| # taz.de -- Vererbung der Mitochondrien: Ende eines Lehrbuchdogmas | |
| > Bisher gingen Biologen davon aus, dass die Kraftwerke der Zellen, die | |
| > Mitochondrien, nur von der Mutter vererbt werden. Das ist jetzt | |
| > widerlegt. | |
| Bild: Bei der Befruchtung einer Eizelle verliert das Spermium in der Regel mit … | |
| Für Biologen war es bis vor wenigen Tagen ein wie in Stein gemeißeltes | |
| Dogma: Die in allen Körperzellen vorkommenden Zellkraftwerke, die | |
| Mitochondrien, werden zumindest bei Menschen ausnahmslos immer von der | |
| Mutter weitervererbt. Ein Forscherteam unter der Leitung von Taosheng Huang | |
| vom Children’s Hospital in Philadelphia, im US-Bundesstaat Pennsylvania, | |
| widerlegte nun diese Annahme. Die Forscher präsentierten mehrere Familien, | |
| bei denen die Mitochondrien auch vom Vater weitervererbt worden waren. | |
| Mitochondrien versorgen bei allen höheren Lebewesen, von der Hefe, über | |
| Pflanzen bis hin zum Menschen die Zellen mit Energie. In jeder Zelle gibt | |
| es Tausende dieser Zellorganellen, bei jeder Zellteilung werden sie an die | |
| Tochterzellen weitergegeben. Auch die männlichen Samenzellen besitzen | |
| Mitochondrien, sonst könnten sie sich gar nicht fortbewegen. | |
| Bei der Befruchtung einer Eizelle werden diese jedoch zusammen mit dem | |
| Schwanz der Spermien abgeworfen. Wird doch mal ein männliches Mitochondrium | |
| (auch: Mitochondrion) mit in die Eizelle geschleppt, wird es dort sogleich | |
| von Enzymen abgebaut, sodass letztendlich nur die mütterlichen | |
| Mitochondrien in der Eizelle übrig bleiben – so die bisherige Annahme. | |
| Die Herkunftsbestimmung ist relativ einfach. Denn die Mitochondrien | |
| besitzen eine, wenn auch nur kurze, eigene DNA, die unabhängig von der | |
| Erbsubstanz im Zellkern weitergegeben wird. Mittels einer DNA-Analyse kann | |
| die Herkunft der Mitochondrien eindeutig festgestellt werden. Es gibt auch | |
| eine ganze Reihe von zum Teil schweren Erbkrankheiten, die durch | |
| Veränderungen der mitochondrialen DNA ausgelöst werden. | |
| ## Ein Ausnahmefall | |
| Bei der Untersuchung eines vierjährigen Jungen, der an einer von | |
| Mitochondrien verursachten Erbkrankheit litt, und seiner Familie, machten | |
| die Forscher der Kinderklinik in Philadelphia auch ihre für Biologen | |
| sensationelle Entdeckung. Untersuchungen weiterer Familien zeigten, dass | |
| die Weitergabe väterlicher Mitochondrien kein einmaliger „Unfall“ war. In | |
| ihrer Publikation in den [1][Proceedings of the National Academy of | |
| Sciences (PNAS) ] konnten sie drei Familien mit insgesamt 17 Angehörigen | |
| vorstellen, bei denen es zu einer Vererbung väterlicher Mitochondrien | |
| gekommen sein musste. | |
| Die Forscher gehen davon aus, dass die Weitergabe der mütterlichen | |
| Mitochondrien der „Regelfall“ ist. In Ausnahmefällen aber auch die | |
| väterlichen Mitochondrien weitergegeben werden. Als Ursache vermuten sie | |
| eine Mutation eines Regulatorgens in der Kern-DNA der Eizelle, das am Abbau | |
| der väterlichen Mitochondrien beteiligt ist. Wie häufig das vorkommt, muss | |
| durch weitere Untersuchungen geklärt werden. | |
| Vor rund 17 Jahren gab es aus Dänemark schon einmal einen Bericht über | |
| einen Patienten mit zwei verschiedenen Mitochondrien-Populationen. Da ein | |
| derartiges Phänomen seit dem nie wieder entdeckt wurde, gingen | |
| Wissenschaftler davon aus, dass damals ein Fehler gemacht worden sein | |
| musste. Die aktuellen Ergebnisse widersprechen dieser Vermutung jedoch. | |
| 11 Dec 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.pnas.org/content/early/2018/11/21/1810946115 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolfgang Löhr | |
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