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# taz.de -- Fortpflanzung via Stammzellentechnik: Männer können Mütter werden
> Erstmals haben Forscher bei Mäusen funktionsfähige Eizellen aus
> Stammzellen gezüchtet. Das kann bald auch für Menschen möglich sein.
Bild: Ein schwangerer Mann? Nicht wirklich: Austragen müsste das Kind auch in …
Berlin taz | Retorte statt schnackseln – seit Jahren schon versuchen
Stammzellforscher das Babymachen soweit wie möglich ins Labor zu verlagern.
Jetzt sind japanische Entwicklungsbiologen dieser Zukunftsversion einen
beträchtlichen Schritt näher gekommen: Dem Forscherteam um Katsuhiko
Hayashi von der Universität Kyoto gelang es erstmals, funktionsfähige
Eizellen komplett außerhalb eines Körpers aus Stammzellen zu züchten –
zumindest bei Mäusen.
Um zu zeigen, dass die künstlichen Eizellen auch tatsächlich funktionsfähig
sind, befruchteten sie diese mit Mäusesperma. In Muttertiere eingepflanzt,
entwickelten sich dann aus den Embryonen lebensfähige Jungtiere.
Obwohl die Versuche nur an Mäusen durchgeführt wurden, sprechen einige
Stammzellforscher schon von einem Durchbruch: Kinderlosen Paaren, bei denen
die Frau keine gesunden Eizellen oder der Mann keine Spermien bilden kann,
könnte bald geholfen werden, genetisch gemeinsam eigenen Nachwuchs zu
bekommen.
Zwar können Forscher schon seit einigen Jahren Eizellen und auch Spermien
aus Stammzellen herstellen. Aber nur die ersten Schritte gelangen bisher im
Reagenzglas – mit embryonalen Stammzellen, aber auch mit sogenannten
induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen).
IPS-Zellen sind Körperzellen, die einem erwachsenen Tier oder Menschen
entnommen und im Labor künstlich in eine voll entwicklungsfähige Zelle
zurückverwandelt wurden. Sie können zum Beispiel auch zum Klonen genutzt
werden. Bislang konnten im Reagenzglas nur Vorläufer-Keimzellen hergestellt
werden. Um funktionsfähige Keimzellen zu bekommen, mussten die Zellen in
ihre „natürliche Umwelt“ übertragen werden: Die Vorläufer-Eizellen in den
Eierstock einer Frau und die Vorläufer-Spermien in die Hoden eines Mannes.
## Blackbox Eizelle
Es war 2012 auch der japanische Forscher Katsuhiko Hayashi, dem es gelang,
funktionsfähige Maus-Eizellen herzustellen. Mit dem jetzt in der aktuellen
Ausgabe von Naturevorgestellten Verfahren findet auch die „Reifung“ in der
Petrischale statt.
Jahrelang hat sein Forscherteam herumgetüftelt. Sie gaben zu den
Vorläuferzellen Hilfszellen aus dem Eierstock einer Frau dazu. Die sorgten
für die zur Reifung notwendigen Signale, Nährstoffe und Hormone. Für die
Forscher ist das wie eine Blackbox, welche Substanzen wirklich wichtig
sind, wissen sie nicht. Entscheidend ist, dass damit die Züchtung von
Eizellen aus Stammzellen ganz in das Labor verlagert werden kann.
Das könnte nun die fast unbeschränkte Verfügbarkeit von Eizellen für die
Forschung ermöglichen. Denn bisher ist sie auf Eizellspenden von Frauen
angewiesen. Die Gewinnung ist aufwändig und gesundheitlich belastend für
die Frau.
## Der Mensch ist komplizierter
Funktioniert dieses Verfahren auch beim Menschen? Das ist noch unklar. Die
Produktion von Eizellen ist beim Mensch weitaus komplexer als bei Mäusen.
Und selbst bei den Tieren ist das Verfahren sehr fehleranfällig: Mehr als
3.000 Eizellen versuchten die Forscher herzustellen, davon entwickelten
sich 316 Embryonen, die auf ein Muttertier übertragen wurden. Am Ende gab
es elf lebens- und fortpflanzungsfähige Mäuse.
Mit dieser Fehlerquote wären Menschenversuche nicht akzeptabel. Trotzdem –
vieles erscheint nun machbar: So könnte damit das im deutschen
Embryonenschutzgesetz festgelegte Verbot der Eizellspende umgangen werden.
Würden Stammzellen einer Frau genutzt, um Eizellen herzustellen, diese
befruchtet ihr dann als Embryo eingepflanzt, wäre es keine Eizellspende
mehr.
Auch schwule und lesbische Paare könnten genetisch gemeinsam Eltern werden.
Von dem einen Elternteil kommt die künstliche Eizelle, vom anderen das
künstliche Spermium – zumindest theoretisch, oder wenn es im Ausland
durchgeführt wird.
Bei lesbischen Paaren gäbe es wohl auch in Deutschland keine rechtlichen
Hemmnisse. Bei schwulen Paaren wäre es rechtlich nicht möglich. Denn das
Kind austragen müsste eine Leihmutter. Und die ist hierzulande nicht
zulässig.
Eine Vision ist auch, dass ein Mensch sowohl „Vater“ als auch „Mutter“
eines Kindes ist. Denn technisch spricht nichts dagegen, dass aus den
Stammzellen eines Menschen Spermien und Eizelle hergestellt würden. Das
gehört dann in die Kategorie: Albtraum.
Aber: Wir steuern darauf hin.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Wolfgang Löhr
## TAGS
Stammzellen
Eizelle
künstliche Befruchtung
Tierversuche
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Kapitalismus
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