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# taz.de -- Debatte über Wahlalter in Berlin: Kinder an die Macht!
> Ab wann sollen Menschen wählen dürfen? In Berlin fordert das
> Jugendtheater Atze ein generelles Wahlrecht von Geburt an. Macht das
> Sinn?
Bild: Darf auch er bald wählen gehen?
Wären Kinder an der Macht, wir Erwachsenen müssten uns auf einiges gefasst
machen: Kriege würden verboten, Millionäre enteignet und Klassenarbeiten
nicht mehr in der sechsten Schulstunde geschrieben. Das wäre zumindest der
Plan der 12-jährigen Hannah Frederiksen. Im Theaterstück „Die
Ministerpräsidentin“ von Thomas Sutter, das noch bis Juli im Kinder- und
Musiktheater Atze läuft, kandidiert sie für das Amt der Regierungschefin.
Ihr Ziel: Kindern und Jugendlichen in der Politik endlich eine Stimme zu
geben.
Hannah ist zwar nur eine Figur in einem Theaterstück, ihre Idee findet aber
auch jenseits der Bühne Anklang – wie im Abgeordnetenhaus. Dort brachte die
Piraten-Fraktion am vergangenen Donnerstag einen Antrag zur Abstimmung ein,
in dem sie ein Wahlrecht für Kinder fordert.
Auch wenn der Antrag abgelehnt wurde, die Befürworter eines
Kinderwahlrechts machen weiter. Einer von ihnen ist Atze-Leiter Sutter
selbst. Sein Stück „Die Ministerpräsidentin“ sieht er auch als Beitrag zu
einer politischen Debatte. Wie die Piraten-Fraktion möchte er das Wahlrecht
von Geburt an. Die Ablehnung des Antrags bedauert der Theatermacher. „Ich
freue mich aber, dass zumindest eine Partei die Zeichen der Zeit erkannt
hat“, sagte er gegenüber der taz.
Sutter kämpft aber auch selbst für seine Idee. Unter dem Motto „Wahlrecht
für Kinder und andere Zukunftsvisionen“ lud er Mitte Februar zu einer
Talkrunde in sein Theater ein. Auf dem Podium diskutierte er mit dem
Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), und der
Grünen-Landesvorsitzenden Bettina Jarasch. Die Kinder wurden durch
Jungendparlamentarierin Carla Golm (14) und Kinderreporter Robert Kutt (12)
vertreten.
## Stärkt das Kinderwahlrecht die Demokratie?
Zu der öffentlichen Diskussion kamen etwa hundert Zuschauer, darunter viele
Eltern. „Kinder gehen die großen Fragen dieser Welt mit unverstelltem Blick
an“, sagt Sutter am Anfang der Diskussion. „Sie sind unbestechlich, haben
ein stark ausgeprägtes Sozialbewusstsein und eine klare Vorstellung von
Recht und Unrecht.“ An der Wahlurne könnten sie deshalb auch politische
Verantwortung übernehmen. Sutter hält die Altersbegrenzung außerdem für
unvereinbar mit unseren Grundwerten: „Wenn wir eine demokratische
Gesellschaft wollen, müssen wir die Kinder so früh wie möglich integrieren,
indem wir sie mitwählen lassen.“
Bei einigen Gästen auf dem Podium stieß Sutters Vorstoß auf wenig
Gegenliebe. Von Ralf Wieland bekam er eine klare Absage: „Bei einem
Kinderwahlrecht kann ich nicht mitgehen.“ Gegen die Ideale des
Theatermachers setzte er seine langjährige politische Erfahrung. „Wir
befassen uns im Abgeordnetenhaus nicht mit simplen Ja- oder Nein-Fragen.“
Vielmehr gehe es um komplexe Zusammenhänge, die Kinder noch nicht
überblicken könnten.
Auch Jarasch wollte von einem aktiven Wahlrecht für Kinder nichts wissen.
Trotzdem machte sie ihnen ein Angebot zu mehr politischer Beteiligung: „Ich
kann mir vorstellen, dass wir die Mitbestimmungsrechte von Kindern dort
stärken, wo sie von Entscheidungen direkt betroffen sind.“
Jarasch sprach sich außerdem dafür aus, in jedem Bezirk ein Kinder und
Jugendparlament einzuführen. Das Gremium, in dem auch Carla Golm sitzt,
gibt es bisher nur in den Bezirken Tempelhof-Schöneberg und
Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier können junge PolitikerInnen Anträge
ausarbeiten und an die Bezirksverordnetenversammlung weiterreichen. Dabei
geht es immer um Themen, die Kinder direkt betreffen, wie Schule oder
Parkanlagen. Die Jugendkammer setzt sich aber auch für die Errichtung von
Ampeln und Zebrastreifen ein.
## Vorschlag geht nicht weit genug
Sutter geht das nicht weit genug: „Das ist zwar der richtige Ansatz“, so
der Theaterdirektor, „die großen Fragen nach Frieden und sozialer
Gerechtigkeit gehen Kinder aber genauso etwas an.“ Auch das Argument,
Kinder verstünden die Politik nicht, wollte er nicht gelten lassen. „Das
Frauenwahlrecht wurde mit einem ähnlichen Argument zurückgehalten.“
Und was sagen eigentlich die Kinder selbst zu einer Wahlrechtsreform? Carla
Golm möchte, dass Kinder bei den Abgeordnetenhauswahlen mitvotieren.
Jungjournalist Robert Kutt war etwas vorsichtiger. Mitbestimmen ja –
allerdings müssten es nicht gleich die Wahlen zum Abgeordnetenhaus sein. Er
glaubt, dass sich viele Kinder noch nicht genug für Politik interessieren.
Auch Hannah aus dem Theaterstück hatte sich anfangs nicht für Politik
interessiert. Am Ende wird sie Ministerpräsidentin. Nachdem sie das
Kinderwahlrecht eingeführt hat, tritt sie zurück. Die große Politik ist ihr
doch zu kompliziert.
23 Feb 2016
## AUTOREN
Francis Laugstien
## TAGS
Wahlrecht
Kinderrechte
Podiumsdiskussion
Theaterstück
Berlinwahl 2016
Schwerpunkt taz Leipzig
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Abgeordnetenhauswahlen 2016
Integrationsbeauftragte
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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