# taz.de -- Martin Delius über die Linkspartei: „Netzpolitik ist ein soziale… | |
> Der Ex-Pirat Martin Delius ist kurz vor der Wahl in Berlin zur | |
> Linkspartei gewechselt. Für die sucht er jetzt den Internetanschluss. | |
Bild: Ist jetzt Linker: Martin Delius | |
taz: Herr Delius, Sie sind vergangene Woche in die Linkspartei eingetreten, | |
ihre E-Mail-Adresse lautet nach wie vor mdelius@piratenfraktion-berlin. Die | |
gilt noch bis Sonntag? | |
Martin Delius: Diese E-Mail-Adresse ist so lange gültig, bis wir die | |
Fraktion abgewickelt haben. Nach der Konstituierung des neuen Parlaments | |
müssen wir noch Räume leerziehen, Wertsachen zurückgeben und natürlich auch | |
unsere politischen Inhalte archivieren, sodass man sie noch verwenden kann. | |
Sie sind schon seit ein paar Monaten bei der Linkspartei aktiv. Warum sind | |
Sie erst jetzt eingetreten? | |
Wir haben Anfang des Jahres mit 34 Ex-Piraten das Zeichen gesetzt, dass wir | |
die Linke unterstützen. Ich hatte mit meiner Fraktion die Abmachung | |
getroffen, dass ich bis zum Ende der Legislatur in keine andere Partei | |
eintrete. Das Ende ist quasi erreicht, und so habe ich für meine neue | |
Partei die Gelegenheit genutzt, Öffentlichkeit herzustellen. | |
Wo verorten Sie sich innerhalb der Linken, bei den Pragmatikern oder den | |
Marxisten? | |
Ich zähle mich eher zu den Reformern. Das heißt aber nicht, dass ich in | |
irgendeiner Weise festgefahren wäre, was die innerparteilichen | |
Auseinandersetzungen angeht. Das Schöne bei der Linkspartei ist, dass es | |
große Chancen auf inhaltliche Erweiterungen und neue Themen gibt. | |
Welche wollen Sie in der Programmdebatte setzen? | |
Ich sage gern, ich suche den Internetanschluss in der Linkspartei. Meine | |
Themen sind im Bereich Netzpolitik und Probleme des 21. Jahrhunderts | |
angesiedelt. Und da möchte ich mich in die anstehende Programmdiskussion | |
gern einbringen. | |
Die Linke hat gerade in diesen Bereichen Nachholbedarf? | |
Das stimmt nur halb. Was technische Fragen angeht, etwa im Bereich | |
Digitalisierung oder Arbeit 4.0, da hat die Linkspartei schon verstanden, | |
dass man sich darum kümmern muss, und ist gut aufgestellt. Aber man muss | |
das Thema Netzpolitik insbesondere auch als ein soziales Thema begreifen. | |
Es ist bei einigen noch nicht angekommen, dass Themen wie Urheberrecht und | |
freier Zugang zu Wissen sehr wohl Fragen sozialer Gerechtigkeit sind. | |
Was hat das Urheberrecht mit sozialer Gerechtigkeit zu tun? | |
Da geht es um eine ursoziale Frage: Wie kann man künstlerisches Handeln, | |
kreative Produkte vernünftig vergüten, ohne auf die Nutzerinnen und Nutzer | |
einzuschlagen, die sich am Ende nicht wehren können. Hier muss man etwa die | |
europäische Abmahnindustrie in den Fokus nehmen und im Internet vorhandene | |
und hauptsächlich von großen, international auftretenden | |
Verwertungsgesellschaften gewollte Schranken. Dabei geht es um den Zugang | |
zu Wissen und um gesellschaftliche Teilhabe. Da ist meine Position: | |
Schranken und Grenzzäune für Inhalte sind zwar nicht tödlich wie Grenzzäune | |
gegen Menschen, aber genauso sinnlos. | |
Viele Auseinandersetzungen innerhalb der Partei spielen vor der Folie: | |
Wollen wir Regierungsbeteiligung und wenn ja, um welchen Preis. Aktuell | |
wäre Rot-Rot-Grün eine Option in Berlin. Auch für Sie? | |
In Berlin hätten wir mit Rot-Rot-Grün eine große Chance. Es gibt so viele | |
Punkte – etwa das Wahlrecht ab 16 Jahren, den Umgang mit Geflüchteten, die | |
richtige Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge, den Nahverkehr – bei denen | |
ich in den letzten Jahren merkte, dass es breite linke Mehrheiten für | |
Lösungen gibt. Aber die große Koalition stand diesen entgegen. Mit | |
Rot-Rot-Grün haben wir die Chance, diese wichtigen Themen mal abzuräumen, | |
da bin ich auf jeden Fall für eine Regierungsbeteiligung. Um jeden Preis | |
natürlich nicht. | |
Die Linke ringt auch um den Umgang mit Wählern, die einst aus Protest die | |
Linke wählten und nun die AfD. Soll man sie ziehen lassen, oder wie Sahra | |
Wagenknecht es versucht, sie umwerben? | |
In Berlin sind die Protestwähler sowieso kein Thema mehr, denn die Berliner | |
Linke war zehn Jahre Regierungspartei und ist schon seit langer Zeit keine | |
Protestpartei mehr. Grundsätzlich denke ich , dass es nicht klug wäre, sich | |
auf diese offensichtlich nach rechts sehr offenen Wählerschichten, die als | |
Protestwähler gelten, zu konzentrieren. Es ist wichtig, einen eigenen | |
Zukunftsentwurf anzubieten. Aber das erreicht man nicht mit | |
Protestrhetorik, sondern da muss man seine eigene Linie fahren. | |
Im nächsten Abgeordnetenhaus werden sie nicht vertreten sein … | |
…ja, das ist quasi unmöglich. | |
Wissen Sie, was Sie die nächsten fünf Jahre machen? | |
Nö. Mal sehen. | |
13 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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