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# taz.de -- Willy Fleckhaus-Ausstellung in Köln: Klarheit schaffen
> Der Journalist und Designer Willy Fleckhaus war ein hemmungsloser
> Bildbeschneider. Aber auch ein Gestalter der jungen Bundesrepublik.
Bild: In der von Fleckhaus designten Edition Suhrkamp kam der revolutionäre un…
Eigentlich sollte die Arbeitswelt im Mittelpunkt stehen, als Willy
Fleckhaus für die Kölner Gewerkschaftszeitschrift Aufwärts verpflichtet
wurde. Anfangs tat der junge Journalist wohl brav seinen Dienst. Doch kaum
hatte er sich vom Schreiben abgewandt und die gestalterische Leitung
übernommen, modelte er das biedere Jugendmagazin des DGB in ein
ambitioniertes Kulturjournal um. Anstatt wie gewohnt über berufliche
Bildung und Verbandsaktivitäten zu informieren, berichtete das Blatt nun
lieber über Fotoausstellungen wie „The Family of Man“ und die Ulmer
Hochschule für Gestaltung.
Der inhaltlichen Neuausrichtung entsprach der visuelle Relaunch des
Aufwärts. Willy Fleckhaus setzte Fotos nicht mehr ein, um lediglich
Ereignisse zu illustrieren, sondern um wirkmächtig Geschichten zu erzählen.
Indes mochte die traditionelle Leserschaft dabei nicht so recht mitziehen.
In einer Umfrage beklagte sie das hohe Niveau der Texte und den Mangel an
Rätseln. Dennoch wollte sich der Gewerkschaftsverlag erst von Fleckhaus
trennen, als Der Spiegel dessen heimliche Mitarbeit an einer
Wahlkampfillustrierten der CDU enthüllte. Der „erklärte
Wehrdienstverweigerer“ habe sich nicht gescheut, „für gutes Geld aus dem
Bundespresseamt gleich in einer der ersten Nummern von Bleib im Bild einige
Seiten zum Thema Bundeswehr zu gestalten“.
Wie hoch aber die Honorare von Willy Fleckhaus im Vergleich zu anderen
Grafikdesignern seiner Zeit tatsächlich waren, ist in der seinem Werk
gewidmeten Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst nicht zu
erfahren. Es wäre auch nicht weiter von Belang, wenn in der Literatur über
ihn nicht immer wieder vom „teuersten Bleistift Deutschlands“ die Rede
wäre.
Der 1925 in Velbert geborene Autodidakt entwarf Ausstellungen, Kataloge,
Briefmarken, Schallplattenhüllen und Logos, etwa das vom WDR und der Aktion
„Ein Herz für Kinder“. Berühmt aber wurde er durch seine Gestaltung von
Zeitschriften und Buchreihen.
Dass sich die von Hans-Michael Koetzle vorzüglich kuratierte Schau auf
diese beiden Bereiche konzentriert, erlaubt es, anschaulich zu machen, wie
Fleckhaus grafische Stilmittel einsetzte. Bei den Zeitschriften gelingt
dies besonders gut in der direkten Gegenüberstellung von Ausgaben, die vor
der Mitarbeit von Fleckhaus veröffentlicht wurden und nachdem er die
Gestaltung übernommen hatte. Dem Aufwärts verpasste er ein größeres Format,
strukturierte die Seiten in Rastern, setzte auf klare Typografie und starke
Fotos.
Dabei entpuppte er sich als hemmungsloser Bildbeschneider, der um der
idealen Optik willen auf Autorenschaft keine Rücksicht nahm. Die
Ausstellung zeigt ein Foto, auf dem Fleckhaus nicht nur den Abstand
zwischen zwei Personen verringerte, sondern die eine auch noch
seitenverkehrt spiegelte. So ein selbstherrliches Eingreifen dürfte sich
heute wohl kein Bildchef mehr erlauben. Dafür beauftragte Fleckhaus
bevorzugt Nachwuchstalente wie Thomas Höpker, die ihm bei den
Fotowettbewerben der photokina aufgefallen waren.
Auch der Fotograf Will McBride war noch nahezu unbekannt, als er von
Fleckhaus für das Magazin twen entdeckt wurde. Dessen dynamische
Fotografien von jugendlichen Milieus vermittelten dem Betrachter die
Illusion, unmittelbar am quirligen Geschehen und Zeitgeist teilzuhaben. Mit
twen schuf Fleckhaus ein Lifestylemagazin, in dem sich rückblickend das
Lebensgefühl einer Generation widerspiegelte. Zehn Jahre später gelang ihm
mit dem Magazin der FAZ ein weiterer Coup. Die Architektur der Doppelseite,
der Einsatz von Leerraum, freigestellte Bilder und die enge Verbindung von
Schrift, Illustration und Fotografie setzten Maßstäbe. Zunehmend widmete
sich Fleckhaus jedoch Themen aus der Kulinarik und des Reisens.
Nicht weniger gerühmt wurde der Mann, der den Begriff Art Director in
Deutschland etablierte, für die von ihm entworfenen Buchreihen des Suhrkamp
Verlags. Seine Gestaltung stand für Klarheit, Prägnanz und hohen
Wiedererkennungswert. Im Design der regenbogenfarbenen edition suhrkamp
kamen zudem die Vielfalt der aktuellen Theoriebildung sowie der
revolutionäre und diskursfreudige Geist der Zeit zum Ausdruck. 1983 starb
der Workaholic Fleckhaus an einem Herzinfarkt.
3 Oct 2016
## AUTOREN
Markus Weckesser
## TAGS
Literatur
Buch
Bücher
Suhrkamp
zeitgenössische Fotografie
Moskau
Joseph Beuys
Feminismus
Claus Leggewie
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