| # taz.de -- Strafverfolgung von Bloggern: Presseausweis für alle | |
| > Die Grünen wollen „Gelegenheitsblogger“ besser vor Strafverfolgung | |
| > schützen. Sie warnen gleichzeitig vor negativen Folgen. | |
| Bild: Nicht nur Journalisten schreiben das Internet voll | |
| Sollen auch „Gelegenheitsblogger“ künftig besser vor Strafverfolgung | |
| geschützt werden? Die Grünen fordern das [1][in einem Antrag], der Lehren | |
| aus der Netzpolitik-Affäre des letzten Jahres zieht. Richtig überzeugt sind | |
| die Grünen von ihrer Forderung aber nicht. In der Begründung des Antrags | |
| warnen sie, dass dies auch Vorteile „für Extremisten, Rassisten, | |
| Menschenfeinde, Kriminelle“ bringen könnte und damit „Missbrauch aller Art… | |
| erleichtern würde. | |
| Wer aber sind diese ominösen „Gelegenheitsblogger“? Um Markus Beckedahl und | |
| André Meister von [2][netzpolitik.org], gegen die im Vorjahr wegen | |
| Landesverrats ermittelt wurde, geht es dabei sicher nicht. Diese leben von | |
| netzpolitik.org und sind damit hauptberufliche Journalisten. | |
| Gelegenheitsblogger sind vor allem Leute, die ihr Geld auf andere Weise | |
| verdienen und für die das Bloggen Hobby oder politisches Engagement ist. | |
| Darunter sind einerseits Motzblogger, die nur übellaunig und inkompetent | |
| das Weltgeschehen kommentieren. Auf der anderen Seite geht es aber auch um | |
| Premiumblogger wie Udo Vetter, der sein Geld als Anwalt verdient, nebenbei | |
| aber auf dem [3][lawblog] auch fundiert und unterhaltsam über juristische | |
| Themen schreibt. | |
| Die Chance auf einen Presseausweis haben Gelegenheitsblogger nicht. Denn | |
| die Journalistenverbände DJV und dju/Verdi vergeben den Ausweis nur an | |
| Hauptberufler, die überwiegend von ihrer journalistischen Arbeit leben. | |
| Allerdings spielt der Presseausweis in der Praxis auch keine große Rolle. | |
| „Am wichtigsten ist der Ausweis, wenn ein Journalist einen von der Polizei | |
| abgesperrten Unfall- oder Tatort betreten möchte und dann mit dem | |
| Presseausweis zeigen kann, dass er kein Schaulustiger ist“, so eine | |
| DJV-Sprecherin. | |
| Die meisten Journalistenrechte hängen eh nicht vom Presseausweis ab, | |
| sondern beziehen sich auf konkrete journalistische Recherche. So kann der | |
| Auskunftsanspruch der Presse auch von nebenberuflichen Journalisten | |
| wahrgenommen werden. Für Internetmedien, auch für journalistische Blogs, | |
| gibt es sogar einen eigenen Auskunftsanspruch im Rundfunkstaatsvertrag. | |
| ## Qualität darf kein Kriterium sein | |
| Auch strafprozessuale Privilegien für Journalisten – vom | |
| Zeugnisverweigerungsrecht über das Beschlagnahmeverbot bis hin zur | |
| Abhörbeschränkung – setzen keine Hauptberuflichkeit voraus, auch hier | |
| genügt Nebenberuflichkeit. Ungeschützt bleibt allerdings der Hobbyblogger, | |
| den niemand bezahlt und der auch nicht auf Werbung oder Spenden setzt. | |
| Dabei spricht viel dafür, dass sich auch solche Hobbyblogger auf die | |
| Medienfreiheit des Grundgesetzes berufen können. Denn sie wenden sich an | |
| eine unbestimmte Vielzahl von Menschen und tragen so zur öffentlichen | |
| Meinungsbildung bei. Es ist auch nicht erforderlich, dass Blogger selbst | |
| recherchieren; Journalisten dürfen sich durchaus aufs Bewerten, | |
| Kommentieren und Kritisieren beschränken. | |
| Die Seriosität und Qualität der Texte darf dabei ohnehin kein Kriterium | |
| sein. Für die Presse hat das Bundesverfassungsgericht das schon oft | |
| festgestellt. Auch für Wutblogger gelten dann aber die üblichen Regeln: | |
| Beleidigungen und Verleumdungen sind strafbar. Wer lügt, verletzt den | |
| Pressekodex und kann vom Presserat gerügt werden. | |
| 2 Nov 2016 | |
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| [2] https://netzpolitik.org/ | |
| [3] https://www.lawblog.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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