# taz.de -- Initiative Tierwohl ohne Tierschützer: Fleischhändler allein zu H… | |
> „ProVieh“ tritt aus dem Branchenprojekt für artgerechtere | |
> Fleischerzeugung aus. Anlass waren Videos über üble Haltungsbedingungen. | |
Bild: Miserable Haltung: In den Ställen der Fleischerzeuger geht es oft eng zu | |
Berlin taz | Als letzte Tierschutzorganisation verlässt „[1][ProVieh]“ die | |
[2][Initiative Tierwohl], mit der Lidl, Edeka und andere Handelskonzerne | |
eine artgerechtere Fleischerzeugung finanzieren. „Unser Vorstand hat am | |
Freitag beschlossen, dass wir mit sofortiger Wirkung aus dem | |
Beraterausschuss der Initiative austreten“, sagte Fachreferentin Angela | |
Dinter der taz vor der für Montag geplanten offiziellen Bekanntgabe. | |
Vorstandsmitglied Udo Hansen bestätigte das. | |
Anlass seien die von Tierrechtlern aufgenommenen Videos von miserablen | |
Haltungsbedingungen in Ställen, die die Initiative zertifiziert hat. Der | |
Deutsche Tierschutzbund hatte bereits Mitte Oktober seinen Ausstieg | |
erklärt. Auch er wollte die Initiative nicht mehr mit seinem Namen | |
legitimieren. | |
Die Initiative ist das wichtigste Projekt von Landwirtschaft, | |
Schlachtbranche und Handel, um auf die Dauerkritik an den | |
Haltungsbedingungen in konventionellen Ställen zu reagieren. | |
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied sagte gerade, mit ihr sei ein | |
„historischer Fortschritt“ gelungen, weil kein Tierschutzprogramm einen so | |
hohen Marktanteil habe. | |
Die Initiative bezahlt derzeit 3.200 Landwirte dafür, dass sie Maßnahmen | |
für mehr Tierschutz in der Schweine-, Masthuhn oder Putenhaltung umsetzen. | |
Geld gibt es zum Beispiel für [3][10 Prozent mehr Platz im Schweinestall] | |
als gesetzlich vorgeschrieben ist. 11 Einzelhändler wie Rewe, Aldi und Real | |
zahlen dieses Jahr [4][85 Millionen Euro] in den 2015 eingerichteten Fonds | |
der Initiative. | |
## Monotonie und Kannibalismus | |
ProVieh hatte das System anfangs mitkonzipiert, die Details legten die | |
Wirtschaftsvertreter dann aber ohne die Tierschützer fest. Den Aktivisten | |
waren die konkreten Regeln zu anspruchslos. Sie hofften jedoch, dass die | |
Bedingungen in ihrem Sinne weiterentwickelt werden. Vor allem kritisierte | |
ProVieh, dass die Landwirte das Kriterium „Ständiger Zugang zu Raufutter“ | |
wie Stroh oder Heu durch andere Maßnahmen wie „zusätzliches organisches | |
Beschäftigungsmaterial“ ersetzen dürfen. | |
„Wenn man da ein Stück Holz reinwirft, dann ist das organisches | |
Beschäftigungsmaterial“, erläuterte Dinter. „Das Schwein beschäftigt sich | |
damit aber nur 10 Minuten und dann findet es das todlangweilig. Das ist | |
eine Alibigeschichte. Schweine brauchen Heu.“ Es sei auch nicht | |
nachweisbar, dass die Tiere ständig oder nur zum Zeitpunkt der bis zu 48 | |
Stunden vorher angekündigten Kontrolle Zugang zu Raufutter hatten. Die | |
Monotonie in konventionellen Ställen gilt als eine Ursache von | |
Verhaltensstörungen wie Kannibalismus. | |
Das Regelwerk hatte auch schon der Tierschutzbund moniert. „Nachdem der | |
Verband ausgestiegen war, haben wir noch einmal effektivere | |
Pflichtkriterien verlangt. Wir haben auch mit unserem Ausstieg gedroht. | |
Aber da ist rein gar nichts passiert“, so Dinter. Die Vorschläge des | |
Beraterausschusses sind unverbindlich, die Entscheidungen treffen die | |
Gesellschafter der Initiative. | |
Als dann noch die Tierrechtsorganisationen Ariwa und [5][Soko Tierschutz] | |
Bilder von schwerverletzten, kranken und verwesenden Schweinen aus | |
Betrieben der Initiative veröffentlichten, sei ProVieh klar geworden: „Das | |
ist für uns auf keinen Fall mehr tragbar. Wir wollen nicht in der nächsten | |
Horrormeldung erwähnt werden.“ | |
Weil die Initiative sich nicht weiterentwickle, urteilt die Tierschützerin: | |
„Das Projekt ist gescheitert. Es hat seine Glaubwürdigkeit verloren. Wir | |
fordern das Ende der Initiative Tierwohl.“ Denn sie spiegele den | |
Verbrauchern vor, die Haltungsbedingungen würden bedeutend besser. | |
„Freiwillige Initiativen der Branche halten wir mittlerweile für den | |
falschen Weg“, sagte Dinter. ProVieh fordere stattdessen neue Gesetze: zum | |
Beispiel eine Pflicht, die Haltungsmethode auf Fleisch- und Milchprodukten | |
ähnlich wie auf Eiern zu kennzeichnen. | |
Die Initiative war am Sonntag nicht für eine Stellungnahme erreichbar. | |
23 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.provieh.de/ | |
[2] http://initiative-tierwohl.de/ | |
[3] http://initiative-tierwohl.de/wp-content/uploads/2015/04/20141127_Handbuch_… | |
[4] http://initiative-tierwohl.de/zahlen-und-fakten/ | |
[5] /Archiv-Suche/!5347620&s=tierwohl/ | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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