# taz.de -- Kommentar Stammzellenforschung: Revolution der Geschlechter | |
> Aus Hautfetzen kann man Eizellen oder Spermien schaffen. Homo-Paare | |
> können gemeinsame Kinder haben. Und die „biologische Uhr“ ist passé. | |
Bild: Erstmals sind Frauen in der Familienplanung tatsächlich mit Männern gle… | |
Ein Stück Haut wird künftig genügen, [1][um eine Eizelle oder eine Spermie | |
zu erschaffen] – auch beim Menschen. Natürlich kann man nun beklagen, dass | |
Missbrauch möglich ist, ein Designerbaby droht und schwerwiegende ethische | |
Fragen aufgeworfen werden. Stellen wir uns über die Natur? Spielen wir | |
Gott? Werden es nicht wieder nur die Wohlhabenden sein, die profitieren? | |
Alles berechtigte Bedenken. Und ja, neue Regeln werden nötig sein. | |
Doch zum einen ist es ohnehin unmöglich, Innovationen aufzuhalten. Was | |
technisch machbar ist, wird auch genutzt – wenn nicht bei uns, dann in | |
Ländern, die legerer mit Stammzellenforschung und Reproduktionstechnik | |
umgehen. Zum anderen bedeutet dieser Durchbruch bei der | |
Stammzellenforschung enorme Chancen. Erstmals können homosexuelle Paare | |
auch biologisch Eltern eines gemeinsamen Kindes werden. Bisher ist das nur | |
mit einer Ei- oder Samenspende und damit auf Kosten des Kindes möglich | |
gewesen, das seine biologische Herkunft nur zur Hälfte kennt. | |
Eine regelrechte Revolution ist die neue Technik jedoch für das | |
Geschlechterverhältnis. Erstmals sind Frauen in der Familienplanung | |
tatsächlich mit Männern gleichgestellt. Die biologische Uhr tickt nicht | |
länger. Im Hier und Jetzt müssen Frauen, die Kinder wollen, zwischen ihrer | |
Ausbildung und dem Ende der Fruchtbarkeit alles gleichzeitig leisten: sich | |
im Job beweisen, eine Karriere aufbauen, den Menschen fürs Leben finden, | |
Kinder bekommen und nach Möglichkeit sich auch noch sozial engagieren. Gut | |
aussehen, Sport treiben und ohne Fertiggerichte auskommen sollen sie dabei | |
selbstverständlich auch. Schon der Gedanke daran ist so stressig, dass die | |
kinderlose Alternative geradezu unwiderstehlich erscheint. | |
Doch in Zukunft werden Frauen genauso wie Männer eine Familie gründen | |
können, wenn der für sie richtige Zeitpunkt gekommen ist, ganz ohne | |
Torschlusspanik. Sie werden sich auch dann noch einen Kinderwunsch erfüllen | |
können, wenn sie den Traumpartner erst mit Anfang 40 treffen. Keine wird | |
mehr Pech gehabt haben, weil sie mit Mitte 20 nicht an „Social Freezing“, | |
das Einfrieren von Eizellen, gedacht hat. Nach einer Trennung eine zweite | |
Familie gründen – das wird nicht länger Privileg der Männer sein. Wenn das | |
keine Verheißung für die Zukunft ist. | |
19 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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