| # taz.de -- Repro-Mediziner mixen Genmaterial: Drei Eltern und ein Baby | |
| > US-Mediziner kombinieren in Mexiko genetisches Material der Eltern mit | |
| > der DNA einer anonymen Spenderin. In den USA ist das verboten. | |
| Bild: Für Paare ist es eine Katastrophe, wenn es trotz künstlicher Befruchtun… | |
| Ein Junge, fünf Monate alt, schreibt derzeit Medizingeschichte. Es ist das | |
| erste Baby mit dem Genmaterial von drei Eltern, das mit einer ganz neuen | |
| Methode gezeugt wurde. Seine Eltern sind Jordanier, berichtete das | |
| britische [1][Wissenschaftsmagazin New Scientist.] Die Frau hat in ihrem | |
| Erbgut Gene für das sogenannte Leigh Syndrom, eine tödliche Erbkrankheit, | |
| bei der das Nervensystem nicht richtig funktioniert. Sie selbst ist zwar | |
| gesund, doch zwei ihrer Kinder starben schon wenige Monate nach der Geburt | |
| an der Krankheit. Zudem hatte sie schon vier Fehlgeburten. | |
| Geholfen hat ihr jetzt der Reproduktionsmediziner John Zhang vom [2][New | |
| Hope Fertility Center in New York City]. Die Behandlung des Ehepaares | |
| führte er jedoch in Mexiko durch. In den USA ist das umstrittene Verfahren | |
| verboten. In Mexiko hingegen gebe es „keinerlei Regelungen“, so Zhang. | |
| Bei dem Leigh Syndrom handelt es sich um eine Krankheit, deren Ursache in | |
| den Mitochondrien zu finden sind. Mitochondrien sind Organellen, die in | |
| großer Anzahl in den Körperzellen vorhanden sind. Sie sorgen unter anderem | |
| dafür, dass die Zellen mit Energie versorgt werden. Das Besondere ist, dass | |
| sie mit einer eigenen DNA ausgestattet sind. 37 eigene Gene besitzen die | |
| „Kraftwerke der Zellen“. Das ist sehr wenig im Vergleich zu den rund 20.000 | |
| Genen, die in der Kern-DNA des Menschen zu finden sind. | |
| Doch ohne sie geht es nicht. So sind mehrere schwere Erbkrankheiten | |
| bekannt, die durch fehlerhafte Mitochondrien weitergegeben werden. Bekannt | |
| ist auch, dass sie Entwicklungsstörungen beim Embryo verursachen können, | |
| die zum vorzeitigen Abbruch einer Schwangerschaft führen. Mitochondrien | |
| werden grundsätzlich nur mit der Eizelle an die Nachkommen weitergegeben, | |
| das heißt, es werden nur die mütterlichen Organellen an die jeweils nächste | |
| Generation vererbt. | |
| ## Befruchtung nach dem Kerntransfer | |
| Um die fehlerhaften Gene auszuschalten, ersetzte Zhang und sein Team die | |
| Zellorganellen der Patientin durch Mitochondrien einer gesunden Spenderin. | |
| Zwei Verfahren kommen dazu infrage: Bei dem ersten werden die Zellkerne aus | |
| einer befruchteten Eizelle der Patientin in eine befruchtete Spendereizelle | |
| übertragen, aus der zuvor die Kern-DNA entfernt wurde. Das Ergebnis ist ein | |
| Embryo mit der Kern-DNA der Patientin und den Mitochondrien der Spenderin. | |
| Diese Methode wurde von dem muslemischen Paar jedoch aus religiösen Gründen | |
| abgelehnt, da dabei eine befruchtete Eizelle, also ein Embryo, vernichtet | |
| wird. | |
| Zhang wählte daher ein Verfahren, das als Spindelkerntransfer bezeichnet | |
| wird. Dabei erfolgt der Austausch der Kern-DNA bei unbefruchteten Eizellen. | |
| Erst nachdem die Kern-DNA der Patientin in die Eihülle der Spenderin | |
| übertragen wurde, erfolgte die Befruchtung mit dem Spermien des Ehemanns. | |
| Insgesamt wurden so fünf befruchtete Eizellen hergestellt, vier davon waren | |
| lebensfähig. Eine davon war normal, die der Mutter dann eingepflanzt wurde. | |
| Nach neun Monaten Schwangerschaft kam im April dieses Jahres das Kind zur | |
| Welt. Nach Angaben von Zhang ist das Baby bislang gesund. | |
| Weniger als ein Prozent der Mitochondrien weisen demnach die | |
| krankheitsauslösende Genmutation auf. Er hoffe, dieser Prozentsatz sei „zu | |
| niedrig, um für Probleme zu sorgen“, erklärte der Arzt. Krankheitssymptome | |
| treten erst auf, wenn mindestens 18 Prozent der Mitochondrien fehlerhaft | |
| sind. | |
| Und auf noch einen Aspekt achteten die Reproduktionsmediziner: Es musste | |
| unbedingt ein Junge sein. Bei beiden Transferverfahren kann nicht | |
| sichergestellt werden, dass an der Patienten-DNA keine Mitochondrien haften | |
| und mit übertragen werden. Die Forscher müssen davon ausgehen, dass die so | |
| gezeugten Kinder beide Mitochondriumvarianten in ihren Zellen haben. Bei | |
| Mädchen bestände dann das Risiko, dass sie später einmal die Genmutation an | |
| ihre eigenen Kinder weitergeben. Diese Gefahr besteht beim männlichen | |
| Nachwuchs nicht. | |
| Umstritten ist die Methode nicht nur, weil es keine | |
| Langzeitrisikoabschätzung gibt. Sie wird auch als Einstieg in die | |
| Veränderung der menschlichen Keimbahn gesehen. | |
| ## Mitochondrien injiziert | |
| Das in Mexiko gezeugte Kind ist nicht das erste mit drei genetischen | |
| Eltern. Schon in den 90er Jahren experimentierte der US-Arzt Jacques Cohen | |
| in New Jersey mit einem ähnlichen Verfahren. Er injizierte | |
| Spender-Mitochondrien in die Eizellen von Patientinnen, bei denen | |
| wiederholt die künstliche Befruchtung versagte. Die Hoffnung war, dass die | |
| transferierten Mitochondrien eine Schwangerschaft begünstigten. | |
| Insgesamt 17 Babys wurden mit dieser Methode geboren. Bei zwei Feten wurde | |
| noch während der Schwangerschaft eine gravierende Fehlentwicklung | |
| festgestellt. Es fehlten die X-Chromosomen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA | |
| verbot daraufhin 2001 die „Drei-Eltern-Methode“. | |
| Aber auch für Zhang sind es nicht die ersten mit der Drei-Eltern-Methode | |
| gezeugten Embryonen. Schon 2003 erzeugte er zusammen mit Kollegen an der | |
| Medizinischen Universität in Guangzhou in China insgesamt sieben Embryonen, | |
| fünf wurden einer Frau übertragen, von denen drei sich zu einem Fötus | |
| entwickelten. Ein Spontanabbruch beendete jedoch die Schwangerschaft | |
| vorzeitig. | |
| 29 Sep 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.newscientist.com/article/2107219-exclusive-worlds-first-baby-bo… | |
| [2] http://www.newhopefertility.com/ | |
| ## AUTOREN | |
| Wolfgang Löhr | |
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