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# taz.de -- Festnahme des Terrorverdächtigen: Einen Orden für die Helden!
> Drei Syrer haben in Leipzig den flüchtigen Terrorverdächtigen
> festgesetzt. Sie hätten eine feierliche Ehrung verdient.
Bild: Ehre wem Ehre gebührt
Nach allem, was bislang bekannt ist, war das, was in der Nacht von Sonntag
auf Montag in Leipzig geschah, eine hollywoodreife Heldentat. [1][Drei
Geflüchtete überwältigen einen mutmaßlichen Kriminellen], fesseln ihn mit
Verlängerungskabeln auf dem Sofa und übergeben ihn der Polizei.
Der Gefangengenommene war der terrorverdächtige Jaber A. Am Tag zuvor hatte
die Polizei in einer Chemnitzer Wohnung, in der A. untergekommen war, rund
1,5 Kilogramm „extrem gefährlichen Sprengstoffs“ sowie „weitere
Materialien, die unter anderem zur Herstellung einer Sprengstoffweste
geeignet sind“, sichergestellt; TATP, denselben Sprengstoff, der auch für
Anschläge in Paris und Brüssel verwendet worden war. Die drei Syrer, die
Jaber A. festsetzten, haben Deutschland womöglich vor einem Terroranschlag
bewahrt.
Alles an dieser Geschichte ist außergewöhnlich. Jaber A., so berichtet
zumindest Spiegel Online, hatte in einem Onlinenetzwerk für syrische
Flüchtlinge nach einem Schlafplatz in Leipzig gesucht. Die drei Männer
holten ihn ab – ohne zu wissen, wer er war. Wie viele Deutsche zeigen so
viel Solidarität mit einem fremden Obdachlosen? Aber das nur nebenbei. Erst
zu Hause sahen die Syrer den Fahndungsaufruf der Polizei auf Facebook.
Danach wären viele Reaktionen möglich gewesen.
Sie hätten den potenziell gefährlichen Gast einfach vor die Türe setzen
können und wären das Problem geräuschlos wieder los gewesen. Sie hätten den
Landsmann warnen, ihm gar zur Flucht verhelfen können. Hernach hätten sich
all jene bestätigt gesehen, die Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen:
als Terroristen, potenzielle Vergewaltiger oder ganz allgemein als böse
Muslime, denen nicht zu trauen ist. Was stattdessen geschah, passt in keins
der stereotypen Bilder, die spätestens seit der Kölner Silvesternacht von
rechtsaußen bis konservativ-mittig von Flüchtlingen gezeichnet werden.
Offenbar kann nämlich die Mehrheit der (syrischen) Flüchtlinge in
Deutschland sehr wohl zwischen „richtig“ und „falsch“ unterscheiden, wi…
den IS bekämpfen und darüber hinaus diesem Land und seinen BürgerInnen das
Beste – warum sonst hätten so viele den Fahndungsaufruf in arabischen
Netzwerken geteilt.
## Mutiger als der eine oder andere Deutsche
Obendrein sind sie mutiger als die meisten Deutschen. Oder hat jemand in
letzter Zeit von einer Gruppe beherzter Sachsen gehört, die rechte Schläger
oder Brandstifter in Eigenregie überwältigen und solange festhalten, bis
die Polizei an Ort und Stelle ist? Eben.
Dafür gab es aus der Politik ein paar läppische Dankesworte, seitens
Sachsens Ministerpräsident Tillich und ausgerichtet von der Afrikareisenden
Merkel über ihre Vizeregierungssprecherin. Sowie rein gar nichts von
Innenminister de Maizière, der wirklich allen dankte, nur den drei
Geflüchteten nicht.
Wir sollten diese Männer gebührend feiern. So richtig. Mit Pomp und Glitter
und allen staatlichen Ehren. So wie die drei US-Amerikaner, die im August
2015 in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris einen Mann bewusstlos
schlugen, der schwer bewaffnet aus einer Bordtoilette gekommen war und um
sich schoss. Staatschef François Hollande lud die „Helden des Thalys“ in
den Élysée-Palast ein und verlieh ihnen den Orden der Ehrenlegion, die
ranghöchste Auszeichnung Frankreichs. Nun sollten auch wir den Syrern, die
einen mutmaßlichen Terroristen fassten, das Bundesverdienstkreuz verleihen.
Die Behörden befürchten zwar einen möglichen Racheakt des IS und halten
deshalb die Identität der Männer geheim. Aber können nicht Popularität und
öffentliche Aufmerksamkeit die drei Männer gerade vor dieser Gefahr
schützen? Drei Geflüchtete, die keiner kennt, lockt man viel leichter in
eine dunkle Gasse und schneidet ihnen mal eben unbemerkt die Kehle durch
als gefeierten Helden.
Nicht zuletzt rückt eine angemessene Ehrung, wie diese, auch das schiefe
Bild vom bösen Flüchtling wieder gerade – und schützt damit vielleicht auch
Menschen vor dem, was Deutschland noch viel stärker bedroht als der IS:
identitäres Gedankengut und Terror von rechts.
11 Oct 2016
## LINKS
[1] /Terrorverdaechtiger-aus-Chemnitz/!5343581/
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Bundesverdienstkreuz
Syrer
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„Islamischer Staat“ (IS)
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