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# taz.de -- Grünes Spitzenduo für Bundestagswahl: Zwei werden gewinnen
> Beim Länderrat haben die Grünen am Samstag in Berlin den Startschuss für
> die Urwahl ihrer beiden SpitzenkandidatInnen gegeben.
Bild: Regieren wollen sie alle: Hofreiter, Özdemir, Göring-Eckardt und Habeck
Berlin taz | Anton Hofreiter hat seinen letzten Satz noch nicht beendet, da
brandet tosender Applaus auf. Die ParteifreundInnen jubeln und klatschen.
Der Kandidat setzt sich etwas atemlos, trinkt einen Schluck Wasser. Das
Rennen um die grüne Spitzenkandidatur ist eröffnet – und es wird spannend.
Die knapp 60.000 Mitglieder der Partei sollen per Urwahl bestimmen, wer sie
in den Bundestagswahlkampf führt. Motto: „Basis ist Boss“. Hier auf dem
Länderrat, einer Art Kleinem Parteitag, fällt der Startschuss. Bisher gibt
es vier KandidatInnen: die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und
Anton Hofreiter, den Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Robert Habeck,
Energiewendeminister in Schleswig-Holstein.
Als bisher einziger Frau ist Göring-Eckardt die Position ziemlich sicher:
Eine der zwei Spitzengrünen muss weiblich sein. Zwar hat die
Brandenburgerin Sonja Karas ihre Kandidatur angekündigt – ihr fehlt aber
noch das nötige Votum eines Kreis- oder Landesverbandes.
Die Bühne im Umspannwerk am Berliner Alexanderplatz ragt weit in den Raum
hinein, das Ambiente mit den hohen Decken und nackten Wänden erinnert an
einen Boxclub.
Cem Özdemir ist Profi. Spitzenpolitiker und trotzdem „einer von uns“ –
dieses Bild bedient er perfekt. In Jeans und Turnschuhen erzählt Özdemir
auf der Bühne von der Einschulung seines Sohns und leitet über zu einem
seiner aktuellen Lieblingsthemen: Bildungschancen. Jedes Kind auf der Welt
habe es verdient, zur Schule zu gehen, sagt Özdemir, ohne Krieg und ohne
Bomben.
Wer in Deutschland Millionen für einen nicht eröffneten Flughafen ausgeben
wolle statt für LehrerInnen, der solle die Große Koalition wählen – alle
anderen seien bei den Grünen richtig. Alles, wofür die Partei sich
eingesetzt hätte, stehe wieder zur Disposition, sagt Özdemir mit Blick auf
die AfD. „Wollen wir weiter ins 21. Jahrhundert oder zurück in die 50er
Jahre?“
Die offene Gesellschaft verteidigen, das wollen alle KandidatInnen. Gar als
„last Party standing“ sieht Göring-Eckardt ihre Partei. Seehofer sei mit
seiner Imitation der Rechten die „Abrissbirne der Demokratie“, SPD-Chef
Sigmar Gabriel müsse mal entscheiden, „ob er auf der hellen oder der
dunklen Seite stehen will“. Die Antwort der Bundesregierung auf die
Verunsicherung der Menschen? „Ravioli“, ruft Göring-Eckardt dem Publikum
empört zu, „Hamsterkäufe!“
Politik sei auf einmal relevanter als je zuvor, betont Robert Habeck. Der
47-jährige Sonnyboy mit Jackett, Jeans und Dreitagebart findet, die Antwort
auf die AfD dürfe nicht Angst sein, sondern ein „Jetzt erst recht“. Die
Frage sei, wie man in einer unsicheren Welt mit dem Gedanken der Freiheit
leben könne. Die Grünen müssten über das eigene Milieu hinaus
mehrheitsfähig werden, sagt Habeck, nicht nur für acht oder zehn Prozent
der Gesellschaft, „verdammte Hacke!“
Der Star unter den RednerInnen aber ist Anton Hofreiter. Der will nicht nur
die offene Gesellschaft verteidigen, sondern „offensiv“ werden. „Haben wir
denn wirklich Gleichberechtigung?“, fragt er. Weder seien Homosexuelle in
Deutschland wirklich gleichgestellt, noch hätten Frauen das gleiche
Einkommen wie Männer.
„An Waldsterben und schäumende Flüsse und bald an Atomkraftwerke kann sich
keiner mehr erinnern, das sind doch irre Erfolge“, ruft der Öko. Nie hätte
er gedacht, dass die Grünen mal die Autoindustrie retten würden – „aber
wenn es sein muss, machen wir das auch noch!“ Die Grünen würden „eine Welt
schaffen, in der es unseren Kindern besser gehen wird als uns“. Das zieht.
Kein anderer an diesem Tag versetzt die Delegierten in solche Euphorie.
Ein Statement; denn Hofreiter ist der einzige Bewerber des linken Flügels.
Viele räumen ihm wenig Chancen ein, manche Medien sprechen gar von einem
Duell Özdemir gegen Habeck. Özdemir wiederum mahnt an, die Flügelkämpfe
ruhen zu lassen. Die Zeit für Koalitionsüberlegungen sei nach der Wahl.
Diesem Kurs hat sich inzwischen selbst Winfried Kretschmann,
Ministerpräsident im grün-schwarzen Baden-Württemberg, angeschlossen.
Laut Umfragen gibt es zurzeit weder für Rot-Rot-Grün noch für Schwarz-Grün
eine Mehrheit. Alle vier KandidatInnen wären für eine Koalition mit der CDU
zu haben – wenn auch zu unterschiedlichen Bedingungen. Der Ausgang der
Urwahl wird wenig Aufschluss über eine tatsächliche Koalition geben – wohl
aber darüber, welchen Kurs sich die grüne Basis wünscht.
11 Sep 2016
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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