. Wie konnte das passieren? Ich habe Clinton | |
gewählt, meine Freund*innen in den USA haben Clinton gewählt, meine Familie | |
auch. Wer sind diese Menschen, die Trump gewählt haben? Ich dachte, er sei | |
größenwahnsinnig, ein Rassist, ein Sexist, der nie gewählt werden würde. | |
Scheinbar bin ich diejenige, die wahnsinnig ist. Weil ich gedacht habe, | |
dass das nicht passieren kann. Valerie Höhne, Redaktionspraktikantin | |
*** | |
Was sind das für postfaktische Zeiten, in denen man morgens aufwacht und | |
die Welt eine andere ist? | |
Vielleicht geht jetzt der Kampf los. Ein Kampf für Gerechtigkeit, | |
Diversität und Zusammenhalt. Ein Kampf um Erreichtes und Geschafftes. Ein | |
Kampf, den wir uns nicht mehr vorstellen konnten – im 21. Jahrhundert. Und | |
ja, es wird ein Kampf. Es wird nicht mehr ausreichen auf „Die da“ zu zeigen | |
und „Die Entwicklungen“ zu beklagen. Wir alle sind ab heute aufgefordert zu | |
Handeln. Es ist die Stunde, in der wir unsere Liebe und unseren Verstand | |
walten lassen müssen. Dies werden die Mittel sein, mit denen gekämpft | |
werden muss. David Prinz, Verlagspraktikant | |
*** | |
Bernie Sanders 2020! Und: Vielleicht hatte Zizek doch Recht. René Hamann, | |
Autor und Redakteur | |
*** | |
Der Sieg Trumps ist auch der Niedergang des intellektuellen Diskurses. Was | |
sind sie noch Wert, die ausgewogenen Worte und fundierten Argumente der | |
Intellektuellen, wenn sie offenbar kein Gehör mehr finden. Und wohin führen | |
uns Diskurse, die ohne wirklich kluge Antworten auskommen? Kristof Botka, | |
Redaktionspraktikant | |
*** | |
„Mein Rückflug ist gebucht.“ Barbara Junge, stellvertretende | |
Chefredakteurin, derzeit in New York | |
*** | |
1. Politiker, die etwas zu sagen haben, heißen bei uns im Gespräch mit den | |
Kindern „Bestimmer“. Trump wurde am Frühstückstisch zum „bösen Bestimm… | |
das zusammenfassend, was wir vorher erklärt haben. Will Mauern bauen, hasst | |
Migranten und den Islam, diese Sachen. Die ältere Tochter, heute 7, fragt: | |
„Bleibt der böse Bestimmer jetzt immer?“ Die Antwort: „Naja, wahrscheinl… | |
vier Jahre. Wenn Du 11 bist.“ Was wird dann sein? | |
2. Obama hatte Recht. Er hatte am Abend der Wahl gesagt, morgen werde die | |
Sonne wieder aufgehen. Das war so, ein zartrosafarbener Morgenhimmel | |
beleuchtete unsere kleine Welt. Beruhigend irgendwie. Aber dann, auf dem | |
Weg zur Arbeit, sah ich eine tote Ratte am Wegesrand liegen. Ein Vogel | |
hatte ihr bereits die Innereien aus dem Leib gepickt. Felix Zimmermann, | |
Wochenendressort | |
*** | |
Vielleicht hat die Trump-Wahl ja etwas Positives. Seine demonstrative Nähe | |
zu Putin wird viele mittel- und osteuropäische Länder, allen voran Polen, | |
wieder stärker in Richtung Europäische Union rücken lassen. Die Spaltung in | |
ein „altes“ und „neues“ Europa, die die Bush-Regierung einst befeuert h… | |
könnte ausgerechnet vom Nachfolger des Republikaners zu den Akten gelegt | |
werden. Mal sehen, ob Europa die Steilvorlage annimmt. Uwe Rada, | |
Berlinressort | |
*** | |
Dienstagabend mit meiner Mutter telefoniert. Sie fragte: „Und, was glaubst | |
du, wer gewinnt?“ Ich antwortete: „Ich denke Clinton. Obwohl, ich hätte | |
auch gedacht, dass die Briten gegen den Brexit stimmen.“ Tja. Anna Grieben, | |
Onlineressort | |
*** | |
Nach 9/11 jetzt 11/9 – Regie bei der US-Wahl: Nostradamus | |
Im Hohen Venn in Ostbelgien gibt es einen Weiler mit Namen Baraque Michel. | |
Es ist dies der einzige Ort der Welt, der das scheidende US-Präsidentenpaar | |
im Namen trägt, wenn auch in marginal anderer Schreibweise, aber gleich | |
ausgesprochen. Putzig, zufällig? Nein! Bei seiner Wahl zum Präsidenten war | |
Barack Obama im 48. Lebensjahr, Gattin Michelle im 45. Man muss kein | |
Nostradamus sein, um bei der Postleitzahl von Baraque Michel zu stutzen: | |
4845! | |
Um diese Zusammenhänge wissend, hätte man die Wahl 2016 leicht voraussehen | |
können. Donald Trump ist 1946 geboren, seine derzeitige Gattin Melanie | |
1970. Ohne die Liebe anzweifeln zu wollen, scheint alles nach einem großen | |
Plan abzulaufen. Just als er 70 ist und sie 46, boxt er die Kandidatur | |
durch und wird auch noch gewählt. Wann stand das Ergebnis fest? Erst als | |
längst auch in Washington der 9. November angebrochen war. Nach 9/11 hat | |
die zivilisierte Welt nun ihre nächste Katastrophe: 11/9. Der neue | |
Präsident hat diabolisch gelacht. Bernd Müllender, Autor | |
*** | |
Willkommen im Club! Putin hat die Ukrainer dazu gebracht, sich neu zu | |
definieren. Dank Trump werden sich nun die Europäer eine neue Definition | |
für die Demokratie überlegen müssen. Wir schaffen das. Irina Serdyuk, | |
Auslandsressort | |
*** | |
Nach Brexit, nun Trump: Beides irgendwie unvorstellbar, beides vom Wahlvolk | |
so gewollt. Vielleicht sollte sich die sich selbst als aufgeklärt und | |
irgendwie modern und progressiv verstehende Mitte der Gesellschaft fragen, | |
ob sie | |
a) ihre Überzeugungen für zu selbstverständlich nimmt und deswegen nicht | |
(mehr) genug dafür wirbt | |
oder b) einsehen, dass vieles von dem, was „wir“ als Mehrheitsmeinung, weil | |
gut und vernünftig, ansehen, vielleicht alles mögliche ist – nur nicht die | |
Meinung einer großen Mehrheit. | |
Denn die meisten Stimmen hat am Dienstag der Kandidat bekommen, der mal | |
rassistisch, mal sexistisch, mal homophob, mal alles zusammen ist. Und für | |
die Mehrheit der WählerInnen scheint das okay zu sein. Und was heißt das | |
für die Zukunft? Keine Ahnung, fragen Sie die Meinungsforscher. | |
Obwohl…besser nicht. Jürn Kruse, taz2-Ressort | |
*** | |
Auf dem Weg zum Kindergarten, in einer vollen U-Bahn, in der man | |
Schockstarre nicht von Morgenträgheit unterscheiden kann, telefoniere ich | |
mit einem Kollegen: Das kann alles nicht wahr sein, wir müssen sofort eine | |
Konferenz machen, Themenpläne umschmeißen, ich kann kaum klar denken, in | |
welcher Welt leben wir nun, ja, wir reden gleich, wenn ich in der Redaktion | |
bin. „Mama, wer war das?“, fragt mein Sohn, drei Jahre alt, als ich | |
aufgelegt habe. Das war Felix, der arbeitet mit mir. „Und warum hat der | |
angerufen?“ | |
Gestern abend hatte ich ihm das mit Trump beim Abendessen erklärt, er | |
wollte wissen, worüber wir sprechen, mein Freund und ich. In Amerika wird | |
der Präsident gewählt, sagte ich. Das ist sowas ähnliches wie ein König, | |
nur das man ihn sich aussuchen kann. Wahl – das heißt, jeder kann ein Kreuz | |
auf einem Zettel machen und dann zählt man die Kreuze und der Mensch, der | |
die meisten Kreuze bekommen hat, gewinnt. Mein Sohn hat dann gefragt, ob | |
Pina da auch mitmacht hat, bei der Sache mit den Kreuzen, wo einer gewinnt. | |
Pina ist drei Jahre alt, sie geht mit ihm in den Kindergarten und war | |
diesen Sommer im Urlaub in Amerika. „Mama, warum hat der Felix angerufen?“, | |
fragt mein Sohn also in der U-Bahn von der Seite. Wegen der Wahl in | |
Amerika, sage ich. Seine Augen kriegen diesen begeisterten Ausdruck, den | |
sie beim Auspacken von Kaubonbons haben. „Gibt es da Wale?“, fragt er. Zum | |
ersten Mal an diesem Morgen lacht neben uns ein Mensch laut auf. Luise | |
Strothmann, Wochenendressort | |
*** | |
Ein guter Führer braucht eine gute Frisur. So viel zumindest steht nach der | |
fertiggestellten US-Wahl fest. Wie die Wahrheit gestern kurz vor | |
Kontorschluss aus dem Umfeld des Berliner Promifriseurs Udo Waltz erfuhr, | |
plant „Trumpi“, wie ihn unterrichtete Coiffeur-Kreise nennen, als ersten | |
Gang, „nachdem ich bis in die Puppen gepennt habe“ (O-Ton Trumpi), den zum | |
Barbier. Dort will sich der Rotblondschopf einen glatzenartigen, | |
raspelkurzen Topfhaarschnitt vom Scherenschleifer seines Vertrauens | |
verpassen lassen. „Die Tollentage sind vorbei, jetzt muss es morgens | |
schnell unter der Dusche gehen“, wird Trumpi zitiert. Harriet Wolff, | |
Wahrheitsressort | |
9 Nov 2016 | |
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