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# taz.de -- Verwendung von Palmöl: Ein fettes Dilemma
> Andere Fette als Palmöl zu verwenden, wäre unökologischer, so WWF. Die
> Organisation steht für ihre Rolle in der Branche selbst in der Kritik.
Bild: Der WWF ignoriert die sozialen Probleme des Palmölanbaus, sagen Kritiker
Berlin taz | „Man muss aufhören, Nutella zu essen“ – so rief Frankreichs
Umweltministerin Ségolène Royal einst zum Boykott palmölhaltiger Produkte
auf. Royal entschuldigte sich zwar später bei Ferrero für den Schokobann –
viele Naturschützer sprechen sich aber dafür aus, auf den ökologisch und
sozial höchst umstrittenen Anbau von Palmöl zu verzichten.
Doch ein pauschaler Boykott wäre der falsche Weg, zeigt [1][eine neue
Studie des WWF:] Das Ersetzen des Öls durch andere Pflanzenöle in
Deutschland könnte die ökologischen Folgen sogar verschlimmern, folgert die
Umweltschutzorganisation in dem Bericht, der am Dienstag veröffentlicht
wird.
Bei einem Austausch von Palmöl durch Kokos-, Soja-, Sonnenblumen- und
Rapsöl stiege demnach der Flächenbedarf weltweit um rund 1,4 Millionen
Hektar an. Zu dem erhöhten Flächenbedarf kommt es, da die Ölpalme viel
ertragreicher ist als die meisten anderen Pflanzen.
Durch den höheren Flächenbedarf und einmalige Landnutzungsänderungen in der
Folge stiege zudem der CO2-Ausstoß stark an. Insgesamt rund 309 Millionen
Tonnen zusätzliche Emissionen hat der WWF errechnet. Auch gefährde ein
solches Szenario Tier- und Pflanzenarten noch stärker.
## Bedrohte Orang-Utans
Wenn man das Palmöl ausschließlich durch heimisches Rapsöl ersetzte, sei
das zwar für die Artenvielfalt vorteilhafter. Jedoch werde dann für den
Anbau in Deutschland eine zusätzliche Fläche von 730.000 Hektar benötigt,
sagt WWF-Palmölexpertin Ilka Petersen.
Das ist eines der Probleme des Anbaus: „Er wächst rund um den Äquator, wo
es auch die höchste Biodiversität gibt“, erklärt Petersen. Etwa 85 Prozent
der weltweiten Palmölproduktion kommt aus Malaysia und Indonesien. Für
Plantagen wird Regenwald gerodet, was Tieren wie dem bedrohten Orang-Utan
den Lebensraum nimmt. Auch aus sozialer Sicht ist der Palmölsektor höchst
umstritten: Immer wieder wird etwa von der Vertreibung Indigener von ihrem
Land berichtet.
Insgesamt sei die Datenlage für die Palmölindustrie recht unsicher. Der WWF
hat aber herausgefunden, dass ein Großteil des hiesigen Verbrauchs in den
Tank wandert: 41 Prozent stecken demnach in Biodiesel. Weitere 40 Prozent
des deutschen Konsums verwende die Nahrungsmittelindustrie.
## Verzicht statt Ersatz
Deswegen fordert der WWF zum Verzicht auf Biokraftstoffe aus Palmöl auf –
und dazu, das eigene Einkaufsverhalten zu überdenken. „Weniger Fettes,
Süßes, Fertiges, weniger Fleisch“, fasst WWF-Referentin Petersen zusammen �…
denn oft wird das Palmölfett in Fertigwaren, Süßigkeiten und in
Futtermitteln verwendet.
So lasse sich die Hälfte des deutschen Palmölbedarfs einsparen, betonen die
Umweltschützer. Für die anderen 50 Prozent fordern sie vor allem bessere
Anbaubedingungen – auch die Politik solle sich dafür einsetzen, dass
Importe in die EU soziale und ökologische Standards erfüllen müssen.
Die Zertifizierung mit der größten Reichweite ist der RSPO-Standard, mit
der allerdings derzeit auch nur 17 Prozent des weltweiten Palmölverbrauchs
ausgewiesen sind. Der WWF ist Mitbegründer des Roundtable on Sustainable
Palm Oil (RSPO), unter dessen Mitgliedern auch Großkonzerne wie Unilever
sind. Doch die Kriterien der Zertifizierung sind etwa von einem Ökolabel
weit entfernt. Es seien nur „Mindestanforderungen“, betont auch der WWF.
## WWF steht in der Kritik
Auch wenn Umweltschützer mit Forderungen etwa nach einem Verzicht auf
Biokraftstoff aus Palmöl übereinstimmen – viele sehen die Organisation
wegen der Unterstützung des RSPO-Siegels skeptisch: „RSPO ist
Greenwashing“, sagt Mathias Rittgerott, Campaigner beim Verein „Rettet den
Regenwald“. „Da sitzen die größten Umweltzerstörer mit am Tisch.“
Auch Oliver Pye, der an der Universität Bonn zum Thema Palmöl forscht,
kritisiert die Nähe des WWF zur Industrie. Die Organisation wiederhole
„bekannte Argumente, die seit Jahren von der Propagandaabteilung der
malaysischen Palmölindustrie, des Malaysian Palm Oil Councils,
hervorgebracht werden“, mahnt Pye. Dass die Palmölpflanze so produktiv sei,
ändere nichts daran, dass die Zerstörung von Regenwäldern eine
„einzigartige Biodiversität vernichtet“.
Vor allem aber stört sich der Forscher daran, dass der WWF die sozialen,
politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht beachte. Zwar
fordert der WWF von Unternehmen, Palmöl zu nutzen, das „strenge soziale und
ökologische Kriterien“ erfüllt. Das reicht Pye nicht: Er plädiert dafür,
mit „Kleinbauernverbänden und Gewerkschaften“ zusammenzuarbeiten. „Wir
sollten ihre Kämpfe unterstützen und nicht ihre Gegner.“
30 Aug 2016
## LINKS
[1] http://wwf.panda.org/what_we_do/footprint/agriculture/palm_oil/
## AUTOREN
Eva Oer
## TAGS
Palmöl
WWF
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CO2
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