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# taz.de -- Nach der Berlin-Wahl: Gruseln macht stark
> Müssen die etablierten Parteien Angst vor dem Nicht-mehr-Nichtwähler
> haben? Und kippt die AfD das Gleichgewicht? Lehren vom Sonntag.
Bild: Ja, es klingt komisch, aber dank den AfD-Wählern ist jetzt wieder alles …
Keine Partei hat in Berlin so viele Nichtwähler für sich gewinnen können
wie die AfD. Glaubt man den Analytikern von infratest dimap, haben 69.000
BerlinerInnen für die AfD gestimmt, die vor 5 Jahren erst gar nicht ins
Wahllokal gegangen sind. Sie sind aus ihrer Lethargie erwacht und haben nun
auch in Berlin massenweise die Rechtspopulisten gewählt, weil die so schön
einfache Parolen haben.
Aber sind die Nicht-mehr-Nichtwähler deshalb schuld am Wahlausgang? Wer das
glaubt, macht es sich genauso einfach wie der typische AfD-Wähler. Diese
haben nämlich nicht allein dafür gesorgt, dass die Wahlbeteiligung
exorbitant von 60,6 auf 66,9 Prozent geklettert ist. Man geht zur Wahl,
wenn man das Gefühl hat, dass es um etwas geht. Dass man etwas verändern
kann – in allen politischen Lagern.
Stark war deshalb offenbar auch der Wunsch, einer aufstrebenden AfD etwas
entgegenzusetzen – mit einem Kreuz bei einer anderen Partei. Denn nur ein
gutes Viertel der Diesmal-nicht-Nichtwähler stimmte für die AfD. Auch die
anderen Parteien haben also ordentlich mobilisiert – selbst die SPD, die ja
kräftig verloren hat.
## Noch mehr Gründe
Mindestens so ausschlaggebend wie die Motivation der Nichtwähler sind für
den Ausgang der Wahlen andere Faktoren. So sind allein 15 Prozent
derjenigen, die 2011 noch Piraten gewählt haben, nicht zu einer anderen
Partei oder den Nichtwählern gewechselt, sondern schlichtweg fortgezogen –
ein extrem hoher Wert. Die CDU hat offenbar eine viel bodenständigere
Wählerschaft. Sie verlor nicht einmal 4 Prozent ihrer Anhänger durch Umzug.
Allerdings hat sie ein Problem mit dem Alter. 9,4 Prozent ihrer Wähler sind
in den letzten fünf Jahren gestorben, deutlich mehr als bei allen anderen
Parteien. Der Tod nahm der Union fast genauso viele Wähler wie die AfD.
Noch eine Lehre aus dem Wahlsonntag: Parteien müssen sich auf Menschen
kaprizieren, die neu in der Stadt sind. Die sind offen für Veränderung und
haben noch Lust, sich einzubringen. Besonders bei Zuzüglern mit deutschem
Pass haben sie richtig gute Chancen. Denn die sind am Sonntag zu 75 Prozent
zur Wahl gegangen, deutlich über dem Schnitt. Und sie haben viel seltener
für die AfD gestimmt als Alteingesessene.
## Stammwähler futsch
Ein Problem eint alle: Sie schaffen es kaum noch, ihre Wähler zu halten.
Nur 57 Prozent derjenigen, die vor fünf Jahren ihr Kreuz bei der
Linkspartei setzten, haben das diesmal wieder getan. Der Wert klingt
niedrig? Ist er aber nicht. Im Gegenteil. Bei SPD, Grünen und CDU liegt er
sogar noch unter 50 Prozent.
Was die Wahl außerdem hervorgebracht hat, ist das alte Rechts-links-Schema
– in neuem Kleid. Rechts wie links gibt es jetzt mit SPD und CDU wieder
eine Volkspartei, allerdings so stark dezimiert, dass Große Koalitionen in
der Mitte unwahrscheinlicher werden. Hinzu kommt in beiden Lagern eine
Partei, die vom jeweils anderen Block als das unantastbar Böse gesehen wird
(Linke und AfD). Und ebenfalls auf beiden Seiten gibt es eine bürgerliche
Kleinpartei, die gern auch mal mit denen von der anderen Seite spielt, wenn
es denn gerade passt (Grüne und FDP). Mit diesem Parteiensechser ist alles
wieder im Lot – fast so wie damals, als es nur drei Parteien gab und klar
war, wer welche Rolle spielt.
Heißt das dann auch, dass es bald Koalitionen zwischen CDU, AfD und FDP
geben wird? Ja, leider. Aber wie schon festgestellt: Wenn der Wähler weiß,
was ihm droht, geht er eher zur Urne. Und daraus keimt eine Hoffnung: Der
Grusel am rechten Rand wird die linke Hälfte der Gesellschaft stärken.
20 Sep 2016
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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