# taz.de -- Grundschüler diskutieren mit Politikern: Einfach unverblümt | |
> Im Atze-Theater diktieren Grundschüler Berliner Politikern ihre Themen – | |
> und dann reden sie darüber. Das Ergebnis freut beide Seiten. | |
Bild: „Ich habe auch noch was zu sagen“: Viele Grundschüler haben sehr kla… | |
„Es werden zu viele Lebensmittel weggeschmissen. Das kann doch nicht sein.“ | |
Julia und Magdalena stehen auf einer kleinen Theaterbühne im ATZE | |
Musiktheater und haben ein Anliegen: Sie verstehen nicht, warum Supermärkte | |
ihre Essensreste wegschmeißen, anstatt sie an Bedürftige zu geben. | |
Die beiden Grundschülerinnen haben noch einige Jahre, bis sie das erste Mal | |
an die Wahlurne dürfen. Normalerweise würden ihnen viele Politiker wohl gar | |
nicht zuhören. Doch an diesem Freitag ist das anders. Beim Junior Barcamp | |
„Stimme der Zukunft“ haben 90 Schülerinnen und Schüler in Wedding | |
prominente Zuhörer, wenn sie darüber reden, was in Zukunft besser laufen | |
soll. | |
Vier Klassen sind Teil des Theaterprojekts, das sich für politische | |
Partizipation von Kindern einsetzt. Erstmals nehmen daran mit Andreas | |
Kugler (SPD), Silke Gebel (Grüne) und Hendrikje Klein (Linke) auch | |
Fraktionsvorsitzende und Vize-Fraktionsvorsitzende der Regierungsparteien | |
teil. Die haben aber nichts zu bestimmen: Bei einem Barcamp wird nichts | |
vorgegeben. Die Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zehn und zwölf | |
Jahren entscheiden selbst, worum es gehen soll. | |
In kleineren Gruppen sprechen die Kinder ausschließlich über die Themen, | |
die sie interessieren. Henry, ein Junge mit roten Haaren, will über | |
Flüchtlinge reden: „Manche kommen zu uns wegen Krieg in ihrem Land, andere | |
wegen Hunger. Aber wir sollten allen helfen“. Natürlich müssten Flüchtlinge | |
kontrolliert werden, aber eine Obergrenze und schlechte Unterkünfte seien | |
einfach nur „gemein“. In der Gruppe gründen die Kinder eine symbolische | |
Partei. Henry weiß auch einen passenden Namen: AfA, Alternative für | |
Ausländer. | |
Auch banalere Themen stehen auf der Tagesordnung. Justin spielt gerne | |
Fußball. Bei dem Forum setzt er sich dafür ein, dass Kunstrasenplätze | |
abgeschafft werden. Die seien viel zu gefährlich: „Da verletzen sich nur | |
alle“. Echter Rasen soll her, da müsse man doch irgendetwas machen können. | |
„Das liegt vor allem am Geld. Redet mal mit euren Vereinsvorsitzenden“, | |
sagt dazu Silke Gebel, Fraktionschefin der Grünen. Sie zeigt sich angetan | |
von der Atmosphäre im Barcamp: „Es ist ein gutes Beispiel, wie Politik | |
funktioniert. Man muss sich zusammentun und überlegen, wie ich ein Ziel | |
erreiche.“ | |
## An den Eltern vorbei | |
Henrikje Klein von den Linken ist in ihrer Fraktion zuständig für | |
Bürgerbeteiligung und hatte sofort zugesagt: „Wenn man Kinder beteiligen | |
will, ist es vor allem schwer, an den Erwachsenen und deren Haltung | |
vorbeizukommen.“ Es sei aber wichtig, dass Kinder sich selbst einmischen. | |
Auch für Andreas Kugler ist der Austausch erfrischend. „Schüler sagen | |
einfach noch, was sie denken“, erklärt der SPD-Politiker. | |
Die Idee zum demokratischen Experiment kam dem Atze-Theater durch den | |
norwegischen Roman „Die Ministerpräsidentin“. Darin wird eine Neunjährige | |
zur Regierungschefin eines Landes. Das Theater hat das Stück vor einigen | |
Jahren inszeniert und war von den Reaktionen der Kinder so begeistert, dass | |
es die Idee weiterverfolgte. „Wir wollen den Kindern mehr Möglichkeiten | |
geben, ihre Stimme zu erheben und damit ihre Ziele zu erreichen“, sagt Tom | |
Müller-Heuser vom Theater. | |
Damit auch was bei den Politikern ankommt, dürfen die Schülerinnen und | |
Schüler nach den Gesprächen ihre Forderungen aufschreiben. Die Zettel | |
werden an das Büro des Regierenden Bürgermeisters geschickt. Beim letzten | |
Mal hat Michael Müller (SPD) immerhin geantwortet. | |
9 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Robin Köhler | |
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