# taz.de -- Ideen für den Schulneubau: Auf Pump gebaut | |
> Noch hat die Stadt nicht gewählt, da finden sich bereits die | |
> Koalitionspartner zusammen. Etwa beim Thema Schulbau: Linke und SPD sind | |
> sich einig, Grüne warten noch. | |
Bild: Dringend renovierungsbedürftig. Grundschule in Berlin. | |
Seit Wochen prophezeien die Umfragen zur Abgeordnetenhauswahl am 18. | |
September eine Dreierkonstellation: Rot-grün-rot, sagen Meinungsforscher, | |
wird diese Stadt die kommenden fünf Jahre regieren. Und auch die | |
Parteipolitiker halten diese Möglichkeit offenbar für beinahe schon | |
ausgemacht. So laufen denn auch bei wesentlichen Themen, die die nächste | |
Legislaturperiode bestimmen werden, die Annäherungs- (und | |
Abgrenzungs-)versuche auf Hochtouren: Die Koalitionsverhandlungen haben | |
begonnen. | |
Zum Beispiel beim Schulbau. Den Auftakt machten im Januar die Grünen. Sie | |
stellten ein Konzeptpapier vor, bei dem drei regionale | |
Schulbaugesellschaften Berlins knapp 4.650 Schulgebäude bewirtschaften. | |
Dafür bezahlen sie den Bezirken, die Eigentümer der Schulgebäude bleiben, | |
eine Miete. Der Vorteil, den die Grünen darin sehen: Man käme endlich weg | |
von dem undurchsichtigen und bürokratisch aufwendigen Klein-Klein aus | |
vielen verschiedenen Bezirks- und Senatsprogrammen im Haushalt. | |
Die CDU konnte sich so etwas Ähnliches auch mal kurzzeitig vorstellen. | |
Zeitgleich mit den Grünen dachte deren Fraktionschef Florian Graf sogar | |
laut darüber nach, einen Landesbetrieb Schulbau zu gründen, und die Bezirke | |
komplett aus der Verantwortung zu nehmen. Doch als sich im Frühjahr der | |
Stimmungstrend in Richtung Mitte-links Regierung verfestigte, versuchte die | |
CDU beim Thema Schulbau lieber in der Rolle der (künftigen) Opposition zu | |
punkten: alle Macht den Bezirken, und alles bleibt, wie es ist. | |
So war es dann ausgerechnet die Linke, die Anfang Juli die Idee von einem | |
Landesbetrieb Schulbau wieder zur Diskussion stellte – und sogar noch eins | |
draufsetzte. Denn auch die Linke will weg von der Flickschusterei vieler | |
kleiner Finanzierungstöpfe für die Schulen. Tatsächlich will sie den | |
Schulbau überhaupt nicht mehr über Haushaltsmittel finanzieren. Sondern | |
unter Umgehung der Schuldenbremse über zinsgünstige Investitionskredite. | |
Und die SPD? Stellte nur drei Tage nach den Linken ein beinahe identisches | |
Konzept vor. Das Thema Schulbau dürfte SPD und Linke in möglichen | |
Koalitionsgesprächen nicht aufhalten. | |
Dennoch – gut möglich, dass Berlin in den nächsten Jahren seine Schulen auf | |
Pump baut und saniert. Denn die Notwendigkeiten, sagen die Linken, seien ja | |
glasklar. Auf fünf Milliarden Euro haben Senat und Bezirke vor den | |
Sommerferien den Sanierungsbedarf in den nächsten zehn Jahren beziffert. | |
Hinzu kommen nochmal 2,7 Milliarden Euro für Neu- und Ausbau. „Da sehe ich | |
nicht, wie das über den Haushalt finanziert werden soll“, sagt die | |
bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Regina Kittler. „Es sei | |
denn, man streicht sämtliche Investitionen in Infrastruktur wie Straßen, | |
Brücken, Krankenhäuser – aber die braucht eine wachsende Stadt ja auch.“ | |
## Schulbau auf Kredit | |
Berlin könne aber sehr wohl die Zinsen eines Kreditmodells bedienen, | |
rechnet der ehemalige linke Wirtschaftssenator Harald Wolf vor. Und käme | |
dabei sogar noch billiger davon: 173 Millionen Euro wurden 2015 insgesamt | |
im Haushalt für die Schulsanierung veranschlagt. Die Linke will künftig für | |
150 Millionen Euro die jüngst ermittelten Sanierungsbedarfe abarbeiten – | |
und neu bauen noch dazu. Vorausgesetzt natürlich, die Zinsen für kommunale | |
Investitionskredite bleiben so günstig, wie sie sind. „Aber diese | |
Geldquelle jetzt nicht zu nutzen, das wäre sträflich“, findet Wolf. Der | |
Linken schwebt ein sogenanntes Annuitätendarlehen vor: feste | |
Rückzahlungsraten, Zinsbindung, ein langer Tilgungszeitraum von 20 Jahren. | |
Die Risiken wären wohl überschaubar. | |
Haushaltspolitischer Unfug, kontern da die Grünen – zumindest was die Idee | |
angehe, den Sanierungsbedarf der Schulen durch Kredite zu finanzieren. „Um | |
die Schuldenbremse zu umgehen, müsste das Land Berlin dann auch das | |
Eigentum an den Schulen auf die Gesellschaften übertragen“, sagt Jochen | |
Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Doch die | |
Wohnungsbaugesellschaften, die nach der Linken-Idee die notwendigen Kredite | |
für die Sanierung beschaffen sollen, hätten primär nun mal anderes zu tun, | |
findet Esser – nämlich, Wohnungen zu bauen. | |
Für durchaus „denkbar“ hält der Grünen-Abgeordnete hingegen den Schulneu… | |
a la Linkspartei. „Da könnten die Wohnungsbaugesellschaften eine | |
Tochtergesellschaft Schulbau gründen, die Neubauten könnte das Land per | |
Mietkauf leasen.“ | |
Nun könnte man allerdings auch ganz einfach sagen: Es ist schlicht eine | |
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Schulen zu bauen. Also müssen die Mittel | |
aus dem Haushalt kommen: aus Prinzip. Auch die bildungspolitische | |
Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger, wiederholte noch bis vor kurzem | |
gebetsmühlenartig: das Geld muss aus dem Haushalt kommen, und zwar aus | |
Prinzip. Inzwischen sagt auch sie: Beim Neubau könne man über das | |
Linken-Modell reden. Nur noch zwei Wochen bis zur Wahl. | |
4 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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