# taz.de -- Malerin Svenja Maaß im Porträt: „Aha, ein Pfeilgiftfrosch“ | |
> Die Hamburger Künstlerin Svenja Maaß liebt kleine und große Formate. | |
> Warum sie fellige Tiere als Motiv – und die Belebtheit von gemalten | |
> Gurken liebt. | |
Bild: Der Künstlerin Svenja Maaß ist relativ egal, um welche Spezies es sich … | |
Wuchtig wirkt die leere Eingangshalle, mächtig. Jahrzehnte lang standen | |
hier die Transformatoren des Kraftwerks Hamburg-Bille, 1899 in Betrieb | |
genommen und seit 2011 ein geschütztes Denkmal, dessen Zukunft die Stadt im | |
Bereich kultureller Nutzung sieht. Die einst hier aufgereihten Apparate | |
drosselten den Strom, der rund um die Uhr erzeugt wurde, leiteten ihn | |
weiter bis in die Haushaltssteckdosen. Aus einem Zuviel wurde also gerade | |
genug – also in etwa das Gegenteil von dem, was in der Kunst passiert. | |
„Es ist ein großes Glück, hier arbeiten zu dürfen“, sagt Svenja Maaß und | |
geht voran durch winkelige Gänge, nimmt die Stufen durch ein breites, hohes | |
Treppenhaus, öffnet und schließt Türen aus solidem Eisen. So gut wie jeden | |
Werktag ist sie hier, mal früher, mal später. Je nachdem, was zu Hause an | |
Familienchaos zu bewältigen war oder was an Büroarbeit liegengeblieben ist; | |
Büroarbeit, wie sie anfällt, wenn Ausstellungen nicht die Ausnahme in des | |
Künstlers Leben sind, sondern die Regel. | |
Aber irgendwann ist sie hier, um zu arbeiten. Manchmal fließe viel Kaffee | |
und es passiere nichts. Obwohl – nichts, das gebe es nicht. Und die | |
Langeweile, die sie zuweilen plage, sei keine echte Langeweile. Maaß weist | |
auf einen Stapel an wuchtigen Bildbänden aus den 60er-, 70er- und | |
80er-Jahren, die in einer Ecke auf dem Boden liegen. Die hat sie gerade in | |
Einzelteile zerlegt, ohne eine konkrete Absicht. „Ich mache ja auch | |
Collagen“, erzählt die gebürtige Bielefelderin, „vielleicht ergibt das | |
Material, vielleicht aber ist es auch Schwachsinn, den ich nie gebrauchen | |
werde.“ Das weiß in diesem Moment nicht mal sie selbst, die Künstlerin. | |
„Ich male gerne ganz groß, und ich male gerne ganz klein.“ Die Formate | |
dazwischen fielen ihr eher schwer. | |
„Früher habe ich mir wirklich ein Motiv ausgedacht und dann los gemalt“, | |
erzählt Maaß, einen Rehbock etwa, wie er auf einer Tischplatte liegt, und | |
über seiner Augenpartie wiederum liegt ein Hering. „Das habe ich dann | |
gemalt und hinterher, wenn es fertig war, ‚Hopp!‘ oder ‚Topp!‘ gesagt�… | |
gelungen oder nicht. | |
## „Ich konnte tun und lassen, was ich wollte“ | |
Inzwischen ist sie weiter. Inzwischen fängt sie an zu malen – und dann | |
beginnt die Arbeit. Dann dreht sie dreht das Bild, manchmal auch ganz | |
wörtlich, sie ändert, korrigiert, übermalt. „Nicht immer geht alles glatt, | |
das ist dann jeweils ein kleines Scheiterchen, wenn es unterwegs hakt.“ | |
Maaß lacht. „Scheiterchen – habe ich mir grad ausgedacht.“ | |
Dass sie mal Künstlerin sein würde, war nicht so strikt geplant: Nach der | |
Schule absolvierte sie ein einjähriges Praktikum in einer | |
Künstlerwerkstatt, begleitete und organisierte erst Kurse und dann | |
Ausstellungen für Kinder, für Erwachsene, auch für solche mit Handicaps. | |
Und wann immer zwischendurch Zeit war, ging sie selbst ins dazugehörige | |
Atelier: malte für sich, modellierte auch mal, aber Malen war und blieb | |
Dreh- und Angelpunkt. | |
Die Künstlerin, die die Werkstatt leitete, habe ihre Sachen durchaus mal | |
kommentiert, sagt Maaß, „aber vor allem konnte ich tun und lassen was und | |
wie ich wollte; es gab keinen Plan, den ich erfüllen sollte. Ich habe | |
einfach fleißig vor mich hin gearbeitet.“ Danach bewarb sie sich an | |
Kunsthochschulen: „Ich hatte gewittert, dass ich möglichst viel von dem | |
unbehelligt weitermachen konnte, was ich bisher gemacht hatte.“ Sie landet | |
an der Kunsthochschule in Braunschweig, und das also ausdrücklich ohne den | |
Plan, sich zur Künstlerin ausbilden zu lassen – „komischerweise mündete es | |
genau darin.“ | |
Schon vor dem Studium hatte sie sich mit dem klassischen Stillleben | |
beschäftigt, nun vertiefte sie das. „Ich wollte, dass der Kürbis, der vor | |
mir lag, mit malerischen Mitteln auf die Leinwand kam, und das habe ich | |
relativ ausdauernd und lange gemacht.“ Bis sie zunehmend frustriert war: | |
„Dass nicht mehr da war als ein Kürbis, das hat mich geärgert.“ | |
## Krokodilhafte Gurken | |
Nicht nur Kürbisse, auch mit Gurken befasste sie sich immer wieder, malte | |
viele Varianten, betrachtete sie aus verschiedenen Perspektiven – bis sich | |
die Gurke belebte, wesenhaft wurde, einen vielleicht auch erschreckte als | |
möglicherweise krokodilhaftes Etwas. | |
Bei Menschendarstellungen gab es ein Problem: „Ich kann Menschen schnell | |
zuordnen: Trägt jemand eine Armbanduhr, dann lebt er in der Jetztzeit; | |
trägt er eine Jeans, ist er eher ein lässiger Typ. Das alles war mir an | |
Informationen zu viel, und dieses Problem habe ich mit den Tieren nicht.“ | |
Schnell sortierte sie also alle menschlichen Figuren wieder aus. | |
„Übriggeblieben sind die Tiere, die ich als Arbeitsmaterial benutze.“ Dabei | |
bricht sich keine womöglich biografisch veranlagte Obsession Bahn: „Ich bin | |
nie geritten, ich lebe nicht mit Tieren zusammen, ich habe auch kein | |
zoologisches Interesse.“ Es komme sogar vor, dass jemand vor eines ihrer | |
Bilder tritt und sagt: „Ach, das ist ja ein Pfeilgiftfrosch.“ Und sie | |
selbst dann denke: „Aha, ein Pfeilgiftfrosch.“ Mit Tieren kenne sie sich ja | |
„eigentlich gar nicht aus“. | |
Viele Tierarten lassen sie denn auch völlig kalt, Insekten etwa. Am | |
liebsten hat sie fellige Tiere: Schafe, Büffel, Tapire, Affen. Die uns | |
anschauen vom Bild herunter, weil wir meinen, dass sie uns anschauen, | |
ernst, melancholisch, nachdenklich. | |
## Ausstellung für zweieinhalb Leute kommen vor | |
Es sei nicht einfach, in Hamburg als Künstlerin zu leben, erzählt Maaß, die | |
schon in Flensburg gelehrt hat, in Hamburg und in Braunschweig. Sie habe es | |
aber noch ganz gut, und das wegen der Malerei: „Die lässt sich nicht nur | |
leicht verpacken und stapeln, sondern es gibt auch Abnehmer, die sich ein | |
Bild an die Wand hängen möchten.“ Und dann malt sie sich kurz aus, was | |
wäre, machte sie stattdessen Konzeptkunst oder Installationen … | |
Klar: Das Klinken-Putzen, das Gekurbel jenseits der normalen, eigentlich | |
entscheidenden Atelierarbeit gibt es auch bei ihr: „Du hast eine | |
Ausstellung, mietest einen Transporter, fährst selbst, zahlst das alles und | |
dann kommen zweieinhalb Leute und finden deine Bilder nur so mittel, das | |
tut schon weh – aber das muss man ablegen.“ | |
Und sie schaut auf ihre Atelierwände, auf den langgestreckten Tisch voller | |
Tuben und Farben, darüber frühe Gurkenbilder: „Ich erlebe so viele | |
Menschen, die tief frustriert sind, weil sie eine Arbeit machen, die sie | |
nicht machen wollen und die ihnen nicht die Zeit für das lässt, was sie | |
machen wollen.“ Das ist nicht ihre Welt. „Wenn ich zufrieden nach Hause | |
gehe, ist doch schon viel gewonnen.“ Und: „Sagen zu können, ich arbeite in | |
einem Kraftwerk – das finde ich immer wieder gut.“ | |
14 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
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