# taz.de -- Terrorverdächtiger von Chemnitz: Erhängt in Zelle aufgefunden | |
> Er soll einen Anschlag in Deutschland geplant haben. Nun ist Jaber A. | |
> tot. Er hat sich in seiner Zelle der JVA Leipzig das Leben genommen. | |
Bild: Ständig überwacht? Blick auf die LVA Leipzig | |
BERLIN taz/dpa | Auf Twitter ist schon vom „Failed State Sachsen“ die Rede. | |
Sachsens Justizminister Sebstian Gemkow (CDU) wird auf der am Donnerstag | |
für 11 Uhr angesetzten Pressekonferenz eine paar extrem unangenehme Fragen | |
beantworten müssen: Wie kann es sein, dass sich der Terrorverdächtige Jaber | |
A. in seiner Zelle das Leben nehmen konnte? Wurde der Mann, dessen | |
Suizidgefährdung den Behörden nach Angaben seines Pflichtverteidigers | |
bekannt war, nicht ausreichend überwacht? Wie soll nun geklärt werden, was | |
A. wirklich getrieben hat und ob er nicht vielleicht Teil einer Terrorzelle | |
war, deren andere Mitglieder noch zuschlagen könnten? Mehrere Politiker | |
forderten eine rasche Aufklärung. | |
Offziell bestätigt ist bislang nur, dass A., der nach Angaben der | |
Sicherheitsbehörden kurz davor gewesen sein soll, [1][einen | |
Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen zu verüben], sich am | |
Mittwochabend anscheinend in der JVA Leipzig erhängt hat. Normalerweise | |
wird Inhaftierten, die suizidgefährdet sind, alles abgenommen, womit ein | |
Selbstmord möglich wäre. Zudem werden sie in einem engen Zeitraster | |
kontrolliert. Nach Ex-Manager Thomas Middelhoff zu Beispiel schaute vor | |
zwei Jahren jede Viertelstunde ein Untersuchungshaft-Beamter. | |
Wie A.s Pflichtverteidiger Alexander Hübner der taz sagte, sei sei Mandant | |
im Hungerstreik gewesen. A. habe in seiner Zelle bereits Lampen zerschlagen | |
und Steckdosen manipuliert. „Ich habe am Nachmittag noch einmal mit dem | |
stellvertretenden Leiter der JVA telefoniert“, sagte Hübner. Dieser habe | |
ihm versichert, dass A.ständig beobachtet werde.Was der JVA-Leiter mit | |
ständig meinte, ist bislang nicht bekannt. Fest steht: Ausreichend war es | |
nicht. Das ist ein Fiasko, das detailliert aufgeklärt werden muss. | |
Zu dem Fall sagte Bundesinnenminister de Maizière (CDU) dem | |
ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag: „Das, was da gestern Nacht passiert ist, | |
verlangt nun wirklich nach schneller und umfassender Aufklärung der | |
örtlichen Justizbehörden.“ Die rechtspolitische Sprecherin der | |
Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen, Katja Meier, twitterte: „Wenn ein unter | |
Dauerbeobachtung stehender Terrorist offenbar Suizid begeht, dann läuft in | |
sächsischen JVA gewaltig was schief“. Das sehen augenscheinlich viele User | |
des Kurznachrichtendienstes ähnlich. | |
A. kann nun wichtige Informationen nicht mehr liefern: Wie genau sah sein | |
Plan aus? Hatte er mehr Mitstreiter als bislang bekannt? Welchen Bezug | |
hatte er zum IS? Was passierte, als er im Laufe des Jahres in die Türkei | |
und wohl auch nach Syrien reiste, wie inzwischen bekannt wurde? | |
Gegen Tote wird nicht ermittelt, deshalb wird sich die Arbeit der | |
Bundesanwaltschaft an dem Fall verändern. Einstellen aber wird sie die | |
Ermittlungen nicht. Denn auch A.s Komplize Khalid A., der die Chemnitzer | |
Wohnung anmietete und Material für die Sprengstoffmischung im Internet | |
bestellte, sitzt in Untersuchungshaft. | |
Vor seinem Suizid soll A. die [2][drei Syrer, die ihn überwältigten] und | |
der Polizei übergaben, beschuldigt haben, Mitwisser zu sein. Bestätigt ist | |
dies bislang nicht. Auch, ob die Ermittler dies für glaubhaft oder für eine | |
Lüge halten, ist bislang nicht bekannt. Festgenommen wurde bislang niemand | |
von ihnen. | |
## Unter besonderer Beobachtung | |
Dass sich A. in Untersuchungshaft das Leben nehmen konnte, ist nicht die | |
erste massive Fehler der sächsischen Behörden in diesem Fall: Die Polizei | |
ließ den Terrorverdächtigen bei ihrer Razzia entkommen und fand ihn dann | |
dann fast zwei Tage lang nicht, obwohl er auch in seiner alten Wohnung | |
gewesen sein soll und sich am Leipziger Hauptbahnhof aufhielt, der unter | |
besonderer Beobachtung stand. | |
All das wirft wirft viele Fragen auf, die die sächsische Regierung schnell | |
und umfassend klären muss. Sollte sie selbst dazu nicht in der Lage sein, | |
muss nachgeholfen werden – zum Beispiel mit einem parlamentarischen | |
Untersuchungsausschuss. | |
12 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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