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# taz.de -- Ausstellung von Jock Sturges in Moskau: Fotos und Fäkalien
> Eine ehrenamtliche Sittenpolizei schließt die Fotoschau von Jock Sturges
> in Moskau. Besucht hat die Ausstellung keiner der Beschwerdeführer.
Bild: Anton Zwetkow von der Organisation „Offiziere Russlands“ neben einem …
Wer sich im Zuge der konservativen Neugeburt Russlands als Sittenhüter in
den letzten Jahren einen Namen gemacht hatte, war auch am vergangenen
Wochenende im Einsatz. Diesmal galt es, die Ausstellung des US-Fotografen
Jock Sturges im Moskauer Lumiere-Zentrum für Fotografie zu unterbinden.
Sturges’ Nacktfotografien von Erwachsenen und Heranwachsenden hatten in den
USA vor einem Vierteljahrhundert die Staatsanwaltschaft auf den Plan
gerufen. Allerdings folgenlos.
Die chauvinistische Organisation „Offiziere Russlands“ postierte sich nun
vor der Ausstellung und blockierte den Eingang. Ihr Vorsitzender Anton
Zwetkow ist gleichzeitig Mitglied in der staatlich gelenkten
Zivilgesellschaftskammer. Die Ausstellungsmacher gaben dem Druck nach. Sie
schlossen die Veranstaltung, nachdem einer der „Offiziere“ eine
Urin-Fäkal-Mischung über ein Foto gegossen hatte.
Die russische Senatorin Jelena Misulina warf Jock Sturges
„Kinderpornografie“ vor. Misulina hat sich seit 2012 als Initiatorin
schwulenfeindlicher Gesetzgebung hervorgetan. Sie forderte nun die
sofortige Schließung der angeblichen „Zurschaustellung von
Kinderpornografie“. Auch die neue Ombudsfrau für Rechte des Kindes, Anna
Kusnezowa, schloss sich dieser Forderung an. Die 34-Jährige ist Mutter von
sechs Kindern und orthodoxe Christin.
Die populäre Bloggerin Lena Myro hatte die kunstferne Öffentlichkeit auf
die Fährte geführt. Myro veröffentlichte einige von Sturges’
Kinderfotografien, die jedoch nicht in der Ausstellung hingen. Dass
Russlands ehrenamtliche Sittenpolizei hellhörig würde, war gewährleistet.
Zwetkow einigte sich mit den Ausstellungsmachern, das Zentrum zu schließen.
Inzwischen gab er zu, dass er sich von Myros Beitrag in den sozialen Medien
habe aufstacheln lassen. Damit war er nicht allein: Keiner der
Beschwerdeführer hatte die Ausstellung besucht, die Kunst in Augenschein
genommen. Auch die sechsfache Mutter nicht. Sie verschwand über Nacht aus
Facebook und erschien nicht mehr zu ihrer eigenen Pressekonferenz.
Die russische Aufsichtsbehörde „Roskomnadsor“ verbot Sturges’ Ausstellung
erst nach dem Geschrei der Sittenpolizei. Vielleicht rudert auch sie jetzt
zurück.
29 Sep 2016
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Moskau
Russland
Fotografie
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Orthodoxie
Russland
Ausstellung
Literatur
FSB
Wehrdienst
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