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# taz.de -- Politische Forderungen von Kindern: Hört uns an!
> Was wünschen sich Viert- bis Sechstklässler von der nächsten Berliner
> Landesregierung? Im Atze-Theater entwickeln sie ihre politische Ideen.
Bild: Sollten nicht ignoriert werden: Kinder und ihre Forderungen an die Politik
Applaus brandet auf. Leicht verlegen steht Karim in seinem rot-weiß
karierten Hemd auf der Bühne. Einen halben Kopf kleiner als die anderen,
knetet seine Hände und ergänzt mit fester Stimme: „Flüchtlinge sind ein
wichtiges Thema. Wenn man es richtig macht, bringen sie mehr Gewinn als
Verlust.“ Erneut bekommt der Neunjährige Beifall aus den voll besetzen, rot
gepolsterten Sitzreihen.
Gespannt beugen sich einige Kinder im Publikum nach vorne, um zu sehen, wie
eine der Moderatorinnen das von Karim vorgeschlagene Thema „Flüchtlinge“
auf einer Tafel am Bühnenrand notiert. „Wer hat noch Themen mitgebracht,
über die wir reden müssen?“ fragt ein anderer Moderator in die Runde.
Die Stimmen der Kinder als Stimmen der Zukunft: Das ist die Idee dieses so
genannten Barcamps – also eines offenen Workshops –, veranstaltet vom Atze
Musiktheater, gefördert vom Jugend-Demokratiefonds, am Dienstag. Rund 100
Vier- bis Sechstklässler aus mehreren Berliner Grundschulen sollen ihre
Zukunftsthemen diskutieren und Forderungen an die Politik formulieren. Ende
des Jahres werden sie der dann hoffentlich bestehenden künftigen Berliner
Regierungskoalition – wahrscheinlich aus SPD, Linke und Grünen – übergebe…
Unter der Leitung von Experten aus Kunst, Politik und Pädagogik diskutieren
die Kinder in Kleingruppen. Naturschutz und Umwelt, Sportplätze und
Schulen, der Umgang mit Obdachlosen, Gewalt oder Flüchtlinge,
Meeresbiologie und Mobbing: Die Bandbreite der Themen ist groß.
Eine der Session beschäftigt sich mit den Thema Flucht. Mit nachdenklichen
Gesichtern betrachten die rund 20 Kinder der Gruppe das in der Mitte
ausgebreitete Plakat. Schriftzüge wie „Krieg ist keine Lösung“, „sammelt
Geld“ und „mit kaputten Booten…“ haben sie auf dem Plakat festgehalten.…
blondes Mädchen spielt versunken an ihrem Zukunftsarmband, während Karim
sagt: „Das sind keine schlechten Menschen. Viele haben nur Angst und
denken, dass die Leute vom IS sind. Dabei sind sie nur nett.“ Aufmerksam
hören ihm die anderen zu.
Helen Lauchart von der HeldenFabrikBerlin hat die Vorbereitstreffen
organisiert. „Es ist ungemein spannend herauszufinden, was aus Sicht der
Kinder relevant ist“, sagt sie. In 90-minütigen Workshops hatte sie mit den
vier Klassen auf szenischem Wege erarbeitet, was die Kinder beschäftigt.
Sie spielten Alltagssituationen nach und erprobten Diskussionen.
„So wurden im Klassenzimmer erste Hürden genommen“, sagt einer der
Projektleiter, Tom Müller-Heuser. „Wie man jetzt sieht, schlummert in den
Kindern ungeheuer viel Potenzial. Oft trauen Lehrer und Politiker Kindern
zu wenig zu. Das wollen wir ändern.“
Inhaltlich knüpft das Barcamp an die Atze-Inszenierung „Die
Ministerpräsidentin“ an. Das auf einem norwegischen Kinderbuch basierende
Theaterstück thematisiert die politische Partizipation von Kindern: Eine
Zwölfjährige wird zur Ministerpräsidentin gewählt. Zusätzlich dazu hat das
Theater eine Podiumsdiskussion zum Thema Wahlrecht für Kinder veranstaltet
(taz berichtete).
Am Ende des Barcamps formulieren die Kinder ihre Forderungen an die Politik
auf Tonband und Video. „Tiere haben das gleiche Recht wie Menschen“,
flüstert etwa Schülerin Rosalie in das Mikrofon, „Und es gibt zu viele
Autos, die alles zuparken. Deswegen sollten alle neuen Häuser Tiefgaragen
haben.“ Die Wangen zwischen ihren hellblonden Haaren sind leicht gerötet.
Viele der Vorschläge sind sehr konkret: Die Kinder wünschen sich einen
Spendenlauf und ein Brief mit einem Spendenaufruf an gut betuchte
Fußballstars, um Geld für Sportplätze in Berlin zu generieren. Karim
wünscht sich, „dass die Menschen aus Syrien mit Flugzeugen nach Deutschland
kommen, statt auf kleinen Booten.“ Und die elfjährige Jade sagt mit
schelmischem Blick: „Der Flughafen BER soll abgerissen werden. Mehr als
hundert Familien könnten stattdessen ernährt werden. Oder sogar mehr.“
28 Sep 2016
## AUTOREN
Lara Janssen
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Berlin
Mitbestimmung
Kinderrechte
Kinder
Jugendzentrum
Jugendhilfe
Prenzlauer Berg
Wahlrecht
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