# taz.de -- Junckers Grundsatzrede zur Lage der EU: „Solidarität lässt sich… | |
> Juncker will die Investitionen auf 630 Milliarden Euro verdoppeln, um | |
> Europa wieder auf Trab zu bringen. Für ein grundsätzliches Problem hat er | |
> keine Lösung. | |
Bild: Die EU – noch ein Projekt der Solidarität? So was lässt sich nicht er… | |
Straßburg dpa/rtr | Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht die | |
Europäische Union in einer tiefen Krise, daran ließ er bei seiner | |
jährlichen Grundsatzrede im Europaparlament am Mittwoch keinen Zweifel. | |
Neben Appellen und Ermahnungen zu mehr Miteinander nannte Juncker eine | |
ganze Reihe konkreter Initiativen, die zeigen sollen: Die EU bringt etwas | |
für die 509 Millionen Europäer. | |
Etwa im Bereich Wirtschaft und Konjunktur: Das von Juncker 2014 | |
angeschobene Investitionsprogramm soll verdoppelt werden, sowohl in der | |
Summe als auch in der Dauer. Statt bisher 315 Milliarden Euro an | |
Investitionen in Projekte wie Straßen, Netze oder Energieversorgung in drei | |
Jahren anzuschieben, ist die neue Zielmarke nun also 630 Milliarden binnen | |
sechs Jahren. Ein kleiner Teil der Riesensumme sind öffentliche Garantien – | |
bisher 21 Milliarden. Ein Teil der neuen Summe soll aus dem EU-Haushalt | |
kommen, ein Teil von den Mitgliedstaaten. | |
Neue Jobs erhofft sich Juncker auch vom Freihandel – auch vom umstrittenen | |
Abkommen Ceta mit Kanada – und von der Digitalisierung. Seine Zielmarken: | |
Bis 2020 freies WLAN an öffentlichen Plätzen, bis 2025 superschnelles | |
mobiles Internet 5G in ganz Europa. Gegen Jugendarbeitslosigkeit will er | |
die EU Jugendgarantie weiter führen, die junge Leute für den Arbeitsmarkt | |
fit machen soll. Außerdem will Juncker ein „Europäisches | |
Solidaritätskorps“: Freiwillige sollen im Krisenfall helfen, etwa nach | |
Erdbeben wie jetzt in Italien. Bis 2020 hofft Juncker auf 100 000 | |
Teilnehmer. | |
Elementar war auch das Thema Sicherheit: Auf die unkontrollierte Einreise | |
von Hunderttausenden im vergangenen Jahr soll die EU nach Junckers | |
Vorstellungen mit Schutzvorkehrungen reagieren. So soll der Aufbau eines | |
europäischen Grenz- und Küstenschutzes vorangebracht werden, und zwar ganz | |
konkret schon im Oktober. Dann sollen etwa 50 zusätzliche Fahrzeuge und 200 | |
Grenzschützer bei der Sicherung der bulgarischen Grenze zur Türkei helfen. | |
Darüber hinaus will Juncker analog zum Esta-System in den USA ein | |
Registrierverfahren namens Etias (European Travel Information System) für | |
die EU aufbauen. Einreisende müssten sich vorab registrieren, damit ihre | |
Daten mit Sicherheits- und Terrordatenbanken abgeglichen werden können. | |
Nationale Datenbanken zu Terrorverdächtigen sollen zusammengeführt und | |
Europol gestärkt werden. | |
## Wer gehört zur EU? | |
Natürlich ging es auch um Flüchtlinge: Neue Initiativen zum Flüchtlings- | |
und Asylrecht in der EU plant die Kommission nicht, da sie bereits im | |
Sommer ein umfangreiches Paket vorgeschlagen hat und nun um Zustimmung der | |
Mitgliedsstaaten und des Parlaments buhlen muss. Sie will aber, wie bereits | |
angekündigt, den Herkunftsstaaten helfen, damit weniger Menschen ihr Glück | |
in Europa suchen. Ein „Investment Plan for Africa and the Neighborhood“ | |
soll Investitionen von 44 bis 88 Milliarden Euro ermöglichen. | |
Zu Fragen der Militär- und Außenpolitik hieß es: Die | |
Verteidigungszusammenarbeit der EU-Staaten soll enger werden. Unter anderem | |
soll ein gemeinsames Hauptquartier für EU-Missionen entstehen. Zudem soll | |
Rüstung möglichst gemeinsam beschafft werden, was nach Schätzungen bis zu | |
100 Milliarden Euro pro Jahr sparen soll. Da die Militärunion politisch für | |
einige Länder ein heißes Eisen ist, soll sie womöglich zunächst mit einem | |
kleinen Kreis von interessierten EU-Staaten beginnen. Insgesamt wünscht | |
sich Juncker eine stärkere gemeinsame Außenpolitik. Die Außenbeauftragte | |
Federica Mogherini solle „unsere europäische Außenministerin“ werden. | |
Konkret schlug er eine Europäische Strategie für Syrien vor. Mogherini | |
solle an Verhandlungen über die Zukunft Syriens direkt beteiligt werden. | |
Abschließend stellte Juncker fest: „Wir brauchen viel mehr Solidarität. | |
Aber Solidarität muss von Herzen kommen. Solidarität kann man nicht | |
erzwingen.“ | |
14 Sep 2016 | |
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