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# taz.de -- Avocado-Anbau in Mexiko: Grün, beliebt, zerstörerisch
> Die hohe Nachfrage nach Avocados hat in Mexiko verheerende Folgen. Wälder
> werden abgeholzt und die Kartelle verdienen mit.
Bild: Grün und zart – eine sündige Verlockung?
Im Salat, auf Toast oder pur mit einem Spritzer Limone und etwas Chili wird
die Avocado weltweit verzehrt. Die grüne bis dunkellilafarbene Frucht ist
rund um den Globus gefragt. In die USA, genauso wie nach Europa und auch
nach Asien gehen immer mehr Container mit der begehrten Ware aus Mexikos
Bundesstaat Michoacán. Michoacán ist zum Mekka des Avocado-Anbaus geworden
und in Städten wie Tancítaro werden die Früchte derzeit en gros geerntet.
Das spült Geld in den Bundesstaat, wo laut der Vereinigung der
Avocado-Produzenten (Apeam) rund 57 Prozent der ökonomischen Aktivitäten
auf der an ungesättigten Fettsäuren so reichen Frucht beruhen. Das hat
seinen Grund, denn das milde Klima und die vulkanischen Böden sorgen dafür,
dass vier Mal im Jahr geerntet werden kann. Ein immenser Vorteil gegenüber
der Konkurrenz aus Kolumbien, Peru, Indonesien oder Ruanda, wo nur einmal
pro Jahr in die Bäume gestiegen werden muss.
Das ist auch der Grund, weshalb Mexiko der wichtigste Produzent der so
populären Frucht geworden ist. Auf etwa 1,6 Millionen Tonnen taxieren die
Apeam-Experten die Produktion in diesem Jahr. Schon derzeit kann Michoacán,
wo 80 bis 90 Prozent der mexikanischen Avocado-Ernte eingefahren wird, die
Nachfrage kaum decken.
## Umweltschützer warnen vor den Folgen
Das hat dazu geführt, dass die Preise nicht nur in den USA und Europa
deutlich gestiegen sind, sondern auch in Mexiko, wo Guacamole, ein
Avocado-Dip, zu etlichen Gerichten gereicht wird. Doch die seit Jahren
steigende Nachfrage hat dazu geführt, dass die Anbauflächen in Mexiko
zwischen 2000 und 2010 von 95.000 Hektar auf rund 134.000 Hektar erweitert
wurden.
Das Gros mit mehr als 110.000 Hektar liegt in Michoacán. Dort konzentriert
sich der Anbau in der Meseta Purépecha, einer weitläufigem Hochebene.
Umweltschützer warnen bereits vor den Folgen des Avocado-Booms. „Jedes Jahr
werden bis zu 4.000 Hektar Nadelwald gerodet, um neue Plantagen anzulegen“,
klagt Jaime Navia Antezana von der Agrar- und Umweltorganisation Gira.
Das bestätigen auch die Experten von Greenpeace Mexiko. Sie warnen zudem,
dass die Plantagen etwa doppelt so viel Wasser verbrauchen wie die
genügsamen Pinienwälder in der Region. Ein weiteres Problem sei der Einsatz
von Düngemitteln und Pestiziden, um die Erträge der großen Bäume mit den
dicken, lorbeerartigen Blättern nicht sinken zu lassen.
## Im Fokus der Kartelle
Doch das grüne Gold von Michoacán hat noch eine weitere Schattenseite. Denn
die Produzenten sind schon seit Jahren in den Fokus der Kartelle geraten.
Die agieren in Michoacán, weil gleich mehrere Schmuggelrouten durch den
Bundesstaat in Richtung Norden führen, und auch der Hafen von Lázaro
Cárdenas ist ein Umschlagplatz für synthetische Drogen, Kokain und Heroin.
Doch längst beschränken sich die Kartelle nicht mehr auf ihr Kerngeschäft.
Sie verlangen mittlerweile auch Schutzgelder oder besteuern die Kisten,
die, beladen mit Avocados, die Region verlassen.
So war es auch in Tancítaro, einer Kleinstadt in der Meseta Purépecha, wo
sich alles um die grünen Früchte dreht. „2009 kamen die Kartelle, ich habe
einen Sohn durch sie verloren. Ende November 2013 haben wir dann zu den
Waffen gegriffen“, erklärt Reynaldo Bucio.
Der knorrige Mann gehört zur Bürgerwehr der Kleinstadt, in der mehrere
Bunker stehen und wo alle Fahrzeuge kontrolliert werden. Seitdem ist
leidlich Ruhe in der Avocado-Stadt. Allerdings zeugen zwei ausgebrannte
Sattelschlepper unterhalb der Kirche des Ortes von der permanenten Gefahr,
der die Bauern der Region ausgesetzt sind. Das weiß auch Bucio, aber er
sieht keine Alternative.
„Hier habe ich schon zu viel verloren, darüber tröstet mich der Avocadoboom
nicht mehr hinweg“, murmelt er leise. Eine weitgehend unbekannte Kehrseite
des grünen Goldes aus Michoacán.
27 Sep 2016
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Avocados
Mexiko
Regenwald
Rodung
Umweltschutz
Nachhaltigkeit
Mexiko
Lesestück Interview
Palmöl
Umweltschutz
Biodiversität
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