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# taz.de -- Kommentar Innenpolitik Türkei: Ein bisschen Entspannung
> Einiges deutet darauf hin, dass Erdoğan innenpolitisch mehr den Konsens
> sucht. Zugleich arbeitet er weiter am Ausbau seiner Machtposition.
Bild: So ganz kommt Erdoğan (rechts) an Staatsgründer Atatürk (links) noch n…
Der türkische Präsident Erdoğan scheint erste Entspannungssignale zu
senden: Er werde [1][alle Beleidigungsklagen gegen Politiker, Journalisten
Schriftsteller und sonstige Kritiker zurückziehen], erklärte er während
einer Großveranstaltung zum Gedenken der getöteten Zivilisten während des
Putschversuches. Dies sei ein Zeichen der Anerkennung des
gesamtgesellschaftlichen Widerstandes gegen die Putschisten.
Ist das der Zynismus eines Diktators oder tatsächlich ein Signal, dass
Erdoğan bereit sein könnte mitzuhelfen, die tiefen Gräben innerhalb der
türkischen Gesellschaft langsam wieder zuzuschütten? Es hat außer dieser
Ankündigung noch andere Signale gegeben, die darauf hindeuten könnten.
Zunächst hatten alle Parteien im Parlament gemeinsam den Putsch verurteilt,
dann gab es ein Treffen Erdogans mit den Parteiführern der Opposition,
allerdings unter Ausschluss der kurdisch-linken HDP.
Es gab eine [2][erlaubte Großdemonstration der sozialdemokratischen CHP]
auf dem seit Jahren für Demos gesperrten Taksim-Platz in Istanbul, der
Sonntag eine weitere in Izmir folgen soll. Und während der allerorten
inszenierten Pro-Erdoğan-Demos werden immer wieder auch Atatürk-Bilder
geschwenkt und kemalistische Hymnen angestimmt. Außerdem sind die beiden
Hürriyet-Journalisten Bülent Mumay und Arda Akin, die sicher nichts mit der
Gülen-Bewegung zu tun haben, aus der Haft entlassen worden.
Versucht sich Erdoğan also tatsächlich an einem neuen innenpolitischen
Konsens? Ja und Nein. Erdoğan geht im Moment tatsächlich ein wenig auf das
traditionelle kemalistische Lager zu. Die meisten Verhaftungen,
Entlassungen und Schließungen von Medienanstalten zielen erst einmal auf
die Gülen-Bewegung im weitesten Sinne. Bekannte linke Publikationen sind
noch nicht betroffen.
Doch gleichzeitig nutzt Erdoğan die Post-Putschversuch-Situation, um immer
mehr Macht an sich zu ziehen. Das Militär, die Geheimdienste und die
Polizei sollen direkt seiner Kontrolle unterstellt werden, mit dem
Ausnahmezustand baut er seine Macht aus, um per Dekret zu regieren.
Bei dem Treffen mit den beiden anderen Parteichefs wurde zwar beschlossen,
einige Verfassungsänderungen gemeinsamen durchzuführen und insgesamt einen
Neustart in der Debatte zu wagen, doch an Erdoğans Erwartung einer
Präsidialverfassung hat sich nichts geändert. Und in der wichtigen
Kurdenfrage bleibt Erdoğan so unversöhnlich wie in den letzten 12 Monaten.
31 Jul 2016
## LINKS
[1] /Tuerkei-nach-dem-gescheiterten-Putsch/!5328357
[2] /Demonstration-der-tuerkischen-Opposition/!5327651
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Beleidigung
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